Das Ende einer Ära – Teil 2

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In dem heutigen Teil des Abschieds von der Ariane 5 geht es um die Versionen und den Übergang zur Ariane 6. Ich fange mal mit den Versionen der Ariane 5 an. Die zuerst eingeführte Version hieß später Ariane 5G. Sie setzt die EPS-Oberstufe ein, hat zwei Booster mit jeweils 238 t Treibstoff und in der Zentralstufe ein Vulcain 1 Triebwerk mit 1.145 kN Vakuumschub und 158 t Treibstoff. Schon bald begann man zu optimieren. Für die Ariane 5 wurde eine Doppelstartstruktur Speltra entwickelt. Diese verlängerte die Nutzlastverkleidung weil sie denselben Durchmesser von 5,4 m hatte. Es gab aber genug Platz innerhalb der Verkleidung und so wurde schon nach dem Testprogramm die Speltra durch die Sylda-5, eine Modifikation der Ariane 4 Sylda ersetzt. Die Sylda 5 sitzt innerhalb der Nutzlastverkleidung, ist kleiner und so auch einige hundert Kilogramm leichter. Die Ariane 5 G+ lud 3 t mehr Treibstoff in jeden Feststoffbooster, die EPS-Oberstufe nahm 300 kg mehr Treibstoff auf. Bei der VEB, der Avionik der Ariane 5 konnte durch den Einsatz von CFK-Werkstoffen 150 kg Gewicht eingespart werden. Die Ariane 5 G+ wurde nur viermal im Jahre 2004 eingesetzt und steigerte die GTO-Nutzlast von 6,82 auf 7,1 t. Die Ariane 5 GS – das S steht für „Star“, war eine Notlösung für die Starts der Ariane 5 ECA. Die Start nach dem Fehlstart der ersten Ariane 5 ECA im Dezember 2002 nicht zur Verfügung, um die Starts trotzdem durchführen zu können, nahm man die Zentralstufen die in der Produktion waren und baute sie auf die G-Variante zurück, sie waren aber schwerer um den höheren Schub des Vulcain 2 aufzunehmen, so war die Nutzlast der Ariane 5 GS nicht höher als die der Ariane 5G+. Sie wurde sechsmal zwischen 2005 und 2009 eingesetzt.

Schon nach dem Jungfernflug wurde ein Leistungssteigerungsprogramm initiiert. Es entstand die Evolution Variante, die nach 2009 alle Starts durchführte. Die Zentralstufe EPC bekam ein neues Triebwerk, das Vulcain 2 mit 1.350 kN Vakuumschub. Ursprünglich war ein einfaches „Upgrade“ geplant. Doch das war nicht so, das Vulcain 2 hatte so viele Änderungen das es fast zu einer Neuentwicklung war. Damit mehr Treibstoff in die EPC passte wurde das Mischungsverhältnis von Sauerstoff zu Wasserstoff zugunsten des Sauerstoffs verändert. Da der Sauerstoff sechzehn Mal dichter als Wasserstoff ist erlaubte das durch verschieben des gemeinsamen Zwischenbodens etwa 15 t mehr Treibstoff zuzuladen, trotzdem brennt die EPC kürzer und verringert so die Aufstiegsverluste.

Evolution Variante

Einen viel größeren Gewinn brachte die ESC-A Oberstufe. Dafür wurde die H10 Oberstufe der Ariane 4 relativ einfach umgebaut. Der untere Teil mit dem Schubgerüst und Sauerstofftank blieben beim alten Durchmesser, nur wurde der Sauerstofftank leicht verlängert. Dagegen wurde der Wasserstofftank auf den Durchmesser von 5,4 m erweitert. Das Triebwerk HM-7B der Ariane 4 wurde übernommen. Gedacht als kurzes Intermezzo wurde aus der ESC-A Oberstufe eine Dauerlösung. Die Ariane 5 EC hatte anfangs 9,2 Nutzlast, schon 2 t mehr als die Ariane 5 G. Leichtere Steckergehäuse durch Schweißen anstatt von Steckverbindungen, mehr Treibstoff und weitere Optimierungen steigerten das um weitere 2 t auf bis zu 11,2 t. Die EPS Oberstufe kam auch bei der Evolution Variante bei einigen Flügen zum Einsatz weil sie wiederzündbar ist und für schwere Nutzlasten ausgelegt: bei den fünf ATV Starts und fünf weiteren Starts für die Galileosatelliten. Dann heißt die Rakete „Ariane 5ES“, ansonsten „Ariane 5EC“.

