Das Space Shuttle und seine Kosten – Vorbild für Wiederverwendung oder nicht?

Als das Space Shuttle beschlossen wurde, ging die NASA daran, seine Vorteile herauszukehren. 1974 legte sie eine Flugplanung vor, nach der von 1979 bis 1991 insgesamt 572 Flüge des Space Shuttles erfolgen sollten, davon 226 mit dem Spacelab und 197 mit einer Raketenoberstufe oder einem noch zu entwickelnden Raumschlepper, der ebenfalls wiederverwendbar wäre.

Das erschien dann doch etwas optimistisch und ein Senatsausschuss hinterfragte die Zahlen. Die NASA ging davon aus, dass es keine Starts von „Wegwerfraketen“ mehr geben würde, also alle bisherigen Starts vom Space Shuttle durchgeführt werden, dazu sehr viele bemannte Kurzzeitmissionen und später auch der Aufbau einer bemannten Raumstation. Sie rechnete mit steigendem internationalen Interesse – damals begannen gerade viele Länder mit der Entwicklung eigener Kommunikationssatelliten so Frankreich/Deutschland und Kanada. Andere Projekte von der arabischen Liga und Indonesien waren angekündigt. Nicht zuletzt überlegte die NASA, welche zusätzlichen Märkte bei dem Startpreis erschließbar wären. In Jesco von Puttkamers Buch „der erste Tag der neuen Welt“ finden sich etliche davon. Von der Entsorgung von Atommüll im Weltall, über Energiefarmen bis hin zu Kommunikationssatelliten mit enorm großen Antennen, die erst im Orbit zusammengebaut werden. Fabrikation und Produktion im Orbit erschienen möglich.

Das alles sollte möglich werden, weil die NASA den Preis für einen Flug mit voller Nutzung der Nutzlastbucht auf 18 Millionen Dollar auf Preisbasis von 1972 festgelegt hatte. Das lag zwischen dem Startpreis einer Delta und einer Atlas. Diese hatten aber ein Dreißigstel bis ein Zehntel der Nutzlast eines Space Shuttles.

Heute erscheint dies enorm optimistisch. Sowohl in der Nachfrage wie auch Flugzahl. Die NASA ging davon aus, dass das Space Shuttle das hielt, was man sich von ihm versprach. Es sollte praktisch nach einer Landung nur kurz überprüft werden und dann wieder auf die nächste Mission vorbereitet werden. Fünf Orbiter würden jeweils monatlich fliegen, kombiniert also 60 Flüge pro Jahr. So kam man in nur 13 Jahren Einsatzdauer auf 572 Starts – real waren es in 30 Jahren 135. Das diese Annahme nicht stimmte, dämmerte den Projektverantwortlichen schon vor dem Jungfernflug, weil es im Projekt so viele Probleme gab. Der Hitzeschutzschild erweis sich als schwer umsetzbar, die Haupttriebwerke, an der Grenze des technischen möglichen explodierten bei einem Test. Trotzdem stieg die Flugzahl immer schneller an und 1985/86 als es auch vier Fähren gab, erreichte die NASA tatsächlich eine hohe Kadenz. Die 12 Starts pro Fähre mögen nicht erreichbar sein, aber 12 bis 16 waren für 1986 geplant. 63 Tage war der geringste Abstand der bis dahin erreicht wurde. Bei dieser Kadenz wären es bei vier Fähren 24 Starts pro Jahr gewesen. Das war aber nur möglich, weil man die Flugzahl oberste Priorität hatte. Bei bemannten Missionen war es vorher immer die Sicherheit der Besatzung gewesen. Die erste Preisliste für kommerzielle User ging von einem Startpreis von 18 Millionen Dollar aus. Dies wurde inflationskorrigiert ab 1982 auch verlangt, es waren dann 38 Millionen Dollar. (In den Siebzigern war in den USA aber auch bei uns als Folge der Ölkrise die Inflationsrate teilweise zweistellig). Ab 1986 wurde der Preis auf 71 Millionen erhöht und ab 1989 sollte er auf 87 Millionen Dollar steigen. Dies wäre ein Preis der alle assoziierten Kosten wieder hereinholen würde, aber nicht wie anfangs noch gehofft, auch die Entwicklung wieder mitfinanzieren würde. Der Preis entsprach in etwa dem einer Ariane 44L zum selben Zeitpunkt, also einer Rakete mit einem Drittel der Nutzlast eines Space Shuttles.

