Die Lösung für ein überflüssiges Problem: Wie groß kann eine Rakete sein?

Bei meinen Recherchen über die Saturn V bin ich auch auf zahlreiche Post-Saturn Studien gestoßen. Die größte Rakete mit 18 Triebwerken in der ersten und 3 in der zweiten Stufe mit einer Nutzlast von 567 t in einen Erdorbit und einer Masse von 6.600 t beim Start. Das brachte mich auf meine heutige Blogidee – wie groß kann man eine Rakete machen?

Ich kann mich an ein Buch erinnern, in dem stand, das es im Prinzip keine technischen Grenzen für den Schub eines Triebwerks gibt und man in den Sechzigern Triebwerke mit 10.000 bis 40.000 kN Schub zumindest theoretisch untersucht und für baubar hielt.

Natürlich kann man eine Rakete prinzipiell enorm groß bauen, selbst wenn es Grenzen bei den Triebwerken oder Stufen gibt, kann man diese bündeln. Das OTRAG Konzept sah ja bis zu 1.000 Stufen vor. Selbst die Saturn V würde, wenn man acht davon bündeln, würde schon auf über 1.000 t in die Erdumlaufbahn kommen. Doch ich will die Frage realitätsnäher interpretieren: Was wäre die größte Rakete, wenn wir die vorliegende Erfahrung berücksichtigen – die N-1 mit 30 Triebwerken scheiterte, bei der Falcon Heavy fehlen mit einem Start bisher noch die Erfahrungen für eine vernünftige Statistik. Dagegen flogen zahlreiche Träger mit acht bis neu Triebwerken erfolgreich, so die Saturn I+IB, Ariane 4 und Falcon 9. Wenn man Feststofftriebwerke hinzuzählt, dann kann man auch die Delta ab der 2000-er Serie hinzunehmen.

Also: was ist die größte mögliche Rakete mit maximal neun Triebwerken? Auch wenn man eine Rakete prinzipiell wahrscheinlich enorm groß bauen kann, so kommt man doch beim Transport bald an Grenzen. Die S-IC und S-II Stufen konnten nur per Schiff transportiert werden. Über Land war dies unmöglich. Für Flugzeuge waren sie auch zu groß und schwer. Bei der Proton war der Durchmesser der ersten Stufe auf 4,5 m wegen der Eisenbahntunnel beschränkt. Sie erhielt daher Außentanks, um die Masse zu erhöhen. Ähnliche Beschränkungen hat SpaceX bei ihrer Falcon 9 die auch über Land transportiert wird und daher zu einem, langen Spargel wurde.

Die N-1 wurde daher beim Startplatz zusammengebaut und dies würde man auch ein einer Riesenrakete so machen. Allerdings auch dann sicher nicht von Grund auf. Vielmehr wird man die leichten Strukturen wie Tanks dort fertigen. Dazu muss man „nur“ Bleche verschweißen. Es fällt schwer zu glauben, dass man die technisch komplexen Triebwerke aber vor Ort fertigen wird. Die Triebwerke sind die größten und komplexesten Einzelteile und sie sind auch relativ schwer, verglichen mit den Tanks. Daher konzentriere ich mich in meiner Betrachtung darauf, wie groß man ein Triebwerk bauen kann. Damit kennt man dessen Schub und über den Schub kann man Startmasse und Nutzlast abschätzen.

Nehme ich an, dass ich ein Triebwerk per Flugzeug transportiere, so habe ich zwei Beschränkungen: im Gewicht und im Volumen. Es gibt Spezialflugzeuge mit vergrößerten Rümpfen, die für solche Transporte genutzt wurden. Das Größte das ich kenne, ist der Airbus Beluga XL, ein Airbus 300-600 mit vergrößertem Rumpf zum Transport der Tragflächen eines Airbus, der ja auch an verschiedenen Stellen in Europa in Teilen gefertigt wird Sein Rumpfdurchmesser beträgt 7,4 m und seine Nutzlastkapazität 53 t. Nimmt man 30 cm Freiheit zu allen Seiten an, so könnte man ein maximal 6,8 m breites und 53 t schweres Triebwerk mit ihm transportieren.

Doch wie schubstark ist es?

Es gibt mehrere Möglichkeiten an die Problematik heranzugehen. Große Triebwerke erreichen im Nebenstromverfahren ein Schub/Gewichtsverhältnis von 100:1, im Hauptstromverfahren 120:1. Die meisten Triebwerke liegen aber darunter, bei etwa 80:1. Nehmen wir das als Basis, so kommt man bei 53 t Gewicht auf rund 4240 t Schub, das sind rund 42.000 kN oder der sechsfache Schub eines F-1.

Die zweite Annäherung ist über die Größe. Die Düse ist der breiteste Teil des Triebwerks. Über ihren Durchmesser, das Flächenverhältnis zwischen Düsenmündung und Düsenhals und den Brennkammerdruck kann man ebenfalls den maximalen Schub errechnen. Ich habe als Orientierung zwei gebaute Triebwerke genommen:

Parameter F-1 (Nebenstrom) NK-33 (Hauptstrom)
Brennkammerdruck: 54 bar 145,4 bar
Schub (Meereshöhe) 6.806 kN 1.543 kN
Düsendurchmesser 3,53 m 1,50 m
Flächenverhältnis 16 27
Gewicht: 8.361 kg 1.408 kg
Schub/Masse 81,4 109,5
Schub bei 53 t Gewicht 43.100 kN 58.000 kN
Schub bei 6,80 m Durchmesser 25.200 kN 31,700 kN

Würde man also die Triebwerke einfach skalieren so käme man nicht über 31.700 kN Schub heraus.

