Die Evolution von Planetenatmosphären – Teil 1

Anstatt zu begründen, warum mein vorletzter Blog in der Rubrik „Münchhausens Kolumne“ gelandet ist, will ich mal erklären, wie die Planeten zu ihren Atmosphären gekommen sind und wie wir von den heutigen Atmosphären rückrechnen können was passiert.

Fangen wir mal ganz vorne an, nämlich beim Urknall. Auch wenn die Vorgänge im Einzelnen komplex sind, verlief der Urknall im Prinzip so: Das Universum wurde immer kühler, sprich die kinetische Energie der Teilchen, wie auch die Energie pro Volumeneinheit wurde immer kleiner. Das führte dazu, dass nach und nach die heutigen Elementarteilchen entstanden. Irgendwann war die Temperatur so niedrig, dass Protonen und Neutonen stabil waren. Nun begannen Neutronen mit Protonen zu Atomkernen zusammenzutreffen. Bei viel Glück konnten auch Atomkerne mit zwei Protonen entstehend und zu einem ganz kleinen Teil mit drei Protonen. Wenige Minuten nach dem Urknall war die Temperatur aber schon soweit abgesunken das neue Kernteilchen die gegenseitige Abstoßung, die zwischen Teilchen herrscht, bis sie sich ganz nahe sind, nicht mehr überwinden konnten. Es entstanden keine neuen Atomkerne mehr. Freie Neutronen zerfallen mit einer Halbwertszeit von etwas über 9 Minuten. So waren wenige Stunden nach Ende des Urknalls nur noch die Atomkerne von Wasserstoff, Helium und ganz kleinem Teil auch Lithium übrig. Der Wasserstoff machte dabei den größten Teil, etwa 75% Gewichtsprozent oder 90 % der Atome aus. Rund 100.000 Jahre nach dem Urknall sank die Temperatur soweit ab, das auch Elektronen stabile Bahnen um die Atome einnehmen konnten und es entstanden Atome.

Aus diesem Material: Wasserstoff und Helium entstanden dann die ersten Sterne und aus ihm besteht auch das Gas zwischen den Sternen. Die folgenden Sterne erbrüteten dann in ihren Fusionsprozessen die höheren Elemente. Es gibt mehrere Fusionsprozesse, die jeweils bei immer höheren Temperaturen und Drücken einsetzen und die jeweils auf dem Endprodukt des vorherigen Fusionsprozesses aufbauen. Die Sonne fusioniert derzeit nur Wasserstoff zu Helium. Die auf die Heliumfusion folgenden Prozesse erzeugen Kohlenstoff, dann Sauerstoff, Magnesium, Neon Natrium. Der nächste Prozess erzeugt Schwefel, Phosphor, Silizium und der letzte Prozess Eisen, Aluminium, Silizium, Nickel, Kobalt.

Jeder Prozess braucht extreme Bedingungen und läuft nur bei einer immer größeren Masse des Sterns ab. Ein sehr massereicher Stern hat am Schluss seiner Lebenszeit einen Aufbau, der einer Zwiebelschale gleicht: ganz innen einen kleinen Kern der vornehmlich Eisen als Fusionsprodukt liefert, dann eine Schale, die Phosphor, Schwefel und Silizium erzeugt, darüber eine Schale, die Sauerstoff bis Magnesium erzeugt und darüber eine, die Kohlenstoff erzeugt. Es folgt als letzet schale die Heliumfusion und der Mantel aus Wasserstoff ohne Fusionsprozesse. Nur massive Sterne haben alle Schalen und explodieren dann auch am Ende ihres Lebens als Supernovae. Nur so werden die Schalen überhaupt freigesetzt (bei der Sonne kommt das z. B. nicht vor). Bei der Supernova gibt es dann kurzzeitig Energie im Überfluss, sodass dann auch noch in kleinen Mengen die anderen Elemente entstehen. Im Prinzip entstehen alle Elemente ab Ordnungszahl 4 in den Sternen. Neben den Fusionsprozessen gibt es auch noch einige Nebenreaktionen.