Die kommerzielle Nutzung endete mit dem Verlust der Challenger und seitdem hat die NASA nicht nur das Programm umstrukturiert, sondern auch kaum noch Preise veröffentlicht, was eine Mission denn nun kostet. Eine bemerkenswerte Information gab es als die Raumstation Alpha, aus der später die ISS entstehen sollte dem Senat zu teuer erschien und ein Ausschuss die Kosten überprüfte. Da erschienen die Flugkosten, welche die NASA berechnete zu niedrig, nur 83 Millionen Dollar, obwohl nun einige Jahre vergangen waren und die Fähren durch die Nachbesserungen und kleinere Flugrate sicher nicht billiger wurden. Es wurde klar, wie die NASA die Kosten berechnete. Die 83 Millionen Dollar waren die Kosten, die zusätzlich entstehen, wenn ein Space Shuttle die Mission durchführt. Nicht enthalten sind die Kosten, die das Gesamtprogramm hat, auch wenn keine einzige Fähre startet. Das wären bei der geplanten Flugzahl umgerechnet 350 Millionen Dollar gewesen. Daran änderte sich bis zum Ende nichts mehr. Als einige Jahre nach dem Ausmusterungsbeschluss alle Flüge klappten und es keine Probleme gab, gab es Stimmen den Ausstieg zu revidieren. Ein Manager des Programms sagte, das nun alle Verträge terminiert seien und es lange dauern würde wieder den vorherigen Zustand zu erreichen und das Programm während dieser Zeit jeden Monat Fixkosten von 200 Millionen Dollar hätte.

Das Space Shuttle war aus mehreren Gründen relativ teuer. Es war ein Erstling und Prototypen sind schlicht und einfach teurer, weil man noch keine Erfahrungen hat. Später kann man dann basierend auf den Erkenntnissen bei einem späteren Programm vieles verbessern – einen Hitzeschutzschild der weniger intensiv zu warten ist, Haupttriebwerke die vielleicht weniger Leistung bringen aber auch nicht so teuer sind. Prototypen sind auch aufwendiger. Regelmäßig war eine Fähre für ein bis zwei Jahre für Überholungsabreiten und Nachrüstungen beim Hersteller. Vor allem aber war es bemannt. Neben dem, das so die Risiken minimiert werden mussten, was die Kosten und Standzeit am Boden nach oben trieben wurde es auch teurer. Ketzerisch gesagt: Bis zum Verlust der Challenger gab es 24 erfolgreiche Flüge. Ein Verlust bei 25 Flügen war damals für Trägerraketen eine normale Größe. Selbst heute ist das noch ein normaler Durchschnitt (siehe Tabelle unten), das Entwurfsziel von Ariane 4 war ein Fehlstart auf 20 Flüge. Bei einem unbemannten Programm hätte man die Ursache, die O-Ringe gefunden, korrigiert und weiter gemacht. Mit 87 Millionen Dollar pro Flug wäre das Space Shuttle immer noch billiger als eine Ariane 4 gewesen, berücksichtigt man das man in dem Frachtraum mehr als das Äquivalent eines Ariane 4 Starts befördern kann, z.B. einen Satelliten in den GTO und Experimente oder Satelliten in den LEO.

Das bemannte Programm hat vor allem eine schlechte Auswirkung – es unterbindet Innovationen sehr effizient. Die Sicherheitsanforderungen sind viel höher, und zwar überall. Das führt aber zu Kosten, die auf die ganze Lieferkette durchschlagen bis hin zu der Erzmine bei der Eisen gewonnen wird. Der Aufwand führt wiederum dazu, das man nur eine geringe Bereitschaft hat etwas zu ändern, denn da muss dann der ganze Prozess erneut durchlaufen werden. Was für Blüten das treibt, stieß ich beim Schreiben meines ATV Buchs. Dort werden bevor das ATV verglüht vor dem Ablegen die Leuchtstoffröhren ausgebaut und an Bord der ISS gelagert. Der Hintergrund: Natürlich haben sich die Raumfahrtagenturen abgesprochen. So verwendet die ESA nicht andere Röhren als die NASA. Die Röhren passen also auch in die Fassungen der ISS Module. Der Hersteller produziert sie aber nicht mehr. Er hat nach Lieferung der bestellten Menge die Produktion eingestellt, vielleicht weil ihm es zu aufwendig war – für eine Leuchtstoffröhre gibt es ein 550 Seiten langes Prüfprotokoll. Bevor man nun neue Röhren entwickeln lässt, nutzt man lieber die, welche es noch gibt, solange es geht. Inzwischen hat die ISS übrigens neue Röhren, auf Basis von LED anstatt Quecksilberdampfröhren. So wurde das Space Shuttle während seiner Einsatzzeit nur gering modernisiert. Es gab einige Vorstöße für größere Maßnahmen, aber keiner hatte Erfolg. Sie waren unter dieser Prämisse immer zu teuer.

