Die Schwerlastrakete Teil 3: Neue Ansätze anstatt Apollo 2.0

Zur Erinnerung: In den ersten beiden Teilen habe ich deutlich gemacht, dass bei einem neuen Mars/Mondprogramm (vor allem beim Letzteren) ein Großteil der Kosten für die Entwicklung einer Schwerlastrakete entfällt und diese durch mehrere Flüge einer 50-70 t Rakete ersetzt werden könnte. Mit zwei Flügen einer 60 t Rakete wäre Apollo zu ersetzen, mit drei oder vier ein längerer Mondaufenthalt (drei Starts) oder größere Raumfahrzüge (vier Starts) möglich. Dabei kann diese Rakete aus einer Delta IV Heavy entwickelt werden.

Eine Mondmission hat nun folgende Elemente:

  • Eine Trägerrakete sendet entweder eine Nutzlast direkt zum Mond (3200 m/s mehr als für eine Kreisbahn benötigt) oder koppelt in einer Kreisbahn mit einer Stufe an, welche sie zum Mond befördert.
  • Um in eine Mondumlaufbahn einzuschwenken benötigt man nochmals rund 1000 m/s. Wenn diese später verlassen wird, fallen nochmals die gleichen 1000 m/s an.
  • Der Mondlander benötigt ebenfalls ein Triebwerk um zu landen und zu starten. Beim Starten sind es rund 2.200 m/s die das Apolloraumschiff an Korrekturvermögen hatte. Beim Landen wegen der 1 Minute Schwebezeit noch mehr. (zusammen 4.760 m/s)
  • Man kann daraus leicht ableiten, dass bei konventionellen Lösungen der größte Teil Treibstoff ist. Beim Mondlander waren es rund 10,8 von 16,4 t Masse und bei dem CSM waren es 18,4 von 30,3 t Masse.

Ziel eines Mondprogrammes sollte es sein diese Treibstoffmenge zu reduzieren. Ein Weg könnten kryogene Treibstoffe sein. Das Problem ist hier die Kühlung. Während dies noch im Weltraum recht gut möglich wird, wird es auf der Mondoberfläche schon deutlich schwieriger. Doch meine Ansicht ist es gleich neue Wege zu geben, die viel mehr versprechen. Man muss zwei Dinge beachten.

  • Es gibt Manöver die hohen Schub erfordern (Abstieg auf die Mondoberfläche, Aufsteige) und andere bei denen das nicht notwendig ist (Transfer von einer Erdumlaufbahn zum Mond, Verlassen des Mondes).
  • Bei der Besatzung scheiden lange Aufenthalte in einer Erdumlaufbahn wegen des Strahlengürtels aus.

Nun wer mich kennt, weiß schon worauf es raus läuft: Ionentriebwerke welche den Treibstoff viel effizienter Nutzen. Es ist meiner Ansicht nach auch folgendes Szenario denkbar:

  • Der Mondlander wird mit einer Ionenantriebsstufe in einen Erdorbit gebracht. Sie transferiert ihn über Monate hinweg in eine Mondumlaufbahn.
  • Danach startet die Besatzung direkt zum Mond. Zündet ihre Triebwerke um in eine Umlaufbahn einzuschwenken und koppelt dort mit dem Mondlander an.
  • Sie landet auf dem Mond, führt ihr Forschungsprogramm durch, startet zurück in den Orbit.
  • Im Orbit koppelt sie erneut an die Ionenantriebsstufe an und diese befördert sie zurück zur Erde.

Der Vorteil ist, dass die Nutzlast viel höher ist. Ich habe mal folgende Daten genommen:

  • Die des Triebwerks RIT-22 von EADS
  • Gesamtgeschwindigkeitsänderung 6.800 m/s anstatt 3.200 m/s + 2 x 1.000 m/s chemisch (30% mehr)
  • Solarzellen mit einer Leistungsdichte von 80 W/kg (Dawn erprobt, es gibt experimentell sogar welche mit 175 W/kg)
  • Maximale Dauer für die bemannte Rückkehr im Mondorbit: 30 Tage.

