Mathematik à la Zubrin

Ich halte nicht viel von Zubrin, war aber bisher noch der Meinung das er zumindest die Grundrechenarten beherrscht. Dieser Aufsatz belehrt mich allerdings eines besseren. Er meint allen Ernstes, dass man eine bemannte Mondlandung mit zwei Falcon Heavy Starts und einer Crew Dragon durchführen kann. Zeit mal das nachzuprüfen. Hier mal die Fakten:

  • Die Crew Dragon wiegt leer 9,5 t
  • Der spezifische Impuls der Superdracos beträgt 2.000 m/s
  • Die NASA gibt das ΔV für den Haloorbit, der angestrebt wird mit 840 m/s (Hin-/Zurück) an
  • Bei Apollo hatte die Abstiegsstufe ein ΔV von 2.500 m/s
  • Bei Apollo hatte die Aufstiegssstufe ein ΔV von 2.200 m/s
  • Die Geschwindigkeit im 100-km-Mondorbit betrug rund 1.600 m/s
  • Der Apollo LM wog beim Start 16,5 t, wovon noch 2,3 t wieder in den Orbit kamen
  • Das Voll-/Leermasseverhältnis der Apollo LM Abstiegsstufe betrug 4,85
  • SpaceX gibt die GTO-Nutzlast der Falcon heavy mit 22,2 t an, die Marsnutzlast mit 14 t (real sind es wohl maximal 15 t in den GTO, aber da es auch mit 22 t nicht geht, nehme ich eben die Wunschvorstellungsdaten).
  • Das ΔV in einen GTO sind etwa 10,2 km/s, in eine Mondtransferbahn 10,9 km/s und zum Mars 11,4 km/s.

Mein Ansatz ist es zu berechnen, was diese Kombination landen und wieder in den Halo Orbit bringen könnte, verglichen mit Apollo Mondlander. Dessen Leichtgewicht dürfte heute nicht zu schlagen sein, denn schon wegen den inzwischen viel höheren Sicherheitsanforderungen hätte er eine viel schwerere Hülle und man würde wojhl auch nicht nur zwei Astronauten zum Mond entsenden.

Fangen wir mit der Nutzlast der Falcon Heavy für eine Mondtransferbahn an. Geschwindigkeitsmäßig liegt die Mondtransferbahn fast genau in der Mitte zwischen GTO und Marstransferbahn. Daher kann man ohne einen großen Fehler zu machen als Nutzlast für eine Mondtransferbahn das geometrische Mittel der Nutzlasten zwischen beiden Bahnen annehmen, das sind (22,2 + 14 ) / 2 = 18,1 t.

Crew Dragon

Die Crew Dragon muss 840 m/s aufwenden um in den Haloorbit einzuschwenken und ihn wieder zu verlassen. Selbst wenn man zusätzliche Manöver für die Ankopplung an den Mondlander und Kurskorrekturen weglässt, kann man den Faktor Startgewicht/Trockengewicht für dieses Δv nach der Raketengrundgleichung wie folgt berechnen:

f = exp(840/2000) = 1,53

Multipliziert mit der Trockenmasse von 9,5 t ergibt sich so eine Startmasse von 14,5 t. Dazu kämen in der Realität noch das Trockengewicht der Tanks und das zusätzliche Druckgas, denn die Crew Dragon ist ja für ISS Missionen ausgelegt und die haben ein kleineres ΔV-Budget. Aber auch damit läge sie sicher unter den 18 t.

Mondlander

Der Halo-Orbit ist ein Orbit von 3.000 x 70.000 km. Für eine Mondlandung muss er angepasst werden, wobei ich mit Apollo vergleiche, weil das eben die bisher einzige Datenbasis ist. In der Praxis würde man leicht anders vorgehen und das Perilunäum auf 0 km Höhe legen.

Um mit dem Apollo-Orbit zu vergleichen, müsste man den Orbit auf einen 100 x 70.000 km Orbit umwandeln. Dann läge das Perilunäum wie bei Apollo, das Apolunäum höher, die zusätzliche Geschwindigkeit im Perilunäum würde beim Abstieg vernichtet werden.

