Optionen für eine Oberstufe für die Vega

Wenn die Vega C fliegt, dann wird sie rund 50 % mehr Nutzlast haben als ihr Vorgängermodell. Ich sehe darin eine Chance kleine Raumsonden zu starten, die einen begrenzten Auftrag haben, aber dafür auch billig sind. Ich denke es gibt einen guten Kompromiss zwischen Größe und Leistung in dem Segment, das heute Mikrosatelliten einnehmen, also einer Masse von 200 bis 300 kg. Eine Raumsonde wäre, selbst wenn man einen dieser Busse einsetzt, schwerer, benötigt sie doch in der Regel ein Antriebssystem, während Mikrosatelliten passiv in der Lage stabilisiert sind und ihre Bahn nicht ändern. Daneben benötigt sie ein viel leistungsfähigeres Kommunikationssystem, das aus großer Entfernung mit der Erde kommunizieren kann, das ebenfalls Gewicht addiert. Mit Instrumenten wird eine Raumsonde so bei 300 kg Gewicht ankommen. Das könnte, wenn man die Raketengrundgleichung nimmt eine Vega C mit einer zusätzlichen Stufe befördern. Doch sie hat keine Stufe, daher will ich mal Optionen für diese erörtern.

Ausgangsbasis

Ausgangsbasis ist bei mir eine Nutzlast der Vega C von 3.400 kg in einen 33 Grad geneigten Orbit. Diese Bahnneigung ist nicht durch Zufall gewählt. Der nutzlasttechnisch optimale Orbit hätte eine Bahnneigung von etwa 5 bis 6 Grad, da die Vega C vom CSG mit etwas über 5 Grad geografischer Breite aus startet. Nur kommt man bei dieser Bahnneigung nicht zu den meisten Zielen. Das ist auch der Grund, warum ich die preiswertere Alternative zu einer eigenen Oberstufe – die Mitführung als Sekundärnutzlast bei einer Ariane 6 – nicht betrachte. Natürlich kann eine Ariane 6 auch höhere Bahnneigungen anstreben, doch dann gibt es das Problem, das dies mit den Anforderungen der Hauptnutzlast kollidiert und bestimmte Bahnneigungen sind verboten damit die Zentralstufe nicht über Südamerika oder Südafrika niedergeht. Das führte schon dazu das BepiColombo eine Extrarunde drehte, da der direkte Kurs zur Venus aufgrund dieser Restriktionen ausschied. Erst ein Erdvorbeiflug hob die Bahnneigung auf den korrekten Wert an. Die Wahl der Bahnneigung von 33 Grad erfolgte, weil keine US-Raumsonde jemals eine Bahn hatte, die mehr als 33 Grad Bahnneigung hatte.

Von den 3.400 kg Maximalnutzlast habe ich 200 kg für den Adapter und als Reserve abgezogen. Zielbahn ist eine in 200 km Höhe.

Eine Feststoffoberstufe

Das naheliegendste und missionstechnisch optimale ist eine Feststoffoberstufe. Das Problem ist deren Größe. Eine Raumsonde kann zur Venus starten – dann benötigt man rund 3,6 km/s über Kreisbahngeschwindigkeit, es können bei Asteroidenmissionen aber auch 5 km/s sein. Man wird sie daher auf den mittleren Bereich der Zielgeschwindigkeit einstellen. Ist die Nutzlast schwerer (niedrige Geschwindigkeit) so lässt man Treibstoff weg. Ist die Geschwindigkeitsanforderung höher so kann ein Teil der Differenz kompensiert werden, indem man die nun leichtere Kombination (leichtere Nutzlast) auf einer elliptischen Bahn entlässt.