Daraus errechnet sich folgendes:

Ionentriebwerk:
Spezifischer Impuls: 44150 m/s
Stromverbrauch 5000 W
Schub 0,15 N
Wirkungsgrad 66 Prozent
Gewicht eines Triebwerks 7 kg
Treibstoffverbrauch 3,4 mg
Gewichtsbilanz:
Strukturgewicht: 1200 kg
Treibstoff: 7972 kg
Tankgewicht: 1331 kg
Triebwerkszahl 193
Triebwerksgewicht: 1351 kg
Nutzlast: 32000 kg
Startgewicht: 55855 kg
Solargenerator:
Leistung: 80 W/kg
Gewicht: 12000 kg
Mittlere Distanz zur Sonne: 150,0 Mill km
Leistung bei der Distanz 79 W/kg
Bahndaten:
Geschwindigkeit um die Erde zu verlassen: 5500 m/s
Geschwindigkeit um die Mondumlaufbahn zu verlassen: 1300 m/s
Gesamte Geschwindigkeit: 6800 m/s
Gesamte Reisedauer: 261 Tage
Davon in der Erdumlaufbahn (12 h/d) 232 Tage
Davon in der Sonnenumlaufbahn (24 h/d) 29 Tage

Bei einer Startmasse von etwas unter 56 t (das ist die Nutzlast einer Delta IV Heavy mit sechs Boostern in eine 600 km hohe Kreisbahn) werden so 32 t in einen Mondorbit und zurück befördert. Gedacht ist an folgende Vorgehensweise:

Die erste Delta IV XXL startet mit der Ionenantriebstufe den Mondlander in den Mondorbit und verbleibt dort

Die zweite Delta IV XXL startet normal chemisch nur mit 1.000 m/s Kurskorrekturkapazität das reicht aus um in einen Mondorbit zu gelangen. Dort koppelt sie an den Mondlander ab während die Ionenantriebsstufe abkoppelt und in Wartestellung geht. Nach dem Umstieg der Besatzung und Landung auf dem Mond folgt die Forschungsmission und nach einigen Tagen kommt die Rückreise. Nach dem Umstieg in das CSSM wird die Aufstiegsstufe abgekoppelt und die Ionenantriebsstufe angekoppelt.

Sie befördert die Besatzung zurück zur Erde. Das hat zwei Vorteile: Es wird Treibstoff gespart und bei 1300 m/s Kurskorrekturfähigkeit ist die Aufenthaltszeit im Mondorbit gering.

Chemisch sind maximal 14,4 t mit derselben Rakete in einen Mondorbit bei der selben Trägerrakete möglich. Das ermöglicht es nicht nur einen mehr als doppelt so schweren Lander mitzuführen, sondern auch das CSM kann leichter sein, da der Treibstoff für die Rückreise nicht benötigt wird. Es benötigt nur 1000 m/s zum Einbremsen in den Orbit. Das macht eine Trockenmasse von 14,6 t möglich. Apollo hatte nur eine Trockenmasse von 12,2 t. Mit Treibstoff zur Rückreise hätte die Trockenmasse maximal 10,7 t betragen dürfen, was nur für eine deutlich kleinere Kapsel als bei Apollo reichen würde.

Die zwei Flüge sind in etwa äquivalent einer chemischen Rakete mit 80 t Nutzlast in die LTO Bahn. Die rund 2,4 t größere Trockenmasse des CSM würde eine größere Kapsel für 4 Astronauten zulassen. Analog der nun 32 t schwere Mondlander Er ist doppelt so schwer und würde die Landung aller vier Astronauten ermöglichen. Ein weiterer Start mit dem Ionenantriebsmodul könnte auch ein Labormodul von eta 14-15 t Masse auf dem Mond absetzen – genügend Gewicht für schwere Ausrüstung oder eine kleine Wohnung für einige Tage (wie schon in Teil 1 geschrieben dauert eine Mondnacht 14 Erdtage, dabei sinken die Temperaturen bis unter -100°C ab. Daher wird zumindest bei der ersten Phase der Aufenthalt auf den Mondtag von maximal 14 Tagen dauer beschränkt sein).

Es wäre interessant festzustellen, ob es eine Untersuchung gibt, wie weit die Passage im Van Allen Strahlungsgürtel gefährlich ist. Ersetzt man z.B. die Solarzellen durch welche mit 175 W/kg Leistungsdichte, also dem was heute zumindest experimentell möglich ist, so wäre die gesamte Reise sogar mit einer 60 t Rakete denkbar. Ein Lander von 16,4 t Masse und ein CSM von 11 t Masse (ohne Treibstoffe und Antrieb). Ein Ionennantriebsmodul würde es die gesamte Kombination in 91 Tagen zum Mond und in 10 Tagen zurück befördern. Wahrscheinlich ist das aber mit einer kleinen Apollokapsel nicht zu machen und eine größere Raumstation in der Mondumlaufbahn braucht man eigentlich nicht.

Apollo 2.0 mit einer Delta IV Heavy – das ist Innovation. Eine neue Schwerlastrakete zu bauen und alles zu wiederholen – das ist der Rückgriff auf das Gestrige. Ein Symptom für den Rückschritt und Stillstand den die bemannte Raumfahrt seit einigen Jahren schon prägt. Denn natürlich gibt es hier Herausforderungen – Dawns Solar Array das ich für die Berechnung nutzte, hat gerade mal 10,5 kW Leistung – hier wird ein fast 100 mal größeres benötigt. Kann man solche großen Strukturen noch bauen und im All entfalten?