Ich habe dieses Beispiel so ausführlich gebracht weil das Space Shuttle das einzige wiederverwendbare System ist, dessen Ökonomie zumindest einigermaßen bekannt ist. Aus dem Grund wird man in dem Artikel auch nichts über SpaceX lesen und ich werde auf Kommentare die sich nur um SpaceX drehen, nicht eingehen.

Verlassen wir Space Shuttle und schauen uns eine Produktion einer Rakete an. Charakteristisch an ihr ist, das die Stückzahlen pro Jahr klein sind. Die folgende Tabelle enthält alle Starts eines 5-Jahreszeitraums aller Träger die mindestens 5-mal also einmal pro Jahr in dieser Zeit gestartet sind:

Starts von 2016 bis 2020 nach Trägerfamilie

Trägerfamilie Starts Erfolge Einsatzzeitraum
Antares

8

8

2016 – 2020
Ariane

26

26

2016 – 2020
Atlas V

26

26

2016 – 2020
Chang Zheng

135

129

2016 – 2020
Delta IV

11

11

2016 – 2020
Falcon 9/FH

69

69

2016 – 2020
H-IIA/B

18

18

2016 – 2020
Mu

3

3

2016 – 2019
Proton

15

15

2016 – 2020
R-7

78

75

2016 – 2020
Rockot

7

7

2016 – 2019
PSLV/GSLV

27

26

2016 – 2020
Taepodong

6

2

2016 – 2020
Vega

11

9

2016 – 2020
Gesamt Nutzlasten Erfolge Erfolgreich [%] Einsatzzeitraum
Gesamt

490

464

94,69

2016 – 2020

Nur drei Trägerfamilien kommen auf mehr als 10 Starts pro Jahr. Wenn man aber so kleine Stückzahlen hat, dann hat man keine industrielle Produktion, sondern eine Einzelfertigung. Das ist ein Grund, warum Raketen so teuer sind, aber auch an anderer Stelle Grund genug eine Produktion einzustellen. So hat sich Airbus beim A-380 verkalkuliert. Es wurden viel zu wenige Maschinen bestellt, es war eine Einzelfertigung. In 16 Jahren wurden 249 A-380 gebaut also rund 15 pro Jahr, zum Vergleich: die Gesamtproduktionsmenge von Airbus lag 2019 bei 863 Maschinen. Besonders kritisch wird es, wenn die Produktionsmenge unter ein Minium fällt. Es ist zwar immer möglich eine Produktion so zu planen, das der Ausstoß höher ist, man kann Handarbeit durch Maschinen ersetzen. Aber wenn man eine Mindestzahl an qualifizierten Facharbeitern braucht und man erreicht nicht das diese voll beschäftigt sind, so wird es teuer. Bei jedem Träger spielt die Stückzahl schon bei der Auslegung der Fertigung eine Rolle. Ein Beispiel sind die europäischen Raketen. Europa, Ariane 1 und Vega werden am Startplatz zusammengebaut. Es gibt einen fahrbaren Serviceturm der dafür die ganze Rakete umhüllt. Diese Vorgehensweise blockiert den Startplatz dauernd, erlaubt maximal 4 Starts pro Jahr, spart aber die Investitionen in ein eigenes Gebäude für den Zusammenbau. Bei Ariane 4 und Ariane 5 erfolgte der Zusammenbau in einem solchen Gebäude (bei Ariane 4 nur zum Teil) wobei dies Vertikal erfolgte. Das ist die Position in der die Rakete später gestartet wird. Bei Ariane 6 wird dies horizontal erfolgen wie es auch in Russland üblich ist. Am Boden kommt man schneller an die Rakete wenn auch man die Rakete später um 90 Grad drehen muss und nicht so leicht an alle Stellen kommt wie bei der vertikalen Integration. Das verkürzt die Arbeitsdauer und macht so mehr Starts möglich. Es gab in Bremen wo die Ariane 1-4 Zweitstufe und Flüssigbooster PAL gebaut wurden sogar beide Techniken parallel: es wurden pro Rakete im Durchschnitt 3 Booster aber nur eine Zweitstufe benötigt, so hat man die Booster horizontal integriert und die Zweitstufen vertikal.