Warum ist das wichtig? Nun es legt die Zusammensetzung der Gaswolke fest, aus der dann unser Sonnensystem entsteht. Der Großteil dürfte immer noch aus Wasserstoff bestehen. Zum einen fusioniert nur ein kleiner Teil der Materie des Sterns, in den äußeren Schichten gibt es nicht die Temperatur und den Druck für Fusionsreaktionen. Zum anderen wird sich die bei der Supernova freigesetzte Materie mit schon existierendem Gas vermischen, das noch die ursprüngliche Zusammensetzung hat. Die Häufigkeit der Elemente sinkt mit jedem Reaktionsprozess ab. Es gibt also mehr Kohlenstoff als Silizium und davon mehr als Eisen. Um Größenordnungen kleiner ist die Menge der Elemente, die erst bei der Supernova entstehen. Das sind zum einen die Elemente in den Nebengruppen wie auch die Aktiniden. Aber auch innerhalb der Hauptgruppe ist die Verteilung unterschiedlich. So wird mehr Silizium als Chlor gebildet, obwohl beide Elemente direkt nebeneinanderliegen.

Die Gaswolke wird dann durch die Supernova zum Kollaps gebracht, wobei in der Regel sehr viele Sterne gleichzeitig entstehen. Das Material strömt zum Zentrum, aber auch jenseits des Zentrums fangen Staubteilchen an sich zu verklumpen, ab einer bestimmten Größe fangen sie an andere Teilchen anzuziehen und wachsen weiter. Schließlich wachsen die Körper durch gegenseitige Kollisionen und sehr große Protoplaneten haben auch genügend Gravitationskraft um gasförmige Substanzen zu binden.

Was gasförmig ist, hängt im Prinzip von der Temperatur ab. Schon vor dem Zünden der Fusion in der Sonne gibt es einen Temperaturgradienten durch die Reibung der nach innen strömenden Materie. Im inneren Sonnensystem ist Wasser gasföhnig, im äußeren dagegen ein Feststoff (Eis). Daher haben die Körper im äußeren Sonnensystem viel größere Chancen zu wachsen, weil sie das Wasser als festes „Baumaterial“ nutzen können bevor sie so groß sind das Sie Wasserdampf gravitativ binden können. So finden wir im äußeren Sonnensystem auch vor allem Körper, die vor allem aus Wasser bestehen.

Die Situation verändert sich entscheidend, wenn die Sonne ihre Fusion beginnt. Von nun an sendet sie einen Strom von Protonen aber auch Photonen aus. Sie übertragen Energie auf die Atome, Moleküle und größeren Körper der Gaswolke. Das führt dazu das alle Atome und Moleküle durch die Energiezufuhr in relativ kurzer Zeit die Fluchtgeschwindigkeit erreichen und „weggeblasen“ werden. Selbst Staub wird heute noch durch den Strahlungsdruck von der Sonne weggeblasen. Der Effekt ist um so stärker je näher man der Sonne ist. Weiter draußen haben die Planeten also mehr Zeit Gas zu sammeln.

So erklärt sich zwanglos, dass wir im inneren Sonnensystem vor allem Körper aus Verbindungen mit hohem Schmelzpunkt finden, nämlich alle Arten von Gesteinen oder Metallen. Im äußeren Sonnensystem entfällt ein Großteil der Masse auf Verbindungen niedriger Molekülmasse wie Wasser, Ammoniak, Stickstoff, Methan. Die ganz großen Körper konnten auch den Wasserstoff und das Helium aus dem solaren Nebel gravitativ binden.