Das gleiche gilt für die Triebwerke. Dawn setzte fünf ein. Hier sind es 193 – fast vierzigmal mehr. Es sollten also größere eingesetzt werden, die erst entwickelt werden müssen. Dann haben diese ein kleines Temperaturproblem – etwa 30%-40% setzen die Triebwerke heute als Wärme frei. Das sind etwa 288-384 kW Abwärme auf engstem Raum. Auch ein Problem das gelöst werden muss. Bis diese Technologie zur Verfügung steht muss genauso viel Entwicklungsarbeit geleistet werden wie damals bei der Saturn V – aber es ist wenigstens eine Neuentwicklung und sie ist nötig, denn für Marsexpeditionen müssen dann nicht 130-180 t in eine Erdumlaufbahn befördert werden, sondern je nach Plan (es gibt da etliche Vorschläge ) zwischen 600 und 1000 t – und da lohnt es sich dann wirklich!

7 thoughts on “Die Schwerlastrakete Teil 3: Neue Ansätze anstatt Apollo 2.0

  1. Sehr interessant ! Das entspricht ja ziemlich genau dem Szenario, welches ich im Sommer 2009 in meinem Gastblogs betreffend einem „vernünftigen“ Mondprogramm geschildert habe, einfach alles doppelt so gross (z.B. 4 Personen Besatzung statt 2).

    Der Unterschied liegt in der Rückkehr aus der Mondumlaufbahn: In dem von Dir geschilderten Szenario erfolgt sie mit Ionenantrieb.

    ==> Deshalb die folgenden Fragen:
    – Von was für einer Treibstoffersparnis gehst Du aus im Vergleich zur Hydrazin-Variante aus meinem Vorschlag ?
    – Was ist die Bedeutung der erwähnten 5000 W Stromverbrauch (weiter unten erwähnst Du ja 100 mal 10,5 kW) ?
    – Habe ich das richtig verstanden, dass die Dauer des bemannten Return Trips aus der Mondumlaufbahn mit Ionenantrieb ca. 30 Tage benötigt ?

  2. 5.000 W pro Triebwerk, daher auch 193 Stück

    Bei einem spezifischen Impuls von 3150 m/s entsprechen 1000 m/s dem Massenfaktor 1,37. Da noch die Tanks dazukommen kann man realistischerweise vom Faktor 1,41 bis 1,42 ausgehen.

    Um 32 t so zurück zur Erde zu transportieren benötigt man daher rund 13,2 bis 13,4 t zusätzlich.

    Das Ionenantriebsmodul braucht (bei obigen Daten) dagegen genau 1.921 kg mehr Treibstoff.

    Ja, das ist ein von mir gesetzter limitierender Faktor. Bei Ionenantrieben kann man in gewissen Grenzen Nutzlast durch Reisezeitverlängerung „kaufen“ – man braucht weniger Solarzellen und das steigert die Nutzlast. Hier ist allerdings nicht mehr viel drinn, da von 56 t Startmasse die Solarzellen ja schon nur 12 t wiegen.

    Ich habe übrigens nicht mit den realen Massen sondern 32 t auch bei der Rückreise gerechnet. Dass Programm ist aber auch für die Transfers zu Planeten gedacht (keine Abschattungsperioden). Vielleicht schreibe ich es mal um.

  3. Ich finde es schade, dass hauptsaechlich aus politischen Gruenden (eben weil das Atom „boese“ ist) nukleare Antriebe oder – um bei den Ionentriebwerken zu bleiben – zumindest nukleare Stromerzeugung von vornherein ausgeschlossen wird.

    Ich glaube, Du hast darueber schonmal etwas geschrieben, aber waere nicht die absolute ideale Kombination sehr leistungsfaehige Ionentriebwerke Stromerzeugung ueber Nuklearenergie? Entweder RTGs, evtl. mit kuerzeren Halbwertszeiten und dafuer signifikant hoeherer Leistung, oder mit Stirlingmotor, oder sogar ein „normaler“ Kernreaktor wie auf der Erde, falls das in eine Rakete hineinzukriegen ist…

    Ja ja, ich weiss, wenn die Rakete „in die Luft fliegt“, fliegt der Kernbrennstoff durch die Gegend… aber den kann man doch bestimmt so einpacken, dass er dann unschaedlich ist?

    Kann man nicht fuer Raumfahrt mal eine einzige Ausnahme bei diesem paranoiden Sicherheitswahn machen?

