Methylamin als Raketentreibstoff

Diese Frage bekam ich gestern per Mail gestellt. Da mir sowieso gerade nicht soviel für den Blog einfällt, will ich mal die Eignung dieser Substanz als Treibstoff zeigen. zuerst mal fange ich immer mit dem Bauchgefühl an. Da sieht Methylamin nicht schlecht aus. Wie man an der Summenformel CH5N erkennen kann hat das Molekül relativ viel Wasserstoff (16,1% der Molekülmasse). Bei dem eingesetzten höheren Analogon unsymmetrisches Dimethylhydrazin (C2H8N2) sind es nur 13,3%. Allgemein gilt: Je höher der Wasserstoffgehalt einer Verbindung desto besser ist der Treibstoff, weil Wasserstoff bei seiner kleinen Molekülmasse die gleiche Energiemenge pro Bindung liefert wie Stickstoff oder Kohlenstoff und auch die Abgase (Wasser) eine kleine Molekülmasse haben und so die Gasgeschwindigkeit beim Verlassen der Düse hoch ist.

Tendenziell sollte es auch billiger herzustellen sein. Es ist zumindest anders als UDMH eine sehr häufig eingesetzte Chemikalie die als Nukleophil fungiert. Soviel vom Bauchgefühl.

UDMH / MethylaminSchaut man bei Wikipedia mal nach den physikalischen Eigenschaften, dann erkennt man zwei Nachteile. Das eine ist der niedrige Siedepunkt von -6,3°C. UDMH wurde ja nicht als Treibstoff gewählt weil es so tolle chemische Eigenschaften hat, sondern weil es lagerfähig ist und sich mit NTO selbst entzündet (das dürfte auch für Methylamin gelten). Methylamin ist wenn es nicht unter Druck steht nicht lagerfähig. Es ist aber als Nukleophil sehr reaktionsfähig und nicht so umweltschädlich wie UDMH.

Doch wie sieht es mit dem spezifischen Impuls aus? Ich habe FCEA eine Simulation machen lassen mit der Einstellung „eingefrorenes Gleichgewicht“, das eher zu niedrige Werte liefert. Brennkammerdruck war in beiden Fällen 80 bar. Expansionsverhältnis einmal 120 (Vakuum) und 15 (Meereshöhe, Ersttsufentriebwerk). Die spezifischen Impulse habe ich jeweils angegeben.

Deutlich ist, dass die beiden Kurven ähnlich sind, die Methylamin Kurve ihr Maximum weiter rechts, weil mehr Sauerstoff zur Verbrennung benötigt wird, das drückt sich bei einem Maximum weiter rechts aus. Bei stöchiometrischer Verbrennung würde es bei NTO/UDMH bei 3,06 zu 1 und bei NTO/Methylamin bei 3,34 zu 1. Man wird sinnigerweise die Treibstoffe nahe des Mischungsverhältnisses verbrennen, das den höchsten Impuls liefert und da liegen beide Treibstoffe auf fast demselben Niveau. Es liegt bei NTO/UDMH bei 2,2 zu 1 und bei NTO/Methylamin bei 2,5 zu 1. der Vakuumimpuls liegt dann bei 2855/3253 (NTO/UDMH( und 2850/3255 bei NTO/UDMH. Da beide Werte fast gleich hoch sind lohnt sich also der Einsatz von Methylamin unter energetischen Gesichtspunkten nicht, zumal die Substanz eine geringere dichte hat also größere Tanks benötigt. Wenn dann kann der einsatz aufgrund der Produktionskosten und Giftigkeit.

eine zweite praktischer Gesichtspunkt kann sein, dass man gleich große Tanks haben möchte, die sind dann billiger zu fertigen. Bei NTO/UDMH ist das bei einem Mischungsverhältnis von 1,86 der Fall, bei NTO/Methylamin bei 2,1 zu 1.Dann erhält man Ausstömgeschwindigkeiten von 2843 (Meereshöhe) und 3219 (Vakuum) bei UDMH und 2831 / 3209 bei Methylamin. Also auch unter diesem Gesichtspunkt kein Vorteil.

Denkbar wäre der Einsatz als „Green Fuel“ bei Satelliten. Die Temperatur zum Verflüssigen kann man leicht im Weltraum erreichen, wenn man die Tanks isoliert. Relativ leicht ist es verdampfbar. So könnte man unter Umständen auf Heliumdrucktanks verzichten und einfach die Tanks erhitzen oder den Satelliten so drehen, dass die sonne sie erhitzt wenn eine Zündung ansteht.