2011 sollte dann endgültig die Ariane 5 ECB kommen. Die neue Oberstufe ESC-B setzt ein neues Triebwerk Vinci ein, mit fast dem dreifachen Schub des HM-7B so kann auch die Treibstoffzuladung verdoppelt werden, von 14 auf 28 t. Alles zusammen sollte 1,5 bis 2 t mehr Nutzlast bringen. Doch es gab keine Einigung. Frankreich wollte auf dem ESA-Konziel gleich zur Ariane 6 übergehen und Deutschland wollte die ESC-B für die Ariane 5 ME ME steht für Midlife Evolution – wobei das ja impliziert, das dies zur Mitte der Lebensdauer der Ariane 5 erfolgen sollte, also Ariane noch weitere 25 bis 30 Jahre fliegen würde, was doch sehr unwahrscheinlich erschien. Stattdessen einigten sich Frankreich und Deutschland auf eine Vorentwicklung zur Ariane 6.

Die Konkurenz

Anfangs lief es gut für die Ariane 5. Die US-Konkurrenz kam zwar einige Jahre später mit der Atlas V und Delta 4 mit neuen Versionen. Anders als erhofft waren diese Träger aus dem EELV Programm aber nicht die wirkliche Konkurrenz, da zu teuer. Die Konkurrenz über einen Großteil der Zeit kam aus Russland. Anders als bei China gab es keine Einschränkungen durch Exportverbote und die meisten russischen Raketenhersteller hatten Kooperationen mit westlichen Firmen. Sealaunch konnte mit ihrer mobilen Startplattform sogar den geographischen Vorteil des CSG angreifen, der beim Start von Baikonur aus eine viel höhere Geschwindigkeit für einen GTO erforderte. Ariane 5 und ihre Vorgänger setzten den Standard, so wurde der „Ariane-kompatible“ GTO mit einem dV von 1.500 m/s zum GTO zum Standard. Das bedeutete vor allem für die Proton eine deutliche Nutzlasteinbuße.

Aber die russischen Raketenhersteller profitierten von niedrigen Löhnen und Russland bezahlte einen Bruchteil des Preises für eine Rakete die vom Westen verlangt wurde. Das Hauptproblem für Arianespace war aber die Einführung des Euros 2002. Raketenstarts werden international in Dollar gehandelt. Ein guter Teil der Kunden kam auch aus den USA. Für Ariane 1 bis 4 wurden die Preise in französischen Francs festgesetzt, das war über zwanzig Jahre kein Problem, trotz beträchtlicher Schwankungen des Dollarwechselkurses. Dann wurde aber 2002 der Euro eingeführt und gleichzeitig verlor unter George W. Bush der Dollar an Wert. Als der Euro eingeführt wurde lag der Wechselkurs bei etwa 1 zum Dollar, er stieg danach immer weiter an um 2009 bei 1,35 Dollar für einen Euro zu erreichen. Das bedeutet: Für die meisten Kunden wurde Ariane 5 um 35 Prozent teurer. Die ESA begann Arianespace zu subventionieren um die Marktanteile nicht zu verlieren.

Ein Block-Buy, also der Kauf vieler Ariane 5 auf einmal, um der Industrie Sicherheit zu geben und die Möglichkeit ihre Produktion zu optimieren brachte anders als bei Ariane 4 nichts. Es waren eben einfach zu wenige Träger pro Jahr, pro Träger nur zwei Triebwerke anstatt bis zu zehn, sodass es wenig zu optimieren gab.

Der Übergang zur Ariane 6

So begann schon 2009 die Planung für die Ariane 6, für die war zuerst nur Frankreich. Deutschland war zuerst für den verschobenen Ausbau der Ariane 5. Als der Jungfernflug der Ariane 5 ECA scheiterte nahm man das Geld für einen weiteren Teststart und die fälligen Änderungen von dem Programm für die neue Oberstufe ECB mit dem Vinci Triebwrk, das eigentlich 2003 beginnen sollte. Dabei blieb es, die Entwicklung der Oberstufe wurde seitdem nie wieder aufgenommen. Die ECB hätte die Nutzlast für den GTO-Orbit um eine bis eineinhalb Tonnen gesteigert.

Interessanterweise endete das Programm der Subvention in dem Jahr, in dem SpaceX als neuer Konkurrent erste Starts durchführte. Seitdem ist Arianespace wieder profitabel und das trotz der neuen Konkurrenz. Denn der Euro/Dollar Wechselkurs ist seit 2009 gefallen und liegt derzeit auf fast dem gleichen Stand wie 2002.