  4. ES gibt zwei Dinge zu unterscheiden: Nukleare Antriebe und Nukleare Stromversorgung.

    Nukleare Antriebe das ist ein Kernreaktor in einer Brennkammer einer Rakete. Das kann man nicht abschirmen, sonst funktioniert das Prinzip nicht (der Wasserstoff der als Antriebsgas genutzt wir ist das Kühlmittel). Zudem sind die spezifischen Impulse recht lau – maximal 8-9.000 m/s.

    Bei einem Kernreaktor als Stromquelle ist es so, dass die heute viel zu schwer sind, aber abschirmbar. Russland schafft in einigen Jahrzehnten Reaktoren mit einer Leistung von 100 kg/kw. Die NASA wollte im Projekt Prometeus auf 65 kg/kw kommen. Solarzellen liegen derzeit bei 12,5 kg/kw experimentell gibt es welche mit 5,7 kg/kw.

    Wenn es also nicht in Regionen geht, wo die Sonne viel weniger intensiv scheint als auf der Erde (so ab Jupiter) sind heute auch aus effizienzsicht Solarzellen überlegen. Die Kernenergie hat sich in rund 40 Jahren kaum weiterentwickelt. Solarzellen schon. Dawns Solarzellen wiegen bei gleicher Leistung nur ein Zehntel des Gewichts derer von Skylab

  5. Bernd: Zum Nuklearen Antrieb: Ist die Kontamination vom Wasserstoff aus einer Rakete pro Monat oder Woche, die irgendwo in der Wueste gestartet wird, wirklich in globalen Massstaeben so bedenklich, dass man deshalb komplett auf das Prinzip verzichten muss?

    Du sprichst vom spezifischen Impuls, der recht lau ist… aber da gab es doch noch irgendetwas, was den Schub einer Rakete bestimmt (Du hattest das mal in einem anderen Artikel geschrieben…), weshalb auch z.B. der spezifische Impuls von Ionentriebwerken viel hoeher ist als bei chemischen Triebwerken, aber der Schub eben trotzdem viel kleiner, sodass man mit ihnen z.B. nicht von der Erde abheben kann…

    Ist der „Gesamtschub“ von einem „direkten“ nuklearen Antrieb tatsaechlich schlechter als von einem chemischen?

    Tja… insgesamt ist es echt erstaunlich und schade, dass man scheinbar das beste Leistungs/Gewichts-Verhaeltnis immer noch mit Antrieben erreicht, die im Prinzip schon vor 1000 Jahren erfunden wurden…

  6. Alexander:

    Nukleare Antriebe sind tatsächlich äußerst ineffizient. Zum einen wird nur ein winzig kleiner Anteil der Energie im Kernbrennstoff beim Start überhaupt frei und zum anderen haben Antriebe wie NERVA auch nur einen spezifischen Impuls von 9000m/s im Vakuum – in der Luft ist es noch weniger. Und Wasserstoff brauchen sie immernoch als Treibstoff, mit allen Problemen die das mit sich bringt.

    (Mögliche Ausnahmen wurden von Anthony Zuppero in aller Breite ausgeführt: http://www.neofuel.com/inhabit/inhabit.pdf – wobei ich selbst im Fall der Besiedlung des Sonnensystems denke, dass der Umweg über elektrische Antriebe sinnvoller ist.)

    Die Probleme mit hybriden Wasserstoffantrieben, die Luftsauerstoff beim Start nutzen, sind da deutlich kleiner und die Leistung beim Start von der Erde mit NERVA vergleichbar:

    > http://en.wikipedia.org/wiki/Reaction_Engines_SABRE

    Wofür Kernreaktoren oder Radioisotopenbatterien dagegen fast unvermeidlich sind, sind Flüge in die äußeren Bereiche des Sonnensystems und darüber hinaus – zum einen wegen der Flugzeit zum anderen wegen der Energiedichte, insbesondere wenn man mit Ionen- oder Plasmaantrieben möglichst hohe Endgeschwindigkeiten anstrebt.

    Mit etwas Optimismus und viel Anstrengung könnte eine Weltraumsonde mit einem Laufwellenreaktor oder ähnlichem und elektrischen Antrieb mit 2-3 Stufen wohl 0,1% der Lichtgeschwindigkeit erreichen – während chemische Antriebe auch mit noch so viel Aufwand und allen Tricks der Himmelsmechanik kaum auf 0,01% kommen.

  7. tp1024: Danke fuer die umfassenden Informationen. Den Laufwellenreaktor kannte ich noch gar nicht… tja, schon wieder eine Moeglichkeit, wie man zumindest unsere terrestrischen Energieprobleme locker auf absehbare Zeit loesen koennte, wenn es denn politisch gewollt waere.

    Dann les ich mal weiter, bevor ich noch mehr bloede Fragen stelle 😉

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