Man sieht an dem Beispiel, dass schon bei dem Design man berücksichtigt wie oft die Rakete fliegen soll. Es spart Investitionen, wenn man die Rakete am Startplatz zusammenbauen kann. Wenn sie nur wenige Male pro Jahr fliegt, spart das Geld, weshalb die Technik auch bei der Vega wieder nach 30 Jahren eingesetzt wird. Dasselbe wird man auch bei der Fertigung tun. In jedem Falle greifen betriebswirtschaftliche Grundsätze: je höher die Stückzahl in einem Zeitraum ist, desto günstiger wird die Produktion. Es gibt dafür etliche Beispiele, nicht nur in der Raumfahrttechnik. Der vielen alten Computerhasen bekannte Prozessor Z80 wird immer noch gefertigt. Nur ist seine Blütezeit vorbei, die lag in den Achtzigern, als er in etlichen Computern steckte. So kostet heute ein Z80 Prozessor ein mehrfaches dessen, was er vor 30 Jahren kostete, einfach weil die Stückzahlen geringer sind. Bei Raketen fallen mir als Beispiel die Atlas Centaur und Titan III/IV ein. Die Atlas Centaur bestand aus der Atlas und der Centaur. Die Atlas wurde mit der Agena Oberstufe in den Sechzigern zusätzlich zur Centaur eingesetzt, und zwar in höheren Stückzahlen. Als Folge war die Atlas obwohl zehnmal schwerer als die Centaur billiger als diese. Bei der Titan 3 war es so das über zwei Jahrzehnte neben dem Modell mit Boostern auch die Titan 3B/34B ohne Booster eingesetzt wurde. Als dieses Modell Mitte der Achtziger auslief, wurde die Titan sehr teuer, weil nun die Kosten einer Fabrik, die für mehr Raketen ausgelegt war, auf die immer weniger Starts umgelegt werden. 1974 kostete eine Titan 3C 26 Millionen Dollar, Zehn Jahre später eine Titan 34D schon 154 Millionen Dollar. Und die letzten Titan 4 mit neuen Boostern und vergrößerter Centaur kosteten über 400 Millionen Dollar.

Das ist der Knackpunkt an dem Thema Wiederverwendung. Atlas, Delta und Ariane 5/6 haben pro Jahr keine zehn Starts. Verringert man die Stückzahl, so rutscht man schnell in einen Bereich, wo die Arbeiter einen Großteil der Zeit nichts mehr zu tun haben. Man kann sie aber nicht einfach entlassen und nach Monaten, wenn man eine neue Stufe baut, wieder einstellen. Sie haben dann längst einen neuen Job und jedes Mal neue Arbeiter schulen zu müssen (von höher qualifizierten Jobs ganz zu schweigen) wird auch teuer. Steigt die Startzahl an, so kompensiert dies den Effekt. Die erste Stufe (mehr wird man in absehbarer Zeit nicht bergen können) benötigt man zwar dann auch nicht in großen Stückzahlen, doch dann arbeiten die Menschen eben an der zweiten Stufe, die meist auch erheblich teurer ist, da die Anforderungen an sie höher sind und dort zusätzliche Subsysteme, wie Avionik oder Telemetrie angebracht sind.

Praktisch zu berücksichtigen ist, dass eine Bergung ohne Nutzlastverlust nur bei Feststoffboostern möglich ist, gerade die sind aber relativ preiswert herzustellen, bzw. die teuersten Teile an ihnen, die Düsen, muss man auch nach einer Bergung durch die Erosion ersetzen – sie sind anders als das Motorgehäuse der ganzen Zeit dem Triebwerksstrahl ausgesetzt. Bei Raketen, die flüssige Treibstoffe einsetzen, dürfte das ungebremste Landen per Fallschirm im Wasser zu so starken Beanspruchungen führen, das danach eine ausführliche Inspektion nötig ist und dann ist man wieder bei der Problematik des Space Shuttles mit seinen langen Turnaroundzeiten zwischen zwei Starts und vor allem den damit assoziierten Kosten. So beließ man es auch bei Studien, ob man die erste Stufe bergen könnte, so bei Redstone, Saturn V und Ariane 1. Zumindest bei Ariane 1 hat man es einmal auch probiert, die Stufe ging allerdings verloren. Anfang dieses Jahres hat Rocketlab eine Stufe nur durch Fallschirm abgebremst geborgen und untersucht diese nun. Ob eine Bergung allerdings dauerhaft geplant wird lässt die Firma offen. Das hängt wohl auch von den Ergebnissen dieses Tests ab.