Ich habe mich im Folgenden an der PAM-D Folgenden, an der PAM-D orientiert die auch in der Masse im richtigen Bereich liegt. Für ein nominelles dV von 4,1 km/s, einem spezifischen Impuls von 2.850 m/s und einem Voll-/Leermasseverhältnis von 9,2, dem der PAM-D erhält man folgende Eckdaten:

System Gewicht
Startmasse: 3.200 kg
Davon Oberstufe: 2.738 kg
Oberstufe trocken: 296 kg
Nettonutzlast: 462 kg
Nutzlast zur Venus (11,4 km/s) 604 kg
Nutzlast zum Mars (11,6 km/s) 547 kg
Max. Geschwindigkeit bei 300 kg Nutzlast 4,8 km/s

Für die Feststoffoberstufe spricht ihr einfacher Aufbau, niedriges Leergewicht und ihr hoher Schub. Gegen sie spricht der niedrige spezifische Impuls, und das sie nur einmal zündbar ist. Die folgenden Alternativen können dagegen, wenn gewünscht auch das Einbremsen in einen Orbit übernehmen. Allerdings erreicht der Zefiro 9A Antrieb auch einen höheren spezifischen Impuls der bei nur 547 kg Nutzlast diese schon deutlich anhebt.

Erprobt: Satellitentriebwerke

Die Vega hat schon eine Raumsonde gestartet: Lisa-Pathfinder in den L2-Lahrangepunkt. Ohne Oberstufe wurde in LISA Pathfinder ein 400 N Apogäumanstrieb integriert mitsamt den benötigten Treibstofftanks. Das ganze ist dann keine getrennte Stufe, sondern ein integrierter Antrieb. LISA Pathfinder wog 1.906 kg beim Start, davon waren fast 1.100 kg Treibstoff waren. Bei Ankunft im Lissajous-Orbit wog sie noch 810 kg, wovon nur 480 kg auf die Raumsonde selbst entfielen. Das bedeutet, bei 1.426 kg Startmasse wog das Modul trocken noch 330 kg, was ein sehr schlechtes Masseverhältnis ist. Wie hoch es generell sein kann, weiß zumindest ich nicht, weil die Massen der Subsysteme bei Satelliten selten ausgewiesen werden. Ein Beispiel, dass ich kenne war das Antriebssystem von Galileo, das ein Voll-/Leermasseverhältnis von 5 hatte. Selbst bei Integration in die Sonde, die beim Ziel auch ein Antriebssystem braucht, wird man bei druckgeförderten Antrieben aufgrund der durch den Innendruck schweren Tanks aber selbst bei großen Stufen selten über ein Verhältnis von 8 hinauskommen.

Der Hauptnachteil des geringen Schubs ist aber die lange Brenndauer. Beim normalen Einsatzzweck bei einem Apogäumantrieb spielt dies nur eine untergeordnete Rolle, da der Satellit lange Zeit Im Apogäum seine Entfernung von der Erde kaum ändert. Im Perigäum ist das anders. Es resultieren hohe Gravitationsverluste. Diese kann man minimieren, indem man die Bahn über sehr viele Einzelbahnen anhebt, jeweils nur kurz um das Perigäum herum. Das geht so lange, bis die letzte Geschwindigkeitserhöhung fällig ist und die bringt die Sonde dann auf Fluchtgeschwindigkeit. Bei dieser Bahn sind Gravitationsverluste unvermeidlich. Bei einem c3 von 8 km/s sind es fast 600 m/s Gravitationsverluste selbst bei 16 Zwischenbahnen. Das geht, senkt aber die Nutzlast ab. Hier dieselbe Tabelle wie bei der Feststoffoberstufe unter der Berücksichtigung von 600 m/s Verlusten:

System Gewicht
Startmasse: 3.200 kg
Davon Oberstufe: 2.977 kg
Oberstufe trocken: 496 kg
Nettonutzlast: 223 kg
Nutzlast zur Venus (11,4 km/s) 347 kg
Nutzlast zum Mars (11,6 km/s) 0 kg
Max. Geschwindigkeit bei 300 kg Nutzlast 3,78 km/s