Frankreich bestand aber wie schon erwähnt auf einer neuen Rakete, der Ariane 6, obwohl Arianespace nun seit acht Jahren trotz SpaceX Konkurrenz profitabel war. Mit dem Schreckgespenst SpaceX konnte dann 2014 auch Deutschland für die Neuentwicklung überredet werden. Das Konzept der Ariane 6 wandelte sich dabei über die Jahre stark. Das erste bis 2014 aktuelle Konzept war das PPH Konzept, als Abkürzung von Powder-Powder-Hydrogen. Die ganze Rakete besteht nur aus zwei Stufen, einer Feststoffstufe und einer Oberstufe mit dem Vinci Triebwerk. Die Booster mit der Masse und Abmessungen des P120C, also des heutigen Ariane 6 Boosters und Vega C Erststufe, waren zugleich Booster und erste Stufe. Darauf saß dann direkt die kyrogene Oberstufe. Es gab keine EPC mehr. Das Konzept ist für Raketenfachleute unelegant, aber es macht den Träger billig, pro Jahr werden so sehr viele dieser Booster gefertigt, da eine Rakete zwischen drei und fünf einsetzt. Die größere Version kann maximal 6,5 t in den GTO transportieren und ist so für Einzelstarts ausgelegt, ebenfalls ein Punkt der damals wichtig war: Doppelstarts verbilligen zwar den Start pro Kunden, bei nur wenigen Starts pro Jahr wie sie Ariane 5 absolvierte wird es aber schweig zeitgleich zwei passende Nutzlasten zu kombinieren.

Doch das PPH Konzept der CNES blieb nicht lange aktuell. Es kam dann doch zu dem Konzept das nun umgesetzt wurde: zwei Booster, eine kryogene Zentralstufe mit dem Vulcain 2 und eine Oberstufe mit dem Vinci Triebwerk. Die Oberstufe hat fast die gleiche Masse wie die ESC-B und zwei Booster etwas mehr Masse als die Booster der Ariane 5. Das ist nicht neu. Es gab schon 2002 Pläne die Booster mit ihren massiven Stahlgehäusen durch welche aus CFK-Werkstoffen wie die der Vega zu ersetzen. Sei hätten 1 bis 1,5 t mehr Nutzlast gebracht.

Anfangs war die Zentralstufe noch mit 4,6 m Durchmesser angedacht, das hätte für die Oberstufe ein viel besseres Oberflächen/Volumenverhältnis gebracht – für eine Stufe mit weniger als 30 t Treibstoff wären 4,6 m Durchmesser näher am idealen Durchmesser gewesen, doch nach dem Beschluss wandelte sich das Konzept zur heutigen Ariane 6, de man Ariane 5 reloaded oder neudeutsch „Ariane 5 – 2.0“ nennen kann. Es wurde der Durchmesser von 5,4 m nicht angetastet. Das hat für die Industrie enorme Vorteile, denn so kann man alle Produktionsanlagen für die Ariane 5 weiterbenutzen. Ähnliche zweifelhafte Entscheidungen gab es auch beim Übergang Ares V zur SLS wo man den Durchmesser von 10,06 auf 8,38 m, dem des Shuttle Tanks reduzierte.

Wie soll die Ariane 6 dann billiger werden? Was Ariane 5 teuer macht ist ein ESA-Prinzip. Das des geografischen Rückflusses. Jedes Land bekommt Aufträge in dem Maß in dem es Ariane 5 finanziert. Das bedeutet aber auch die Rakete wird in ganz Europa bei über einem Dutzend Produktionsstätten produziert. Das sollte auf zwei bis drei Produktionsstätten sinken. Noch bedeutender war, das eine höhere Startzahl von 10 bis 12 Starts pro Jahr anvisiert wurde. Nur habe ich mich schon beim Beschluss gefragt, wo diese Starts denn herkommen sollen, denn die größere Version, die Ariane 64 hat dieselbe Nutzlast wie die Ariane 5 EC. Es wird sicher einige Starts der kleineren Ariane 62 geben für SSO-Bahnen oder Galileo, aber auch mit diesen wird man nicht auf die Startzahl die geplant ist, kommen.