  • Um das Perilunäum abzusenken, benötigt man 34 m/s
  • Im Perilunäum hat man eine Geschwindigkeit von 2.286 m/s
  • Die Kreisbahngeschwindigkeit in 100 km Höhe liegt bei 1.637 m/s
  • Das ergibt zusammen eine Differenz von 2.286-1.637+34 = 683 m/s

Dies muss man zu den 2.500 bzw. 2.200 m/s ΔV der Stufen berechnen, man erhält so ein ΔV von 3.183 m/s (Abstiegsstufe) und 2.863 m/s (Aufstiegsstufe)

Man wird sicher aus Sicherheitsgründen und wegen der einfacheren Regelbarkeit ein Triebwerk mit lagerfähigen Treibstoffen einsetzen. SpaceX hat für die Falcon 1 das Kestrel entwickelt, das auch im richtigen Schubbereich (~ 30 kN) liegt. Sein spezifischer Impuls beträgt 3105 m/s.

Vor der Landung muss der Mondlander aber zuerst in einen Mondorbit, denn die Besatzung muss ja von der Crew Dragon umsteigen. Dafür benötigt man die Hälfte des ΔV der Crew Dragon (man verlässt den Orbit ja nicht mehr). Das sind weitere 420 m/s. Ich habe sie zum ΔV der Abstiegsstufe hinzugerechnet, die so auf ein dV von 3603 m/s kommt.

So kann man die Landemasse berechnen:

Die Landemasse berechnet sich nach:

  • Landemasse = 18,1 t / exp(3603 m/s / 3105 m/s)
  • Landemasse = 5,67 t

Für die Berechnung der Masse der Aufstiegsstufe muss man nun die Trockenmasse der Landestufe abziehen, denn die bleibt auf dem Mond. Nach der Definition des Strukturfaktors f mit Startmasse/(Startmasse-Treibstoff) und dem Wert von 4,85 kann man schreiben:

  • Trockenmasse = (18,1 – 5,67)/ (4,85-1)
  • Trockenmasse = 3,22 t
  • Zusammen mit dem verbrauchten Treibstoff (18,1 – 5,67 t = 12,3 t) kommt man so auf eine Abstiegsstufenmasse von 15,65 t.

Das lässt noch 2,45 t für die Abstiegsstufe übrig (5,67-3,22 t oder 18,1 – 15,65 t)

Damit könnte man eigentlich die Berechnung schon beenden, denn das ist das Gewicht der Apollo Aufstiegsstufe, nur eben ohne Treibstoff. Doch um Zubrins ganze Kompetenz zu zeigen, rechne ich weiter. Diese Kombination muss nun den Halo Orbit errechnen, für den ein Δv von 2.683 m/s benötigt wird. Die Restmasse kann man wieder Errechnen nach

  • Restmasse = 2,45 t / exp (2863 m/s / 3105 m/s) = 975 kg

Etwas knapp, aber das ist ja noch mit dem Antriebssystem. Ohne Landegestell und die gesamte Ausrüstung Wasser, Sauerstoff und Batterien wird der Strukturfaktor des Antriebssystems höher sein. SpaceX erreichte bei ihrer Falcon 1 Zweitstufe einen f von 8,42, also nehme ich diesen auch an. Damit erhält man als Trockenmasse:

  • Trockenmasse = (2,45 – 0,975) / (8,42 – 1)
  • Trockenmasse = 199 kg

Die muss man noch von den 975 kg abziehen, dann bleiben noch 776 kg übrig. 776 kg für ein Raumfahrzeug mit Kommunikationsausrüstung, Luftschleuse, Avionik, Energieversorgung, Thermalkontrolle, Wohnraum (Außenhülle), Vorräten und nicht zu vergessen einigen Astronauten mit ihren Backpacks und Anzügen und die Mondproben. Hmmm, dürfte knapp werden. Aber ich bin sicher Zubrin hat eine Lösung dafür z.B., indem er einen riesigen Luftballon als Mondlander nimmt. Menschenleben bedeuten ihm ja nicht viel, wie man von seinen hochriskanten Marsplänen ja schon weis.