Neben der Zusammensetzung speilt auch die Masse der Wolke in jeder Entfernung eine Rolle. Die Masse nimmt zwar zur Sonne hin zu, aber auch die Temperatur, sodass flüchtige Verbindungen in der inneren Zone leicht nach außen diffundieren konnten. Nahe der Sonne konnten die erdähnlichen Planeten nicht schnell genug wachsen. Der größte Planet ist Jupiter, er liegt nicht umsonst als nächster der Gasriesen hinter dem letzten erdähnlichen Planeten, denn nach außen hin nimmt die Dichte ab, die Planeten konnten also immer weniger Masse aufsammeln, so werden die folgenden Gasriesen auch kleiner und jenseits von Neptun konnte kein großer Planet mehr entstehen, dazu war die Dichte zu gering. Für die Möglichkeit der Entstehung von Gasriesen spricht auch, das die Regionen, die sie leerräumen können, viel größer sind: Zwischen Erde und Mars oder Venus liegen rund 42 bis 80 Millionen km. Zwischen Jupiter und Mars / Saturn sind es 550 bzw. 660 Millionen km.

Kommen wir zur Entstehung der Planeten, speziell der erdähnlichen Planeten. In der Endphase, als schon sehr viele große Körper entstanden waren, stießen diese letzten Körper zusammen. Die Oberfläche des Mondes zeigt noch das Ausmaß des Bombardements, obwohl dieser erst nach dem Zusammenstoß der Erde mit einem anderen Protoplaneten entstand. Dei Protoplaneten verlodern dabei einen Teil ihrer flüchtigen Substanzen, die bei der Temperatur beim Aufprall freigesetzt wurden. Ein Teil blieb erhalten. Sehr große Körper werden nicht beim Zusammenprall komplett zerstört, sondern der innere Kern verschmilzt mit dem Kern des anderen Protoplaneten. Damit auch die dort gebunden flüchtigen Substanzen. Noch heute setzt die Erde bei Vulkanausbrüchen Wasser, Stickstoff, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff frei. Ab einer bestimmten Größe kann der Protoplanet dann auch Gase selbst binden. Die kleineren verloren wieder die Gase, so sind Asteroiden weitestgehend frei von flüchtigen Substanzen. Später lieferten noch Kometen, die aus dem äußeren Sonnensystem durch Störungen nach innen gelenkt werden, vor allem flüchtige Verbindungen.

Doch entscheidend für die heutige Atmosphäre ist, wie hoch die Gravitationskraft des Planeten ist. Gase haben gemäß der Stefan-Boltzmannverteilung bei jeder Temperatur eine bestimmte Energieverteilung, die einer Geschwindigkeitsverteilung entspricht. Ein kleiner Teil der Moleküle hat eine so hohe Energie, das die daraus resultierende Geschwindigkeit ausreicht, das Gravitationsfeld des Planeten zu verlassen. So hat keiner der erdähnlichen Planeten eine größere Menge an freiem Wasserstoff (Atommasse 2) und Helium (Atommasse 4), obwohl diese Elemente die häufigsten im Urnebel waren. Jupiter besteht aber zum größten Teil aus diesen Elementen. Er ist aber 318-mal schwerer und hat die 5-fache Fluchtgeschwindigkeit der Erde an der Oberfläche. Selbst Wasser verliert die Erde noch in großer Menge, allerdings im Verhältnis zur vorhandenen Menge ist es wenig. Eine ähnliche Atommasse wie Wasser haben auch Methan (16) und Ammoniak (18). Schwerer und daher weniger flüchtig sind Kohlenmonoxid und Stickstoff (beide 28) und Kohlendioxid (44).

So verwundert es nicht das man in den Atmosphären von Venus vor allem Stickstoff und Kohlendioxid findet. Beim Mars als kleinsten erdähnlichen Planeten ist die Atmosphäre sehr dünn. Er verliert bis heute mehr Masse als freigesetzt wird. Mond und Merkur waren zu klein, um auch diese schweren Moleküle zu binden, zumal sie näher an der Sonne sind als der Mars, die Temperatur also höher ist.