Ein schubkräftigeres Triebwerk

Anstatt nun mehrere dieser 400 N Antriebe zu kombinieren, kann man gleich auf ein größeres Triebwerk zurückgreifen. Leider ist da die Auswahl nicht sehr groß. Bei Oberstufentriebwerken geht es erst bei rund 30 kN Schub los, was schon wieder zu viel ist, vor allem weil ein Triebwerk dann auch 200 kg wiegt und dies von der Nutzlast abgeht. Der naheliegendste Gedanke ist es das 2,5 kN Triebwerk der Vega in eine eigene Stufe zu übernehmen. Es hat den Schub von sechs 400 N Triebwerken. Es stammt aus der Ukraine, doch wenn es Sorgen wegen der Abhängigkeit gibt kann man einfach ein Dutzend davon kaufen und einlagern und vor dem Einsatz einmal testen. Für die Vega hat eine Studiefür die DLR eine Alternative zum ukrainischen Triebwerk mit einem 8 kN Antrieb untersucht, hier würde die Stufe trocken 974,5 kg wiegen bei 1.700 kg Treibstoff. Das wäre aber eine Stufe für die Vega mitsamt der ganzen Avionik für die gesamte Rakete. Diese wiegt bei der Vega alleine 171 kg. Zieht man dies ab, so kommt man auf ein Voll./Leermasseverhältnis von 3,5 also auch nicht wesentlich besser. Da wäre das originale Antriebsmodul der Vega mit mehr Tanks deutlich besser, es liegt hochskaliert bei 5,4 zu 1. Ich habe für die obige Tabelle mit 6 zu 1 gerechnet, weil es wie der Satellitenantrieb in die Struktur integriert wird. Die Gravitationsverluste sinken und liegen nur bei unter 450 m/s bei weniger benötigten Zwischenbahnen, maximal 5 Stück.

System Gewicht
Startmasse: 3.200 kg
Davon Oberstufe: 2.967 kg
Oberstufe trocken: 494 kg
Nettonutzlast: 232 kg
Nutzlast zur Venus (11,4 km/s) 497 kg
Nutzlast zum Mars (11,6 km/s) 434 kg
Max. Geschwindigkeit bei 300 kg Nutzlast 4,267 km/s

Ionentriebwerke

Die ESA hat selbst eine Studie für eine Ionenantriebsstufe VENuS erarbeitet, die allerdings nur für Transfers innerhalb der Erde. Diese Stufe wog 838 kg trocken und fasste bis zu 751 kg Xenon bei einer Stromversorgung von 16 kW. Für den höheren Antriebsbedarf im Sonnensystem braucht man mehr Xenon und mehr Strom. Nimmt man zwei 10 kW Flügel, die vier RIT-22 Triebwerke speisen und addiert für weiteres Xenon noch die Tankmasse, dann müsste folgende Stufe resultieren:

Startmasse: 3.200 kg
Davon Oberstufe: 2.390 kg
Oberstufe trocken: 968 kg
Nettonutzlast: 810 kg
Nutzlast zur Venus (11,4 km/s) 1.374 kg
Nutzlast zum Mars (11,6 km/s) 1.292 kg
Max. Geschwindigkeit bei 300 kg Nutzlast 21 km/s

Hinsichtlich Nutzlast punktet die Stufe. Das Problem sind die langen Betriebszeiten. Sie braucht 1 Jahr 95 Tage um Fluchtgeschwindigkeit zu erreichen. Für einen Kurs zum Mars weitere 261 Tage. Hat man die Zeit, so ist die Stufe aber unschlagbar. Mit ihr wäre ein Asteroid in noch 450 Millionen km Distanz (kreisförmige Umlaufbahn angenommen) erreichbar. Bei kleinen Himmelskörpern ist der Ionenantrieb auch gut geeignet, um dort in eine Umlaufbahn einzuschwenken und sie zu verlassen wie Hajabusa demontiert hat. Relativ leicht ist die Nutzlast anzupassen, indem man einfach mehrere Tanks vorsieht und je nach Geschwindigkeitsbedarf einen weglässt oder weniger voll füllt. Als Nebeneffekt kann sie auch innerhalb der Erdumlaufbahn eingesetzt werden. Innerhalb eines Jahres kann sie einen 1.800 kg schweren Satelliten in den GEO bringen, ähnlich viel Nutzlast in einen Gelileoorbit. Das eröffnet zusätzliche Einsatzmöglichkeiten.

Mögliche Ziele

Wohin können die nun kleinen Raumsonden fliegen?

