Die Lochkarte
Die ersten Rechner setzten das Prinzip der Lochkarte und des Lochstreifens ein. Erfunden wurde die Lochkarte im Jahre 1889 von Hermann Hollerith, einem Kind deutscher Einwanderer, erfunden. Hollerith war im amerikanischen Volkszählungsbüro angestellt und sah die Probleme die es gab: Gesetzlich verpflichtet musste die Behörde alle zehn Jahre eine Volkszählung durchführen und die Bevölkerung nach Merkmalen erfassen. Das dauerte nach 1880 so lange, dass man vorhersagte, dass wegen der rapide ansteigenden Bevölkerung durch Einwanderer, es 1890 länger als 10 Jahre dauern würde die Daten auszuwerten. Die neuen Daten wären also erst verfügbar, wenn man schon die nächste Volkszählung angehen müsste.
Hollerith hatte sich das Prinzip des Jaquard-Webstuhls angeschaut. Bei diesem steuerte ein Papiermuster den Webstuhl. Löcher bestimmten wo jeweils ein Schussfaden gesetzt wurde und wo nicht. Damit konnten Webstühle nicht nur einfarbige Tücher weben, sondern auch beliebige Muster. Die Erfindung dessen bewirkte, dass es möglich war noch mehr die Weberei zu automatisieren, was in vielen Ländern zu „Weberaufständen“ führte, so in England und Preußen. Auf einem ähnlichen Prinzip beruhen auch die Drehorgeln.
Das Prinzip der Lochkarte ist sehr einfach. Es ist eine Karte aus Karton, bei der ein Merkmal an einer bestimmten Stelle, bezeichnen wir sie mal als Zelle, durch Löcher kodiert ist. Bei den ersten Lochkarten war es so, dass ein Merkmal wirklich für ein Loch stand, also z.B. Geschlecht: Loch = männlich, kein Loch = weiblich. So wurde ein Bit kodiert. Die Karte bestand aus einer Anzahl von Spalten und einer Anzahl von Zeilen. Multiplizierte man die Spalten mit den Zeilen, die Daten enthielten, (oft gab es noch andere für Verarbeitungsinformationen) so erhielt man die Speicherkapazität einer Karte. Gab es mehrere Auswahlmöglichkeiten für ein Merkmal, so wurden bei den ersten Karten mehrere Zellen in denen ein Loch stehen konnte, zusammengefasst. Beim Alter konnte ein Loch in der dritten von 10 Zellen z.B. für ein Lebensalter von 30 bis 39 stehen. In den anderen Spalten dürfte dann kein Loch vorhanden sein.
Als die Lochkarten für Computer genutzt wurden, ging man zur digitalen Speicherung über, speicherte also in 8 Zellen ein Byte. Je nach Kodierung konnten 8 Löcher dann entweder für den Wert 0 oder 255 (28-1) stehen.
Das Lesen erfolgte dann mit einer Lesevorrichtung. Sie tastete die Lochkarte ab, bemerkte dabei ein Loch. Das konnte über verschiedene Verfahren geschehen, mechanisch, pneumatisch, später vor allem aber elektrisch waren üblich. So konnte eine Nadel unter Strom stehen und beim durchlaufen der Karte einen Kontakt mit der Metallunterlage herstellen, wodurch ein Strom floss, oder eben nicht. Die ersten Tabelliermaschinen konnten die Karten nur zählen. Immerhin konnte aber das Volkszählungsbüro so in drei Monaten mit 43 Maschinen alle Daten auswerten. Später konnte man mit Lochkarten Berechnungen durchführen bevor es Computer gab. Ähnlich wie Registrierkassen verfügten sie über mechanische Addier- und Subtrahierwerke. Nun begann man auch von der direkten Kodierung abzuweichen und wechselte auf ein digitales Schema.