Eine weiche Landung, egal ob auf einer Plattform in der See oder durch Rückflug mit einem Antrieb zum Startplatz erhöht aber die Abtrennmasse. Man benötigt Treibstoff, bei geflügelten Stufen auch ein Düsentriebwerk und Flügel. Das senkt dann die Nutzlast wieder ab und verringert die Kostenersparnis durch die Bergung. Denn nun muss man für dieselbe Nutzlast eine größere und damit teurere Rakete bauen. Ebenso ist die Bergung nicht umsonst. Die Bergung selbst verursacht nicht die Kosten. Die Kernfrage ist, ob man danach die gelandete Stufe mit nur wenigen Inspektionen und Reparaturen wieder starten kann. Gerade dies war ja der Punkt, der nach Challenger beim Space Shuttle die Startrate auf wenige Flüge pro Jahr begrenzte, weil die Inspektion so aufwendig war.

Lohnt sich dann Bergung bei mehr Starts? Ganz so einfach ist das Urteil nicht, denn mehr Starts bedeuten bei „Wegwerfraketen“ ja auch eine höhere Produktion. Damit sinken die Stückkosten, das heißt, jede einzelne Rakete wird billiger. Die Einsparung durch Wiederverwendung wird dadurch geringer, der Nutzlastverlust bleibt aber und die konstanten Kosten für Bergung und Inspektion auch.

Technisch ist das ganze gut untersucht. Es gibt zahlreiche Varianten und Optionen. ULA schlug vor nur den teuersten Teil, die Triebwerke zu bergen. Das macht Sinn, denn gerade bei den Tanks haben wir zwei Nachteile: Sie machen die größte Fläche aus und meist auch den Großteil der Masse. Will man sie vor zu starken aerodynamischen Kräften schützen, die Materialalterung, Risse oder Ähnliches verursachen, so müssen sie entweder sehr dickwandig sein (addiert Gewicht) oder die Rakete aktiv abbremsen, wie es SpaceX macht. Ich glaube da man seit Vorstellung der Idee durch ULA nichts mehr von der Triebwerksbergung gehört hat aber nicht daran, dass man sie weiter verfolgt was ein Indiz dafür ist, dass es sich nicht lohnt. In Deutschland beschäftigt sich das DLR Institut SA/RT schon seit Jahren mit Optionen der Bergung und hat zahlreiche Studien veröffentlicht. Auch davon wurde noch keine umgesetzt. Das etwas technisch möglich ist, heißt eben nicht, dass es auch ökonomisch sinnvoll ist.

Ich habe mit dem Space Shuttle angefangen und ich will wieder bei ihm enden. Auch wenn viele es als gescheitert ansehen, halte ich es von der Umsetzung doch als das beste Konzept von dem wir eine Wirtschaftlichkeitsrechnung machen können. Verloren ging nur der preiswerte Tank. Die Feststoffbooster waren robust, aber nur teilweise wiederverwendbar. Die Düsen gingen immer verloren, wurden vor der Landung abgesprengt. Das Space Shuttle war voll wiederverwendbar, krankte aber an dem Umstand, dass es bemannt sein musste – dafür gab es keinen technischen Grund. Das trieb nicht nur die Kosten hoch, sondern kostete auch Nutzlast. Es gab Studien für Umbauten des Space Shuttles, bei dem man einfach alle Systeme für eine Mannschaft entfernt hätte, was die Nutzlast um etwa 15 t erhöht hätte. Es zeugt aber auch wie Wiederverwendung Nutzlast kostet, denn die knapp 30 t, die es transportierte, waren weniger als ein Drittel der Masse im Orbit. Bei einer Rakete macht die Oberstufe dagegen etwa ein Viertel bis Drittel der Masse im Orbit aus. Man hat die Nutzlast bei gleicher Startmasse also um den Faktor 2 bis 3 reduziert.