Kurze Abschätzung ohne Rechnung

Es gibt aber eine andere Erklärungsmöglichkeit, nämlich das Zubrin absolut nichts von Weltraumfahrt versteht. Warum? Schon ohne Rechnung wusste ich das dieser Plan mit zwei Falcon Heavy eine Mondlandung durchzuführen nicht klappen kann. Warum? Nun auch ohne genaue Rechnung war die Nutzlast einer Falcon Heavy, wie oben erläutert, irgendwo zwischen 14 und 22 t abzuschätzen. Anders als bei Apollo musste der LM aber die Fluchtgeschwindigkeit und nicht die Kreisbahngeschwindigkeit des Mondes vernichten bei der Landung und fast dieselbe Geschwindigkeit auch beim Rückstart, da der Haloorbit ein sehr hohes Apolunäum hat. Da ist klar, dass diese Masse nicht ausreicht, zumal der Lander schon nicht mehr als der Apollo LM wiegen kann, der vom CSM in einen niedrigen Mondorbit gebracht wurde und auch nur diesen erreichen muss. Man kann sich auch der Sache aus einem anderen Blickwinkel nähern – die Apollo CSM-LM Kombination wog bis zu 48,6 t, so viel können zwei Falcon heavy nicht zum Mond schaffen und wie Zubrin selbst schreibt, wiegt alleine die Crewed Dragon, im Prinzip also nur die Kommandokapsel, 1,5 mal mehr als die von Apollo. Wie also soll das gehen? Negative Masse? Anti-Schwerkraft?

11 thoughts on “Mathematik à la Zubrin

  1. Alles viel zu kompliziert was Du hier ausrechnest. Wir wissen ja von den Fans wie easy Raumfahrt in Wirklichkeit ist, z.B. ist ein Lebenserhaltungssystem so trivial, dass es von ein paar Abiturienten in wenigen Wochen zusammengebaut werden kann. Und die neuen Space-X Anzüge sehen nicht nur schick aus sondern sind sicherlich auch so leicht wie eine Feder (auf dem Mond ja sowieso). Wenn man dieses Prinzip auf alles anwendet, wird das so easy gehen wie uns die bemannte Mondumrundung von Space-X schon 2018 demonstriert hat.

    Ups. Da war was. Seifenblase? Ja, ist wohl geplatzt, schade drum.

  2. Der geniale Raketenkonstrukteur und Meister der Sparsamkeit Sergei Pawlowitsch Koroljow wäre mit zwei Falcon Heavy und einer Crew Dragon auf den Mond gelandet.
    Sein Lunnyi Orbitalnyi Korabl (LOK) und Lunniy Korabl (LK) wogen zusammen soviel wie das Lunar Module (LM) der NASA. Hinzu kommt noch der Block-D.
    Mit der ersten Falcon Heavy startet man das LK zusammen mit einer Beschleunigungsstufe. Mit der zweiten den Block-D. Dann kommt noch die Crew mit einer Crew-Dragon.
    Die Ankopplung dieser drei Fahrzeuge muss auch nicht in der Erdumlaufbahn stattfinden, dies kann auf der Flugbahn zum Mond geschehen. Das LK und der Block-D müssen nicht in eine Mondumlaufbahn eintreten, spart Treibstoff, sondern die Abkoppeln kann vorher stattfinden.
    Die Fahrzeuge LOK und LK kann man mit heutiger Technik für ein Besatzungsmitglied mehr konstruieren ohne das da viel Masse anfällt.
    Jedes Jahr versuchen Menschen den Mount Everest zu erreichen. Viele bezahlen dies mit ihren Leben. Warum soll eine Reise zum Mond ungefährlicher sein.

  3. Hier ist einiges falsch:
    a) der spezifische Impuls der Super Dracos ist nicht 2km/s sondern 2.3km/s
    b) die Super Dracos werden aber hier nicht zur Anwendung kommen, den es wird kein Manöver mit hohen Schub gebraucht
    c) statt dessen werden die normalen Dracos mit 2.9km/s verwendet werden
    d) SpaceX gibt die Nutzlast der Falcon Heavy nicht mit 2,22t in den GTO und 14t zum Mars an, sondern mit 26,7t bzw. 16.8t. (https://www.spacex.com/vehicles/falcon-heavy/)
    e) Ein Halo Orbit wird im Zubrin Model nicht geplant sonden docken im LLO, man will es ja ohne Gateway machen

    Auch die anderen Zahlen sind, sagen wir mal so, sehr auf der sicheren Seite geschätzt. Manchmal fragt man sich schon. Wäre interessant das mal korrekt durchzurechnen.