Lochkarten konnte man zusammenfassen, indem man z.B. durch einen Kontakt alle Karten mit einem gemeinsamen Merkmal durch Umlenkung des Laufwegs in einem gemeinsamen Behälter sammelte und diese Submenge der Daten dann weiter auswerten. Hollerith gründete 1896 seine „Tabulating Machine Company“. Sie fusionierte später mit einer anderen Firma und wurde 1924 zur International Business Machines Corporation (IBM) umbenannt.
Als die Computer erfunden wurden betrieb man mit Lochkarten Buchhaltung, es konnten Lochkarten maschinell gestanzt werden und es gab auch den Lochstreifen, der im Handling einfacher war, da er leichter transportiert werden konnte als die Lochkarten. Zur Synchronisation (wo man ablesen musste) gab es einen Bereich mit Löchern am Rand. Allerdings warne alle Maschinen festprogrammiert. Die Programmierung erfolgte durch das Neuverkabeln der Kontakte zu den Funktionseinheiten.
Folgerichtig waren Lochstreifen und Lochkarten die ersten Medien um Daten zu speichern und zu lesen. Konrad Zuse stellte selbst aus alten Kinofilmen mit einem Bürolocher Lochstreifen her. Auch ging der erste kommerziell hergestellte Computer wieder an das Volkszählungsbüro. Besonders IBM, die schon seit 50 Jahren Tabelliermaschinen verkauften, wollte nicht von der Technologie des Lochstreifens bzw. der Lochkarte lassen. Ihr erster Rechner, die IBM 604 war ein Hybridrechner zwischen Tabelliermaschine und elektronischem Rechner. Das Rechenwerk funktionierte mit Vakuumröhren, doch die gesamte Programmierung erfolgte mit Lochkarten. Erst danach entwickelte die Firma rein elektronische Rechner. Als Ein/Ausgabemedium blieben die Karten und der Lochstreifen aber weiterhin in Gebrauch.
Später waren Lochkarten noch weit verbreitet um „Offline“ Programme zu schreiben. Aufgrund der englischen Bezeichnung „Batch“ für einen Kartenstapel bürgerte sich auch bald die Bezeichnung „Batch-Job“ für den Betrieb eines Rechners ein, der nacheinander Kartenstapel verschiedener Nutzer abarbeitet, die Ergebnisse ausdruckt und dann den nächsten Stapel angeht.
Der Vorteil der Lochkarte war ihre einfache Fertigung und Robustheit. Ein Gerät das einer Schreibmaschine ähnelte, konnte eine Lochkarte mit 80 Spalten und 9 Zeilen für ein Byte und Prüf-Informationem stanzen. Auf den Rand wurde der Inhalt durch den Drucker/Schreibmaschine im Klartext wiedergegeben, sodass auch eine Person den Inhalt lesen konnte. So konnte man das Programm erstellen, ohne das man einen Zugang zum Rechner hatte.
Auch frühe Programmiersprachen wie COBOL oder FORTAN waren die Lochkarte ausgelegt, so waren Zeilen maximal 80 Zeichen lang, vorne konnten in bestimmten Spalten nur Zeilennummern oder Kommentarsymbole stehen. Die 1928 von IBM eingeführte 80-Spalten Karte wurde zu einem Industriestandard. Jede Karte hatte die Abmessung von 187,3 x 82,6 mm und war 0,18 mm dick. Sie wurden in Stapeln von 2000 Karten verkauft die dann 35,6 mm hoch waren.