Primär gibt es mit dem dV Budget drei große Ziele:

  • den Mond
  • die Venus
  • und der Mars

Ich halte aber Missionen zu diesen Himmelskörpern für nicht besonders attraktiv. Denn hier gibt es die Konkurrenz durch größere Raumsonden, die regelmäßig dorthin starten. Zu Mars sowieso, zum Mond nun wegen des erneut gestiegenen Interesses auch. Lediglich zur Venus sind keine Missionen geplant. Bei allen drei großen Körpern muss man mindestens noch mit einem dV von 800 m/s rechnen, um in einen elliptischen Orbit einzuschwenken. Bei Venus und Mars kann der durch Aerobraking abgesenkt werden. Beim Mond benötigt man dazu nur wenig mehr Geschwindigkeit. Wenn man diese Ziele anvisiert, dann wohl am ehesten die Venus. Zwei Lösungen bringen 600 bzw. fast 500 kg zur Venus, wovon im Orbit noch 70 % übrig bleiben also 350 bis 400 kg. Das ist vergleichbar der Masse von Akatsuki (516 / 329 kg). Bei einer Ionenantriebsstufe ist die Nutzlast so groß das es sogar eine Raumsonde von dem Gewicht von Venus Express sein könnte.

Die idealen Ziele sind für mich aber kleine erdnahe Asteroiden, von denen ja schon vier von Sonden besucht wurden: Eros (von Near), Itokawa (von Hayabusa 1), Bennu (von OSIRIS-REx), Ryugu (von Hayebusa 2). Diese kleinen Körper dienen inzwischen vornehmlich der Bodenprobenentnahme oder Tests von Abwehrtechniken wie dem Aufschlag eines Projektils. Das liegt auf der Hand, denn sie sind so klein, das sie keine Atmosphäre haben und keine Plasmaumgebung. Damit entfallen ganze Instrumentsuites die für diesen Zweck entworfen wurden. Sinnvoll kann man bei ihnen eigentlich nur wenige Instrumente einsetzen:

  • Eine Kamera für Aufnahmen.
  • Ein (abbildendes) Spektrometer zur Bestimmung der mineralogischen Zusammensetzung.
  • Eine Röngenstrahlenspektrometer zur Bestimmung der chemischen Zusammensetzung.
  • Ein Radar zur Durchleuchtung des Inneren.
  • Einen Höhenmesser für das Profil.

Die ersten drei Experimente liefern die meisten Informationen und sind selbst im Gewichts- und Strombudget einer kleinen Sonde unterbringbar.

Eine Suche mit den NASA Trajektorie Browser liefert 10 Ziele, die man zwischen 2024 und 2040 mit einem dV von unter 5 km/s erreichen kann. Das günstigste Ziel von der Geschwindigkeit her wäre Nereus bei einem Start 2031 mit einem dV von 4,45 km/s. Doch schon das liegt über dem, was zwei der vier Lösungen erreichen können, wenn die Sonde 300 kg schwer sein soll: 200 kg wiegt ein typischer Minisatellit, dazu käme noch das Mehrgewicht für die Hochgewinnantenne und Treibstoff für kleine Kurskorrekturen. Das zeigt aber schon die Problematik der starken Nutzlastabnahme, denn von 3,2 t bleiben ja nur wenige Hundert Kilogramm übrig. Wenig mehr Geschwindigkeitsbedarf und sie wird indiskutabel klein.

Die Ionenantriebsstufe sieht hier nutzlasttechnisch viel besser aus. Vor allem hat sie nicht den Nachteil, dass sie nicht den Schub für das Einbremsen in einen Orbit bei den großen Körpern liefert. Stattdessen gleicht sie die Bahn der Sonde dem des Ziels an. Mit ihr würde man nicht nur erdnahe Körper erreichen. Bei vier Triebwerken und der Möglichkeit der Schubreduktion könnte man bis in den Hauptgürtel, wo sich größere Asteroiden tummeln kommen. Dann hat man aber lange Reisezeiten wie bei Dawn. Da sie im Prinzip universell einsetzbar ist und auch leichte Kommunikationssatelliten (entsprechend rund 3 t Masse im GTO) oder zwei Galileo-Navigationssatelliten transportieren könnte halte ich sie für die beste Lösung. Für erdnahe Einsätze würde man sie wie im ESA-Vorschlag dann mit Ionentriebwerken mit einem höheren Schub aber geringeren spez. Impuls ausrüsten. Das erhöht zwar den Treibstoffbedarf, senkt aber die Betriebsdauer deutlich ab.

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