9 thoughts on “Methylamin als Raketentreibstoff

  1. Auch ein Thema wert, ein Gemisch aus Methan und Ethylen, dazu gibt es Patente und Dissertationen. Wurde in einer Arbeit schon 1955 erwähnt. So eine Mischung eliminiert recht deutlich die Nachteile von Methan.

  2. „Die Mischung von Methan und Ethylen ist nicht besser als Kerosin“

    Die Aussage ist natürlich nicht korrekt, verfüge Zahlen und Publikationen, habe kurz erwähnt.

  3. Zitat: Die Mischung von Methan und Ethylen ist nicht besser als Kerosin

    Dazu die korrekte Antwort in Kurzform, ein Patent der RKK Energija vom 27 Februar 2002.

    Um die deutliche Nachteile von Methan mit seiner Dichte zu eliminieren, verwenden wir eine Mischung von Ethylen und Methan. Dadurch haben wir ein Treibstoff mit der Dichte von Kerosin, besonders wichtig für Beschleunigungsstufen, der Isp bleibt auf dem Niveu von Methan, somit haben wir durch die Senkung der Konstruktionsmasse auch mehr Nutzlast als mit reinen Methan.

  4. Tja man sollte nicht alles glauben was man liest. Das meiste was Du schreibst ist ja nicht nachprüfbar, Links und Nachweise bleibst Du schuldig, aber die Dichten von Ethen und Methan schon:
    Ethen:0,5679 kg/l (http://www.messer.ch/produkte_loesungen/gasedaten/physdatenbl/Ethylen_phys_d.pdf)
    Methan: 0,42 kg/l (https://de.wikipedia.org/wiki/Methan)
    Kerosin: 0,745 bis 0,85 (https://de.wikipedia.org/wiki/Kerosin)
    Ist leider physikalisch unmöglich …

  5. Entscheidend für den spezifischen Impuls beim Verbrennen von Kohlenwasserstoffen ist das Verhältnis von Wasserstoff zu Kohlenstoff. Je mehr Wasserstoff, desto höher der spezifische Impuls. Wird Methan mit einem Stoff mit geringeren Wasserstoffgehalt vermischt, sinkt der gesamte Wasserstoffgehalt und damit auch der spezifische Impuls. Das läßt sich nachrechnen, ein Isp auf dem Niveu von Methan ist also nur ein Wunschtraum.
    Drucktanks für Flüssiggas sind garantiert schwerer als Kerosintanks, so wird das auch nichts mit der geringeren Strukturmasse.
    Irgendwie sind die neuen „Wundertreibstoffe“ wie eine Religion. Man muß daran glauben, Nachrechnen ist reine Ketzerei. Soll wohl davon ablenken, daß man als einzige große Raumfahrtnation mit Flüssigwasserstoff nicht zurechtkommt. Und das obwohl man es vor Jahrzehnten bei der Energia schon mal konnte.

  6. An Jewgenij: Ich bitte um einen Link zu der Arbeit falls auf Englisch oder zu Patent.
    Die Behauptung „Moleküle niederer Molmasse im Abgasstrom führen zu höherer Ausströmgeschwindigkeit“ hat sich Bernd nicht aus den Fingern gesaugt, sonder man kann sie z.B. in dem Buch: Köhler, Horst W: 100*Raumfahrt, Mannheim, Würzburg, 1977, S.15 nachlesen.
    Das Programm das Bernd zur Bewertung von Treibstoffen nutzt ist von der NASA und mit Sicherheit wissenschaftlich abgesichert und basieren auf mathematisch/physikalischen Tatsachen. Link: http://www.bernd-leitenberger.de/blog/2011/08/10/5216/

    Du kannst gerne Beiträge infrage stellen (und ich bin guten Diskussionen gegenüber immer aufgeschlossen, genau so wie ich an deinen Neuigkeiten aus der russischen Raumfahrt immer interessiert bin), jedoch ist es für eine solche Diskussion unabdinglich das man die angenommenen Randbedingunen des anderen kennt. Wenn man eine Acetamstufe mit einer Wassrstoffstufe vergleicht, dann ist es wichtig von beiden Stufen so etwas wie Expansionsverhältnis, Brennkammerdruck, voll/Leermasse und schließlich die Ausströngeschwindigkeit zu kennen. Und ohne dich angreifen zu wollen, bei diesen Diskussionen bist du harte Zahlen oft schuldig geblieben, genau so wie Links (und ich zweifle ausrücklich nicht die Existenz dieser russischen Arbeiten an!)

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