In den siebziger Jahren schwand die Bedeutung der Lochkarten und der Lochstreifen. Für die Datenverarbeitung wurden schon lange andere Systeme verwendet die schneller gelesen und geschrieben werden konnten, doch hatten Lochstreifen noch eine Bedeutung um Software zu verbreiten, da das Format herstellerunabhängig war. Die erste Version von Microsoft BASIC für den Altair konnte man z.B. auf Lochstreifen erhalten. Der Lochstreifenleser war auch ein erschwingliches Medium für diesen ersten PC. Die Lochkarten hatten noch lange eine Bedeutung im universitären Umfeld, wo viele Benutzer an einen Rechner heran wollten und es so am einfachsten und preiswertesten war, dass die Benutzer offline ihre Programme schrieben und auf Karten stanzten. Die Minicomputer und frühen PC’s sorgten für ein verlängertes Leben des Papierstreifens, da er immer das preiswertete Medium zum Speichern war. Bei Großcomputern erlaubten ab den siebziger Jahren Terminals einen Time-Sharing Betrieb. Dabei wurde an einer umgebauten Schreibmaschine über eine Datenleitung ein Befehl an den Computer gesandt, dessen Rechenzeit nun auf viele Benutzer aufgeteilt wurde. Später gab es auch Bildschirme wodurch Papier als Medium vollkommen überflüssig wurde.
Der Nachteil der Lochkarte und des Lochstreifens war, dass bedingt durch die mechanische Verarbeitung die Lesegeschwindigkeit sehr gering war, die Schreibgeschwindigkeit noch kleiner und das Schreiben noch aufwendiger als das Lesen war. Die Datendichte war gering, so speicherte eine Lochkarte maximal 80 Byte, selbst wenn man sie mit einer Schreibmaschine beschrieben hätte, hätte man mehr Daten ablegen können. Zudem war sie nicht wiederbeschreibbar. Ein Fehler in einer Zeile erforderte das komplette Neustanzen einer neuen Lochkarte. Schnellstanzer erreichten zwar 800 Karten pro Minute, doch da jede Karte maximal 80 Zeichen aufnahm, entsprach das nur 1067 Zeichen/Sekunde oder wenn ein Zeichen 8 Bits einnimmt 8,5 KBit/s. Ein für den Altair verfügbarer Lochstreifenleser hatte sogar nur eine Geschwindigkeit von 110 Bits/s.
Als die Ära schon weitergehend vorbei war, 1985 stieß der Autor im ersten Wintersemester, als er zur Physikvorlesung im Nachbargebäude hetzte mit einem anderen Studenten zusammen, der gerade seine Lochkarten zum Rechenzentrum in der gleichen Richtung brachte – niemals zuvor und danach habe ich jemand so fluchen hören wie jenen Studenten dessen Programm nun völlig durcheinandergemischt auf dem Boden lag….
Hochinteressant! Beim Lesen kam mir die Idee, dass das Prinzip der Lochkarte auch im Nanobereich möglich wäre, was hohe Speicherdichten ermöglichen würde. Andererseits bräuchte man zum Auslesen dann so etwas wie ein Rastertunnelmikroskop, was immens aufwändig wäre.
Eine weitere Anwendung des Lochstreifens ist das sogenannte Player Piano, in seiner Funktionsweise recht gut dargestellt hier: http://www.youtube.com/watch?v=ydcRAMZl0l0
Die Idee dahinter war die Erschließung spieltechnischer Möglichkeiten, die die eines menschlichen Spielers weit übersteigen, wie gut hier zu sehen ist: http://www.youtube.com/watch?v=Cb3eLFjWTlk
Was mich dabei fasziniert ist, dass man an den Lochstreifen direkt graphisch die Tonhöhe in Echtzeit mitverfolgen kann.
Deine Idee wurde von IBM in 2005 gemacht: http://de.wikipedia.org/wiki/Millipede
Moin,
ein paar Anmerkungen:
Die Idee einen Webstuhl mit einer Rechenmaschine zu verheiraten hatte Ada. Sie war auch die erste Programmiererin.
Eine unrühmliche Geschichte ist die Einführung der IBM Lochkarten für das Deutsche Melderegister, bei dem immer noch die Religionszugehörigkeit abgefragt und gespeichert ist. Ohne IBM hätte es in Deutschland nie einen so effektiven Holocaust gegeben.
Der Vorteil von Lochstreifen gegenüber Lochkarten war, dass jeder Fernschreiber solche hatte, und dass die Aufbewahrung einfacher ist. Dafür ist das Editieren mit Schere und Tesa komplizierter. Hachti hat mehrere alte Rechner am laufen. Wirklich sehenswert ist unter anderm seine Methode ein Lochstreifenband zurück zu spulen.