Man vermutet, dass die ursprünglichen Atmosphären aller erdähnlichen Planeten ähnlich waren. Wasser ist die häufigste flüchtige Verbindung im inneren Sonnensystem gewesen. Aus ihr wird ein Großteil der Atmosphäre bestanden haben. Dazu kommt Kohlendioxid. Über die Menge der anderen Bestandteile wie Schwefelwasserstoff, Stickstoff, Ammoniak, Kohlenmonoxid und Wasserstoff wird noch diskutiert. Sie heutigen Atmosphären entstanden dann durch chemische Reaktionen, aber auch durch Interaktion der Planeten mit der solaren Strahlung. Darum geht es im zweiten Teil des Blogs.

3 thoughts on “Die Evolution von Planetenatmosphären – Teil 1

  1. @ Bernd:
    Warum sind nahezu alle Krater auf dem Mond und anderen Planeten rund und nicht wenigstens nahe den Polen oval od. Trichterförmig?
    Wenn diese durch einen Einschlag eines Fremdkörpers entstehen würden, müsste ohne Atmosphäre die Gravitation so stark sein, daß die Bahnkurve aller Objekte nahezu senkrecht auf der Mond bzw. Planetenoberfläche auftrifft. Dies zu glauben fällt mir zumindest für einen Einschlag nahe den Polen (Streifschuß) relativ schwer.
    Wie hätte z.B. der `Meteor` von Tscheliablinsk auf dem Mond eingeschlagen? Senkrecht mit rundem Krater?

    Warum sind auf dem Mond viele winzige Krater direkt auf dem erhabenen Rand von großen Kratern zu erkennen? Das kann kein Zufall sein. Rein statistisch ist eine derartige Trefferquote nicht zu erklären.

    Gruß aus dem Allgäu

  2. Ich bin kein Geologe, aber ich weiß das die heutigen Asteroiden schon kleine Winkel zur Erdbahn haben. Früher wird es noch mehr davon gegeben haben (die eingefangenen Asteroiden um Saturn bis Neptun haben ja auch beliebige Winkel zur Äquatorebene). Daher sehe ich schon das Problem nicht. Aber ich würde die Frage an einen Geologen oder Planetenforscher stellen.

  3. Die Relativgeschwindigkeit von Asteroiden zum Mond liegt typischerweise in der Größenordnung der Geschwindigkeit, mit der die Erde um die Sonne kreist, also 30 km/s. Die Fluchtgeschwindigkeit vom Mond beträgt hingegen nur 2,3 km/s. Von daher verteilen sich die Einschlagwinkel auf dem Mond ziemlich gleichmäßig. Winkel nahe 90° treten nur auf, wenn der Einschlagkörper von vornherein auf das Zentrum des Monds „gezielt“ hat, streifender Einschlag von Körpern, deren Flugbahn den Mond am Rand trifft, dürfte prozentual deutlich häufiger sein.

    Bleibt die Frage,warum die Krater rund sind. Nun, wenn ein Körper mit 1 kg Masse mit 30 km/s auf dem Mond einschlägt, dann werden 4,5 * 10^8 Joule an Energie freigesetzt, das sind mehr als 100 kg TNT! Da der Mond zudem eine relativ weiche Oberfläche hat (wir erinnern uns alle an die Fußstapfen von Neil Armstrong!) wird von der folgenden Explosion eine Menge Zeug weggeschleudert. Nimmt man z.B. an, dass 5% der Explosionsenergie in Bewegungsenergie des Auswurfs übersetzt werden, dann reichen 4,5 * 10^8 Joule, um 10 t Material auf 300 m/s zu beschleunigen. Der Meteorit war zwar 100-fach schneller als der Auswurf, aber er wog zugleich nur ein Zehntausendstel desselben. Vom Gesamt-Impuls dominiert also der sekundäre Auswurf durch die Explosion am Einschlagort, und daher entsteht ein (fast) ringförmiger Krater.

    Das ganze gilt analog, wenn man es mit größeren Massen für den Einschlagkörper durchrechnet.

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