Die beiden Triebwerke sind LOX/RP-1 Triebwerke.

Mit neun dieser Triebwerke käme man dann auf einen Startschub von 285,5 MN. Bei einer Startbeschleunigung von 12,5 m/s entspricht dies einer Startmasse von 22.800 t, oder siebenmal schwerer als die Saturn V. Entsprechend mehr Nutzlast könnte man transportieren. Berücksichtigt man das die Saturn V sehr konservativ ausgelegt war, so wäre mit zwei LOX/LH2 Oberstufen wie bei der Saturn V sicher eine Nutzlast von mehr als 400 t in eine Mondtransferbahn beförderbar.

LOX/LH2 Triebwerke sind schwerer und erreichen nur ein Schub/Gewichtsverhältnis von rund 50:1.

Parameter RS-68 (Nebenstrom) SSME (Hauptstrom)
Brennkammerdruck: 97 bar 220 bar
Schub (Meereshöhe) 2.809 kN 1.668 kN
Düsendurchmesser 2,34 m 2,36 m
Flächenverhältnis 21,5 77
Gewicht: 6.600 kg 3.150 kg
Schub/Masse 42,5 52,9
Schub bei 53 t Gewicht 22.500 kN 28.000 kN
Schub bei 6,80 m Durchmesser 23.700 kN 13.800 kN

Mit LOX/LH2 kommt man daher auf eine leichtere (wenn auch nicht kleinere) Rakete, aber mit fast derselben Nutzlast, da der um ein Drittel geringere Startschub mit einer um ein Drittel kleineren Masse korrespondiert. Zwei mögliche Raketen füge ich als Datenblatt bei. Die LOX/LH2 Rakete orientiert sich nach den Leistungsdaten des RS-68, das etwas mehr Schub wenn auch weniger spezifischen Impuls bei gegebener Größe hat. Die Strukturfaktoren wurden mit 20:1 für LOX/RP-1 (erreichen ICBM, wenn auch S-IC und Block A als Erststufen der Mondraketen schwerer sind) und 15:1 (erreicht von Ariane 5 EPC) angesetzt. Die Oberstufen sind nur abgeschätzt, ohne eine spezielle Optimierung. Doch diese würde dies nicht gravierend ändern. Man kommt über 400 t in eine Mondtransferbahn.

Feststoffbooster

Ohne eine Extra-Rakete aber zumindest diskutiert will ich noch auf Feststoffbooster eingehen. Auch hier soll das Kriterium der Transport mit dem Flugzeug sein. Der Beluga kann maximal 38 m lange Teile mit 63 t Gewicht transportieren. Feststoffbooster werden in Segmenten gefertigt bzw., heute geht der Trend zu einem großen Segment. Verzichtet man auf die Segmentbauweise, so wäre die Motorhülle (die Düse wird immer erst danach anmontiert) also maximal 38 m lang, 6,80 m im Durchmesser und 53 t schwer. Wie groß kann der Booster sein?

Der neueste und modernste Booster ist der P120C Booster. Sein Motorcase hat eine Masse von 8,3 t, ist 11,7 t lang und hat einen Durchmesser von 3,4 m. Die Masse steigt aufgrund physikalischer Gesetze linear zur Länge und quadratisch zum Durchmesser an. Ein Booster, der den gesamten Frachtraum ausfüllt, wäre also 13-mal so schwer und damit schwerer als die maximale Nutzlast. Bei 53 t Maximalnutzlast dürfte der Booster also maximal 6,4-mal schwerer sein. Das wäre, wenn man den P120C als Referenz nimmt, eine Startmasse von 916 t und ein Startschub von 22.400 kN. Der Schub wäre also nicht höher als wie bei einem Triebwerk. Steigerbar wäre dies natürlich durch Verbinden mehrerer Booster. Das ist bei den heute gewickelten Kohlefaserverbundwerkstoffen zumindest aufwendiger, als wie bei den Metallröhren die man früher verwendet wurden. Es wurde bei der Titan 4B gemacht, die aber sehr teure Booster hatte.

Durch den im Vergleich zu Startmasse hohen Schub könnte man trotzdem die Nutzlast steigern, indem man zwei Booster zusätzlich an eine der obigen Rakete anbaut, dafür aber zwei Treibwerke weglässt. Wenn die Booster ausgebrannt sind, haben die anderen sieben Triebwerke so viel Treibstoff verbraucht das sie auch ohne Booster die Rakete weiter beschleunigen können.

One thought on “Die Lösung für ein überflüssiges Problem: Wie groß kann eine Rakete sein?

  1. Die Masse des Motorcase steigt linear mit dem Durchmesser an, siehe Kesselformel. Die Aussage stimmt ansonsten nur fuer die Gesamtmasse mit Treibstoff, aber dann ist das Bezugsgewicht 144t.

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