Technisch frage ich mich wie man die Rakete konstruiert hat denn es gibt noch kein Datenblatt. Für Laien eine kleine Erklärung. Die Ariane 6 transportiert wie die aktuelle Ariane 5 EC je nach Quelle 10,5 bis 11 t in den GTO, wiegt mit 862 t aber 82 t mehr. Normalerweise sollte so die Nutzlast höher sein. Dabei setzt sie eine Oberstufe ähnlich der ESC-B ein die ja bei der Ariane 5 schon 1 bis 2 t mehr Nutzlast bringen sollte und die neuen Booster mit leichteren Gehäuse und besserer Treibstoffmischung sollten bei Ariane 5 ebenfalls 1 bis 1,5 t mehr Nutzlast bringen, zusammen also 2 bis 3,5 t. Ich musste in meiner Modellierung die Stufenleermasse von Zentralstufe und Oberstufe drastisch erhöhen (Oberstufe 7 t, bei der EC-A sind es 4,25 t, Zentralstufe 20,3 t bei der Ariane 5 sind es 14,1 t) um auf so niedrige Nutzlasten zu kommen. Real sollte bei Übernahme der Strukturfaktoren der Ariane 5 eine Ariane 64 etwa 13 bis 14 t in den GTO transportieren.

Wie bei der Ariane 5 gibt es schon vor dem Erstflug Upgrades. Die Booster werden als erstes um 1 m verlängert. Sie nehmen so 14 t mehr Treibstoff auf. Meinen Berechnungen nach ergibt das 0,5 t mehr Nutzlast in den GTO bei Ariane 62 und sogar 1,4 t bei der Ariane 64, in den LEO sind es 2 t mehr.

Dann wird man bei der Oberstufe Gewicht einsparen indem man die Treibstofftanks mit ihrer großen Oberfläche und ungünstigen Form durch CFK-Tanks ersetzt. Ein Demonstrator zeigte das dieses Material mit den kryogenen Treibstoffen kompatibel ist. Diese neue ICARUS Stufe soll mindestens 1 t mehr Nutzlast, anvisiert werden 1,5 bis 2 t bringen, sodass in einigen Jahren die Ariane 62 durchaus bei 13 t Nutzlast liegen kann, wobei ich mir relativ sicher bin dass auch mit den normalen Verbesserungen, die wir bei Ariane 5 schon sahen, die Nutzlast bald von den 10,5 bis 11 t ansteigen wird.

Die echte Europa Rakete

Zuletzt noch meine persönliche Meinung. Ich war nie begeistert von der Ariane 5. Sie sah einfach so plumb und fett aus. Ich glaube aber das liegt daran, dass ich mit Ariane 1 bis 4 aufgewachsen bin. Ariane 1 machte einen wieder stolz auf die europäische Raketenentwicklung nachdem die Europa-Rakete so schlimm scheiterte und mit ihr wurde Europa zum Weltmarktführer. Der früheste Raketenstart, an den ich mich erinnere war der dritte Flug der Ariane 1 die auch den Meteosat in den Orbit brachte der fortan im Fernsehen die Satellitenbilder liefere.

Was aber auch auf die Ariane 5 zutrifft ist das ich hinter ihr stehe. Es ist eine europäische Rakete. Bei ihr funktioniert europäische Zusammenarbeit trotz Sprachbarrieren und knapp ein Drittel kommt aus Deutschland. Das wird auch auf die Ariane 6 zutreffen auch wenn ich befürchte das sie nicht so preiswert wird wie geplant, weil es zu wenige Starts gibt. Arianespace ist überzeugt von ihr, sonst hätte sie noch einige Ariane 5 bestellt um die Verzögerung beim Jungfernflug abzufangen. Allerdings wird der Jungfernflug wohl ohne bezahlte Nutzlast erfolgen – der erste Fall seit Ariane 1. Vorgesehen war der Start von OneWeb Satelliten, die hätten den Start auch nötig nachdem die Sojus ausfiel und könnten weil sie sowieso mehr Satelliten produzieren als sie brauchen einen Fehlstart am ehesten abfedern.

Dann noch eine Anmerkung zum JUICE Start, es war der erste seit langem den ich life verfolgte, in den Neunzigern tat sich das noch regelmäßig, die Starts wurden vom BR während des Nachtpausenfüllers Space Night übertragen. Ich war erstaunt das sich nicht viel geändert hat, weder am Aufbau der Übertragungen noch Visualisierung des Starts, noch daran das die meisten mit einem fürchterlichen Akzent sprechen – ich dachte nach 25 Jahren Internet, in denen mit Internet aufgewachsene schon Serien in englisch anschauen, hätte sich das Sprachniveau gebessert. Was in der Sendung unterging war aber eine genaue Beschreibung von JUICE und ihrer Instrumente, stattdessen mussten zwei Astronauten vor die Kamera gezerrt werden die natürlich überhaupt nichts zu dieser Mission beitragen konnten. Aber da der Blog nun schon sehr lang ist, denke ich verschiebe ich JUICE und einen Vergleich mit Europa Clipper auf ein anderes Mal.

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