Siehe: http://h316.org/gallery/video1/
Der Lochkartenslapstick ist alt, und sogar in den 60ern in einem Film vorgekommen. Die Geschichte hab ich schon tausendmal gehört, meist ist sie aber einem Freund passiert. Lochkarten wurden in Kisten transportiert, damit so was nicht vorkommt. Am rechten Rand befand sich in den letzten 8 Zeichen erst zwei bis drei Zeichen für den Patch Code (d.h. das Kürzel des Programmierers) und dann eine Zeilennummer. Wenn die Karten runter fallen, ist es einfach die in einen Sortierer zu legen. Daher *sorry* Bernd, das glaub ich Dir nicht, dass Dir das selber passiert ist.
Ich hab übrigens im Closed Shop programmieren gelernt. In der guten alten Zeit als Computer noch groß, teuer, und blau waren, und Programmiererinnen noch, nett, billig und weiblich.
Siehe: http://kephra.de/blog/Programmiererinnen.html <- Meine Begründung für die heutige Softwarequalität.
ciao,Michael
Moin,
Nachtrag – Computerrätsel:
Mal als „Rätsel“ in die Gruppe. In welchem der 5 Teile und in welcher Sekunde kommt die von Bernd beschrieben Scene vor.
http://www.youtube.com/results?search_query=The+Machine+that+Changed+the+World
Ich hab alle 5 Teile auf Platte, aber ich finde die Stelle nicht auf die Schnelle. Ich vermute sie ist in Teil 2, wo es hauptsächlich um Lochkarten geht.
ciao,Michael
Beim Lochstreifen waren die Löcher zur Synchronisation nicht am Rand. Im Bild ist die Reihe kleinere Löcher (Transportspur) etwas oberhalb der Mitte zu sehen. Schnellere Lochstreifenleser haben die Lochstreifen optisch abgetastet, es gab Geräte die 1000 Zeichen pro Sekunde lesen konnten.
Tsss, Tss Tsss
Meinst Du ich würde meine Blogleser belügen? Nach fast 30 Jahren weiss ich nicht mehr die Details, aber von meinen Vorlesungen habe ich ja auch nur noch einige humoristische Momente in Erinnerung. Es kann gut sein, dass auch einige Karten beschädigt wurden. Ein Jahr später wurden sie endgültig ausgemustert und man konnte sie in beliebiger Menge als Notizzettel bekommen.
Lochkarten wurden in vielen Filmen gezeigt, genauso wie die eindrucksvoll schnell startenden und stoppenden Magnetbänder „Action“ demonstrierten. Mir fällt spontan eine Szene aus „Ein Hauch von Nerz“ ein, die ich mal hochgeladen habe und die Du vielleicht auch meinst:
http://www.youtube.com/watch?v=QsHrQf6uVlY
@Thierry:
Danke! Tja, die guten Ideen sind alle schon vergeben…:-)
Aber es scheint ja sogar daran gearbeitet zu werden, diese Technologie auf den Markt zu bringen! Hätte ich nicht gedacht. Na, mal sehen, was daraus wird!
@Philipp K:
Wie gross am Millipede noch gearbeitet wird, weiss ich nicht. Aber um der ganzen Sache ist es ziemlich ruhig geworden.
Wie bei den meisten Erfindungen, die alles total umkrempeln sollten. Vor etwa 40 Jahren wurde großer Rummel um holographischen Speicher gemacht. Es wurden riesige Speicherkapazitäten versprochen, und sollte in wenigen Jahren kommen. Zu sehen ist der aber immer noch nicht.
Oder ein etwas aktuelleres Beispiel: Der Tesafilm-Speicher. Mit viel Rummel angekündigt, und dann ganz still beerdigt.
Danke für den wertvollen Beitrag! Sehr schön Tipp.