Wenn ich davon ausgehe, dass die 87 Millionen von 1985 ein kostendeckender Preis bei der damaligen Praxis waren, dann kann ich ausrechnen was ein unbemanntes Shuttle mit diesem Risiko heute kosten würde. Das wäre nach NASA-Inflationsindexkalkulation (Faktor 2,9) heute 253 Millionen Dollar. Das wäre bei 45 t Nutzlast heute gar nicht mal so schlecht. Real wäre aber der Nutzlastraum zu klein, man würde nicht mehr als eine Oberstufe mit einer Nutzlast mitführen können. Über die Kosten eines Ersatzorbiters, der rein rechnerisch alle 25 Flüge fällig wäre kann man nur spekulieren. Die Endeavour kostete 2,2 Mrd. Dollar, doch sie wurde nach dem Challenger Desaster bestellt, entsprechend mit Sicherheitsupgrades und als Einzelexemplar. Die ersten Orbiter kosteten – allerdings bei Bestellung von vier Stück nur 625 Millionen Dollar pro Stück. Das zeugt die allgemeine Crux auf: Das Shuttle System ist das Einzige, wo man verlässliche Informationen über Kosten hat, und zwar nicht welche von Planungen oder Prognosen, sondern aus der Praxis. Es ist wegen des Prototypcharakters und vor allem des bemannten Ansatzes viel teurer. Das gilt allgemein, und nun komme ich doch mal auf SpaceX. Als die ihre Dragon für unbemannte Transporte fertig hatte bot SpaceX diese der NASA für bemannte Transporte an. Man müsse nur ein Fenster einbauen. Die NASA antwortete, dass ihrer Ansicht nach, nach Jahrzehnten Erfahrung, ein bemanntes Raumfahrzeug zehnmal komplexer und teurer als ein unbemanntes ist. Und so kam es auch. Nach offiziellem OIG Report bekam SpaceX für COOTS (unbemannte Dragon Entwicklung) 396 Mill. $, für CCdev 3.191.1 Mill. $, also mit Faktor 9 (COTS dazugerechnet, ist ja Vorgängermodell) ziemlich nahe an der NASA-Schätzung. Entsprechend müsste man auch beim Space Shuttle die Operationskosten für ein unbemanntes System deutlich reduzieren. Leier gibt es beim Dreamchaser, dem einzigen Shuttle das heute im Einsatz ist auch keine Angaben, was ein Flug kostet. Das wäre interessant, denn mit einem Antrieb und etwas Treibstoff versehen wäre es eine zweite Stufe und somit wäre wieder ein voll wiederverwendbares System denkbar.

Daher bin ich vorsichtig mit Pauschalurteilen, insbesondere wenn man nicht nur keine Einsicht in die Wirtschaftlichkeitsberechnungen hat, sondern auch davon ausgehen kann das in den Firmen, wo man zu dem Schluss gekommen ist, das sich Bergung und Wiederverwendung in ihrem Fall nicht lohnt im Allgemeinen keine Idioten sitzen, zumindest solange sie nicht das Gegenteil bewiesen haben oder durch mehrfach falsche Angaben unglaubwürdig sind.

6 thoughts on “Das Space Shuttle und seine Kosten – Vorbild für Wiederverwendung oder nicht?

  1. Ob sich Wiederverwedung lohnt ist auch heute noch unklar.
    Den Aufwand an Inspektionen und Teiletausch zwischen den Flügen ist nicht klar.

    Ein Gamechanger in der Fertigungstechnik könnte das 3D Drucken sein. Es ist egal ob man nun 3 oder 30 Triebwerke im Monat Druckt, denn der Drucker kann auch anderweitig benutzt werden. Eine Jahrelange fertigung ist also nicht mehr nötig um das Werkzeug zu refinanzieren.

  2. Naja, eine CNC Maschine kann auch anderweitig benutzt werden. Ich sehe den Vorteil von 3D Druck eher darin, dass man zumindest prinzipiell komplexer geformte Bauteile in einem Lauf herstellen kann. Die Probleme liegen auch hier wie so oft im Detail; Nachbearbeitung (und Reinigung) können u.U. so aufwendig werden, dass eine klassische Herstellung durch Gießen, Drehen und Fräsen effizienter ist.