  4. a.) da es keine direkten Daten von SpaceX gibt habe ich die der Wikipedia genommen und da sind es 2.000 m/s
    b.) Ohne hohen Schub in einen LLO einschwenken – Oha, die 9,7 kN der Orion werden ja schon als zu schwach betrachtet weshalb diese auch den Haloorbit anstrebt,
    c.) Klar, mit 0,4 kN Schub mehrere Tonnen in eine Umlaufbahn einschwenken lassen für die man >900 m/s abbremsen muss (LLO). Einfacher Dreisatz reicht um zu erkennen, das man die Zeit dafür nicht hat.
    d.) Ja nur widerspricht dem ihr Manager für Launch Services (natürlich nur vor Fachpublikum und ohne Handout, aber es hat trotzdem jemand fotografiert … https://pbs.twimg.com/media/DokwEbqWwAEyj25.jpg
    e.) was im Haloorbit mit kleinem dV nicht funktioniert klappt auch nicht im LLO mit mehr als doppelt so hohem dV.

  5. a) Auch Wikipedia hat auch die 2.3m/s bzw. 2.9km/s
    https://en.wikipedia.org/wiki/SpaceX_Draco
    https://en.wikipedia.org/wiki/SuperDraco
    Wie gesagt, manchmal fragt man sich schon.

    b) Ja, das ist kein Problem. Geht so gar mit Ionenantrieben. Natürlich will man bei bemannten Missionen nicht so lange warten, aber die Dracos sind mehr als genügend. Simpleste OM Übung, erstes Semester.
    c) Hui, hier herrscht, wie sooft mal eine alternative orbtiale Mechanik?
    d) Eh, weil Königsmann 2018 von der Block3 & Block4 Mischung spricht. Manchmal fragt man sich echt.
    e) siehe c)

    1. b.) ich gehe von Zubrin aus. Du schiebst einfach Annahmen nach. Die 9,7 k Schub der Orion wurden schon kritisiert und die wiegt in etwa genauso viel wie eine Dragon. Da möchte man auch nicht monatelang warten
      c.= Ach ja? Die Dragon wiegt ohne Treibstoff mindestens 9,5 t. dV = 900 m(/s macht einen Gesamtimpuls von 9500 x 900 = 8,55 MN, geteilt durch 400 N eines Dracos macht mindestens 21275 s Brennzeit. In der Zeit ist sie längst am Mond vorbeigeflogen. selbst wenn man laufend den Schubvektor angleicht wegen der langen Brenndauer, dann gibt es andere Probleme, dann kann man den hyperbolischen Exzess nicht nutzen und die 900 m/s gelten nicht mehr und der verbrauchte Treibstoff ist auch nicht in der Rechnung drinnen.
      d.) damals standen aber schon die gleichen Nutzlastangaben auf der Website, wie man leicht bei archove.org nachlesen kann. Die Block n Angaben mögen etwas an der Wiederverwendung geändert haben aber nicht an der Nutzlast. Erklär mir besser, wie man ohne die Startmasse, Abmessungen etc. zu ändern einfach mal die Nutzlast um 50 % erhöht.

  6. Btw.. vielleicht ist das Proble. dass Sie meinen alles muss immer ein Hohmann Transfer sein? Selbst in dem Szenario machts kaum einen Unterschied (Ionenantriebe gehen dann natürlich nicht so gut) ob jetzt eine Minute oder eine halbe Stunde für das dV gebraucht wird.

  7. ad d) Noch etwas: zu sagen Zurbin kann nicht rechnen und gleichzeitig statt der offiziellen Zahlen andere zu nehmen zu denen Sie den Kontext nicht kennen, hinkt halt auch. Wenn man jemanden schon öffentlich angreift muss man schon sauber arbeiten.

    1. Zubrin hat inzwischen seine Berechnung veröffentlicht:
      https://www.thespacereview.com/article/3980/1

      Sie ist soweit ich sehe richtig gerechnet, geht aber von zwei Starts aus, keinem direkten Transfer und er meint tatsächlich eine Falcon Oberstufe ohne Isolation hält den Sauerstoff über Tage hinweg flüssig ….

      Den Kommentaren kann ich nur zustimmen: Das ist eine Wiederholung von Apollo 8, vielleicht für Touristen interessant, nicht
      aber für die NASA.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.