Wo bleiben die privaten Raketenbauer?

Ja das frage ich mich, wenn ich bestimmte Kommentare und Foren lese. Das Resümee ist dabei, das die Entwicklung einer Trägerrakete viel preiswerter und die Startkosten viel niedriger sein könnten. Die etablierten Konzerne würden durch bürokratische Strukturen die Kosten erhöhen, sich durch Monopole sich dumm und dämlich verdienen und zudem noch ihre Jahrzehnte alten Trägerraketen verkaufen, die technisch veraltet und teuer wären.

Nun ja, die Frage ist – wen dem so ist, warum gibt es nicht viel mehr private Unternehmen? Also rechnen wir das mal mit realen Zahlen durch. Als Beispiel nehme ich die Ariane 1-4 Entwicklung. Sie kostete nach ESA Angaben 2.500 Millionen Euro im Wert von 2008. Ein Start kostete zum Schluss (2003) rund 115 Millionen Dollar. Da das schon ein paar Jahre her ist, nehme ich mal die aktuellen Zahlen der Sojus von Kourou: 70 Millionen Startkosten Euro für 3.000 kg Nutzlast. Ariane 4 transportierte 4.900 kg. Das entspricht hochgerechnet dann 114 Millionen Euro bei 4.900 kg.

Wenn dem so ist, das eine private Firma es nun wirklich besser kann, dann sollte doch angesichts der enormen Gewinne, veralteten Träger, Bürokratie und Monopolstrukturen eine Halbierung der Entwicklungskosten und Startkosten möglich sein. SpaceX spricht bei ihrer Falcon 9, ja sogar von nur einem Fünftel der Kosten von US Trägern. Könnte nicht eine Firma dann gute Gewinne machen? Also hier mal die Randbedingungen:

  • Entwicklungskosten: 1.250 Millionen Euro
  • Startkosten: 57 Millionen Euro
  • Verkaufspreis pro Start: 114 Millionen Euro
  • Gewinn: 57 Millionen Euro pro Start
  • Annahme: 5 Starts pro Jahr (50 % des Arianespaceanteils, etwa der Anteil den heute Sealaunch und Proton haben)
  • Entwicklungszeitraum: 6 Jahre (wie bei Ariane 1)
  • Testzeitraum: 2 Jahre mit vier Starts, davon zwei ohne Bezahlung (Übertragen von Ariane 1)
  • Verzinsung des Kapitals: 4 %
Jahre -6 -5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Entwicklungskosten 208,33 425 650,33 884,68 1128,4 1381,87 1437,14 1613,19 1677,72 1526,94 1364,09 1188,22 998,28 793,14 571,59 332,32 73,9
Teststarts 114
Zinsen 8,33 17 26,01 35,39 45,14 55,27 62,05 64,53 67,11 61,08 54,56 47,53 39,93 31,73 22,86 13,29 2,96
Aufwendungen 216,67 442 676,35 920,07 1173,54 1437,14 1613,19 1677,72 1526,94 1364,09 1188,22 998,28 793,14 571,59 332,32 73,9 -205,19
Einnahmen durch Starts 570 570 570 570 570 570 570 570 570
Rückzahlung 217,89 223,92 230,44 237,47 245,07 253,27 262,14 271,71 282,04

Die Tabelle geht von einem linearen Kapitalbedarf während der Entwicklung aus. Im ersten Jahr der Tests kommen dann noch die beiden Testflüge hinzu. Die beiden nächsten im folgenden Jahr werden dann von den den Kunden finanziert, aber es gibt noch keinen Gewinn. Dann gibt es die Gewinne aus den Starts, die benutzt werden, um die Schulden an die Bank zurückzuzahlen.

Nach zehn Jahren resultiert dann erstmals ein Gewinn von 205 Millionen Euro. Bei einem niedrigeren Zins oder höherer Startrate wäre der „Break-Even Point“, also die Gewinnzone, noch früher erreicht. Wie lange könnte man Gewinn machen? Ariane 1-4 waren von 1979-2003 im Einsatz, das sind 24 Jahre. 12 Jahre lang würde man also rund 285 Millionen Euro Gewinn machen, bevor man etwas neues entwickeln müsste.

Das entspricht einer Summe von 3625 Millionen Euro! Also durchaus profitabel. Man könnte auch eine andere Rechnung aufmachen: Man stellt die Einnahmen den Investitionen gegenüber. Das ist der Fall, wenn das Geld nicht von der Bank kommt, sondern Investoren die Entwicklung tragen und dafür die Gewinne voll einstreichen. Dann stehen Investitionen in Höhe von 1364 Millionen Euro Einnahmen in Höhe von 6270 Millionen Euro gegenüber. Über den Gesamtzeitraum inklusive dem sechs Jahren für die Entwicklung, entspricht dies einer Verzinsung von 12 % – also ich würde da sofort investieren, vor allem wenn ich an die Zinsen von Unternehmensanleihen oder dem Sparbuch denke.