    1. Gut erkannt. Es gibt noch weitere wesentliche Aspekte, die beim Raketenbau zu berücksichtigen sind, wie z.B. Materialeigenschaften im Form von, in Jahrzehnten entwickelten speziellen ALU Legierungen für Tanks, Nutzlastverkleidungen und Tragstrukturen, sowie Stahl Chronm Molybdän Niob und hast Du nicht gesehen Legierungen für Triebwerke, welche sich nicht soeben mal mit chemischen Komponenten in einem 3D Drucker bei gemütlicher Zimmertemperatur ausdrucken Lassen. Gruss

  3. Die SpaceShuttles (sowohl die amerikanischen, als auch die sovietischen Gegenstücke) sind meine persönlichen Favoriten, was die Raumfahrt angeht.

    In der X37 (ich vermute, die hast Du am Ende des Blogs statt dem Dreamchaser gemeint?) haben sie einen guten Nachfolger gefunden. Hier hat man einige der Erfahrungen umgesetzt. Nur etwas größer dürfte sie sein. Warum muss sie eigentlich in einer Nutzlastverkleidung starten? Stromlinienförmig ist sie doch schon und die Verkleidung kostet wieder Gewicht und limitiert die Größe….

    Leider wurde das Potential der Shuttles mit der X37 nur in einer Sparversion weiterentwickelt. Hier hätte ich mehr erwartet.
    Im Grunde bilden X37 und Dreamchaser als Gespann genau das, was man braucht: ein automatisches System ohne die Last einer Besatzung für Nutzlasten, die man irgendwann wieder zurück haben will und einen „Menschentransporter“ ohne die Last einer großen Nutzlastbucht.
    Fehlt noch eine Schwerlast-Variante. Könnte das Starship werden. Aber da muss man erst noch abwarten, was daraus wird und ob es funktioniert. Wenn man die Bautätigkeit in Texas so verfolgt: auch hier geht SpaceX wieder „all-in“.

    In Deinem Text legst Du aber auch gut dar, wie sehr die Wiederverwertung an der großen Startfrequenz hängt. Bei den Shuttles hat man es schon gewusst und geplant, aber technisch nicht hinbekommen. Mit heutiger Technik / Materialien würde das vermutlich anders aussehen.
    Deshalb hätte man meiner Meinung nach neue Shuttles bauen sollen, statt einfach alles wegzuwerfen.

    Bei den „etablierten“ Herstellern hat man es sich in der bestehenden Nische entweder aus wirtschaftlichen (ULA) oder politischen (Ariane) Gründen eingerichtet und bequem gemacht. Der Drang zur Innovation ist nicht so wirklich vorhanden. Die Ansätze zur teilweisen Wiederverwendung von einzelnen Bauteilen empfinde ich mehr als halbherzig. Aber man hört ja auch nichts mehr davon.

    SpaceX / Musk sticht da heraus. Mit der F9 hat man dort wohl das Optimun dessen gebaut, was man mit konventioneller Raketentechnik wirtschaftlich bauen / betreiben kann.
    Klein genug, um billig per LKW transportiert zu werden. Groß genug, um mit einem einzelnen großen Sat als Nutzlast noch Reserven für eine Landung zu haben.
    Und mit einem Chef, der verrückt genug ist, selbst mit sehr viel Geld in Vorleistung zu gehen, um damit ein System zu schaffen, welches einen guten Teilbereich des Marktes aufrollen kann.
    Zumindest hier sieht es so aus, als wäre die Wette aufgegangen.
    Durch die niedrigeren Startpreise hat man mehr Kunden angelockt. -> mehr Starts -> weniger Stückkosten…

    Dazu auch die Idee, wenn man nicht mehr genug Aufträge für Starts hat, durch eine eigene Sat-Konstellation wieder die notwendigen Zahlen zu erreichen. Auch um den Preis, den eigenen Kunden zum Wettbewerber zu werden.
    Aber man hält über längere Zeit die Startfrequenz hoch. Was den angenehmen Nebeneffekt hat, dass man „mal eben“ einen Start für einen „echten“ Kunden dazwischen schieben kann. Dann verschiebt man halt den Ausbau der eigenen Konstellation um ein oder 2 Wochen.
    Ansonsten müssen Kunden für ihren Sat immer Jahre im vorraus planen. Gerade das Militär kann vermutlich diese Flexibilität gebrauchen. So ein „special Service“ kann sich auch finanziell lohnen.

    Fazit:
    ein wesentlicher Schlüssel zur halbwegs wirtschaftlichen Raumfahrt mit oder ohne Menschen sind möglichst viele Starts. Und die ermöglichen dann wieder die „Probleme“ der Wiederverwendung zu lösen.