Die Frage ist dann, warum ist SpaceX die einzige Firma die es probiert? Dabei habe ich doch eher konservativ. SpaceX spricht ja von einem Fünftel der Startpreisen von US Trägern. (Die anders als in meinem Beispiel ja auch an die Kunden weitergegeben werden!). Oder schauen wir nach Osten: Wenn wirklich so viel verdient werden kann, warum verläuft die Entwicklung der Angara in Russland und der Langen Marsch 5 in China so langsam? Die beiden Nationen sollten doch dann diese neuen Träger, die noch höhere Gewinne versprechen ganz schnell fertigstellen um noch mehr Reibbach zu machen. Oder warum hat keines der russischen Unternehmen wie GPNZ Chrunitschew oder RKK Energija nicht auf eigene Kosten eine viel bessere Trägerrakete entwickelt?

Nun die Antwort ist wahrscheinlich ganz einfach: Es ist nicht so lukrativ. Bei den angegebenen Basisdaten wäre z.b. der Break-Even Point erst beim Ende der Einsatzdauer erreicht, wenn die Einnahme pro Start bei 32,9 Millionen Euro liegen. Wenn also die Startkosten nur um 28,9 % anstatt 50 % sinken. Wahrscheinlich ist angesichts der Entwicklungsrisiken bei jeder Trägerrakete wohl Investoren das Risiko zu hoch. Denn erinnern wir uns: Ariane 5 sollte auch die Startkosten um 45 % senken – 35 % durch mehr Nutzlast und 10 % durch niedrigere Produktionspreise. Erreicht wurde dies nie, dafür wurde die Entwicklung und die späteren Programme zur Steigerung der Nutzlast viermal teurer als die Ariane 1-4 Entwicklung.

Vor allem scheint unterschätzen die Unternehmen wohl die sowohl die Aufgabe, wie auch die Auswirkung wenn ein Unternehmen wächst. SpaceX ist ein recht gutes Beispiel. Das Unternehmen musste Fehlschläge bei der Falcon 1 hinnehmen und hat schließlich nur einen kommerziellen Auftrag durchgeführt, bevor die Rakete eingestellt wurde. (Es gibt ein Nachfolgemodell, aber das ist noch nicht geflogen). Bei der Falcon 9 hat sich der Erststart laufend verschoben. Er sollte mal Ende 2007 erfolgen. Seit einigen Monaten steht nun eine komplette Falcon 9 auf dem Cape und ihr Starttermin steht immer noch in den Sternen. Das sie am Cape steht ist nichts neues – Sie tauchte dort Ende 2008 zum ersten Mal auf. Dabei ist die Firma laufend gewachsen. Auch die Startpreise haben sich in zwei Jahren von 37 auf 57 Millionen Dollar erhöht. Wenn es dann noch ähnliche Rückschläge wie bei der Falcon 1 gibt kann man sich leicht ausrechnen dass nicht mehr viel vom Preisbrecher übrig bleibt. Von einem Fünftel der Startkosten anderer US Träger kann auch keine Rede. Nimmt man die teure Delta 7920H als Basis so ist es der Faktor 1,9. Beim Vergleich mit der Atlas 401 nur noch der Faktor 1,28.

One thought on “Wo bleiben die privaten Raketenbauer?

  1. Es geht in der Diskussion um Raketenpreise leider meistens nur um Entwicklungskosten und nicht um Fix bzw. Produktionskosten.

    SpaceX kann bei den Gehältern knausrig sein und sich dadurch bei der Entwicklung ein wenig Geld sparen. Gleichzeitig fehlt SpaceX aber einiges an Know-How was die Entwicklungszeiten und Kosten wieder in die Höhe treibt. Weshalb ich auf die schnelle behaupten würde, dass die Entwicklungskosten bei SpaceX ca. gleich hoch sind wie bei allen anderen.

    Der Hauptschwerpunkt in Sachen Kostenreduktion ist aber bei SpaceX nicht die Reduzierung der Entwicklungskosten (eher im Gegenteil) sondern die Reduktion der Fixkosten (vor allem bei den Startanlagen) und die laufende Minimierung der Produktionskosten.

    Bei amerikanischen und europäischen Raketen werden die Produktionswerkstätten für eine fixe Stückzahl pro Jahr und ein sich nicht mehr änderndes Design hin ausgerichtet. Wohin gegen sich SpaceX stark auf flexible Stückzahlen und laufende Design und Produktionsänderungen ausgelegt ist (Auch bekannt als Toyota Production System http://de.wikipedia.org/wiki/Toyota-Produktionssystem).

    Es bleibt abzuwarten inwieweit sich Raketentechnologie und laufende Designänderungen vertragen. Aber wenn man Toyota mit Ford und GM vergleicht. Hat Toyota sowohl bei den Produktionskosten als auch bei Innovation und Produktionsqualität die Nase vorne.

    Was aber auch SpaceX nicht davor bewahrt wie Toyota in Probleme wie feststeckende Gaspedale hinein zulaufen.

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