  4. Die Falcon 9 das Optimum dessen was man mit konventioneller Raketen Technik Wirtschaftlich bauen kann?
    Mit Triebwerken die im Hauptstromverfahren Arbeiten könnte man da noch mal Nutzlast technisch etwas rausholen (man Vergleiche mal den spezifischen Impuls von Merlin und RD-180). Die höheren Kosten für ein solches Triebwerk sollten ja gerade bei der F9 kein Problem sein da man sie mehrfach verwenden kann. Eine Oberstufe mit Wasserstoff würde die F9 auch noch mal deutlich aufwerten gerade bei Flügen in höhere Orbits wo die Nutzlast der Falcon 9 rapide abnimmt. Des Weiteren gibt es auch keine Möglichkeit die Nutzlast der Rakete durch Booster zu steigern / anzupassen wobei sich gerade das Merlin Triebwerk für so einen Booster anbieten würde.

    Also ich behaupte mal die Falcon 9 ist weit vom Optimum mit der aktuellen Raketen Technik entfernt auch wirtschaftlich.

    1. Das es heute technisch anders / besser geht, will ich gar nicht bestreiten.
      Vor gut 10 Jahren, als das heutige Design der F9 festgezurrt wurde, sah die bezahlbare / vorhandene Technik noch etwas anders aus.

      Nun gehen Änderungen stark auf die Wirtschaftlichkeit.
      Beispiel: Die 2. Stufe mit anderem Treibstoff als die 1. Stufe würde Konstruktion und Produktion verkomplizieren. Abgesehen davon, dass die Infrastruktur (Tanklager, Treibstoffmanagement in Startanlagen, etc.) doppelt in gänzlich unterschiedlicher Ausführung vorgehalten werden müssten.

      Leistungssteigerung durch Booster gibt es in Form der F9-Heavy. Nicht so fein abgestuft, wie mit einzeln angeschraubten „Feuerwerksraketen“, aber doch ganz brauchbar. Wird nur selten gebucht. Es gibt zu wenige Kunden für deren mögliche Leistung.

      Solange man eine Vielzahl der potentiellen Aufträge mit der aktuellen F9 erledigen kann, lohnt sich eine größere Umkonstruktion nicht. Der Aufwand, den man treiben muss, um auch noch die anderen Aufträge zu bekommen (schwere Sats im Doppelpack,o.Ä.) würde wieder die Wirtschaftlichkeit drücken.
      Manche Aufträge muss man nicht haben. Auch wenn sie eigentlich sehr schön währen.
      Wo da die Grenze in der SpaceX-Kalkulation ist, wissen wir nicht. Aber da sie nun schon einige Jahre so arbeiten, sieht es doch danach aus, als hätten sie den aktuellen Stand als „Optimum“ für sich erkannt.

      Bei allen Leistungssteigerungen, die möglich sind, muss man sich auch fragen: welche Kunden brauchen das? Vor allem: wie oft?

      Also die F9 mag heute nicht unbedingt in jeder Hinsicht das Optimum der verfügbaren Technik sein, aber bei der Wirtschaftlichkeit liegt sie meiner Meinung nach ganz vorn.
      Die immer schnellere Folge, in der gebrauchte Stufen wieder starten, deutet darauf hin, dass der Aufwand für die Prüfung und ggf. Austausch / Reparatur von Teilen gesunken ist.
      Nachdem man 50 mal gesehen hat, welche Teile tatsächlich gelitten haben, und welche nicht, wird man die Wartung entsprechend optimiert haben.
      Bei den ersten Stufen hat man sie noch komplett zerlegt, heute misst man nur kurz nach, ob die Materialstärke der Düse noch ausreichend ist (etwas vereinfacht) und wischt den gröbsten Dreck ab.

      Und um mal wieder den Bogen zum eigentlichen Thema dieses Blogs zu bekommen:

      genau das hatte ich mir von den Shuttles (US und Soviet) gewünscht! Aber damals war einiges an der Technik auch noch neu und viel Pionierarbeit. Das hat man sicher auch unterschätzt.
      Ein Nachfolgesystem hätte aber eben auch vieles mit aktueller Technik besser machen können. Nicht nur eine Weiternutzung vorhandener Anlagen, welche dann doch großmaßstäblich modifiziert werden mussten (neuer Teststand, etc.)

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