Setzen! Sechs!

Derzeit kämpfe ich mich gerade durch die NASA Technischen Memoranden X-648008 bis 64826, jedes einige Hundert Seiten stark. Das ist die Dokumentation zu Skylab und selbst beim flüchtigen Überfliegen, bis man wieder eine allgemein interessante Stelle trifft, (das ganze geht natürlich viel tiefer als für mein Buch notwendig) ist es eine ganze Menge Arbeit.

Aber: es gibt wenigstens die Dokumentation öffentlich verfügbar. Das ist ein Riesenunterschied zu Europa. Ich will daher mal meine Erfahrungen mit Raumfahrtfirmen und Raumfahrtagenturen in den letzten Jahren schildern. Mein Bestreben ist es ja, möglichst umfassend über eine Mission zu berichten. Das ist manchmal möglich indem man die Webauftritte, Infobroschüren etc. verwendet. Manchmal sind aber auch die nur sehr kurz, oder an eine allgemeine Öffentlichkeit gerichtet und enthalten wenige technische Details. Dann versucht man es eben, indem man die Gesprächspartner direkt anschreibt.

ESA: Ein großes Manko ist, dass es keine direkten Kontaktmöglichkeiten gibt. Wenn es Fragen zu einem Artikel gibt, findet man keine Mailadresse oder ein Kontaktformular an das man sich wenden könnte. Es geht nur über die allgemeine Kontaktseite wo man dann bei der Pressestelle der ESA landet, die einem meist nicht weiterhelfen kann, weil sie gar nicht weis wer dafür zuständig ist. Sie ist auch nicht informiert, ob es überhaupt weitergehende Informationen gibt. So wurde mir mitgeteilt, die wenigen Seiten über die Ariane 5 wäre alles, was es an Infos gäbe…

DLR: Durchwachsen. Teilweise wird nicht geantwortet. Bei den Gesprächspartnern die antworten, findet man alles. Von sehr hilfsbereit (Zusendung von eigenen Artikeln und Aufsätzen zu dem Thema, über „Ich würde ihnen gerne helfen, aber die Informationen sind geistiges Eigentum der Industrie“ bis zu uninformiert, wobei mein Eindruck ist: je weiter ich in der Hierarchie komme, desto schlimmer wird es. Also ein Projektleiter konnte auf konkrete Fragen nicht antworten oder nur mit allgemeinen Informationen die jedoch nicht die Frage betrafen. Dafür bemängelte dieselbe Person (die auch keine Dokumente übermittelte), das das fertige Buch nur „Presseinformationen“ enthielt. Irgendwie hat er den Informationsfluss wohl falsch verstanden: Nicht ich sollte dem Projektleiter helfen und mit Informationen versorgen, sondern er mir….Auch gibt es zahllose tote Kontaktlinks die nicht funktionieren. Immerhin steht bei jedem Artikel dran, wer ihn verfasst hat und über das System „vorname.nachname@dlr.de“ kann man ihn dann doch direkt anschreiben.

EADS: Bei jeder EADS Seite steht:

„If you require more detailed information on any of our products or services, then please contact us, indicating your particular areas of interest or intended application. Your enquiry will receive our best attention.“

Mit einem Email Link und keinem Formular. Vorbildlich, möchte man meinen. Möchte man.

In der Praxis habe ich auf Detailseiten nie eine Antwort bekommen. Egal welcher Teil von EADS betroffen war. Besser sieht es aus wenn es um allgemeine Pressemitteilungen handelt und man darauf antwortet. Dann kommt eine Antwort, aber mit langer Verzögerung. Bei der ersten Auflage des ATV Buchs, wo ich Abbildungen von EADS Dokumenten verwenden wollte, war es nach sieben Wochen – bis dahin war das Layout dann schon fertig. Bei EADS LV in Bremen nützt nicht mal das Einschalten des Pressesprechers wenn sich auf mehrere anfragen niemand meldet.

SAAB: Übertroffen wird EADS nur von SAAB. Wer dort den Link anklickt, landet bei einem Formular wo man eine Menge eintragen muss – nicht nur Name und Mailadresse, sondern auch Privat und Geschäftsadresse, Telefonnummern (privat, mobil, geschäftlich…) und wenn man das alles ausgefüllt hat und das Formular abschickt, bekommt man eine Fehlermeldung des Webservers. Echt super!

Arianespace: Wer auf die Kontaktseite kommt wird nach seiner Presseausweisnummer gefragt und bekommt gleich den Hinweis, das ohne die keine Bearbeitung erfolgt. Normale Besucher, aber auch Autoren (egal ob online oder Bücherautoren), die nun mal nicht Pressekonferenzen besuchen und keinen Presseausweis haben sind außen vor.

SNCEMA: Keine Reaktion auch auf mehrfache Anfragen.

Nach den schlechten Beispielen die positiven:

MT Aerospace: Sofortige Antwort, Übersendung zahlreicher eingescannter älterer Dokumente, die ich gut gebrauchen konnte. Sehr freundlich und hilfsbereit.

Tesat: Wäre alles so wie bei Tesat, dann würde ich wahrscheinlich noch mehr Bücher schreiben: Ebenfalls sofortige Antwort, Weiterleiten der Anfrage an den zuständigen Mitarbeiter und das beste: Unverlangtes Zuschicken von Dokumenten von denen ich gar nichts wusste (Kommunikationssystem für das MSL) ohne Anforderung. Wenn alle Firmen mir Sachen zuschicken würden, von denen sie denken, ich könnte sie gebrauchen, dann wäre der Job echt einfach.

Nun an den Firmen kann man nichts drehen. Aber die Raumfahrtagenturen DLR und ESA sollten mal überlegen, ob ihre Art von Öffentlichkeitsarbeit noch dem Internetzeitalter angemessen ist. Also das Veröffentlichen einiger Pressemitteilungen oder einfacher Flyer für die Allgemeinheit kann es ja nicht sein. Die wichtigste NASA Website ist für mich der NASA Technical Reports Server(http://ntrs.nasa.gov/search.jsp). Dort kann man auf die publizierten Dokumente der NASA zugreifen, zahlreiche ältere auch Online. Und zwar nicht nur die Pressemitteilungen, sondern eben auch Artikel der Mitarbeiter, Ergebnisse von Studien, Untersuchungen, Technische Reports, publizierte Paper für Kongresse, Zeitschriften, eben alles was es gibt.

Für mich reicht das aus, auch wenn ich oft mit der Anzahl der Ergebnisse erschlagen werde. Ich erwarte nicht Zig Seiten, in denen alle Dokumente die es bei ESA, DLR & Co gibt, aufgelistet und erklärt sind, aber ich würde gerne auf sie zugreifen können. Ob brauchbare Information drin ist, sehe ich dann schon selbst. Das spart im Endeffekt auch Anfragen an die Mitarbeiter. Es gibt ja gute Archive wie Eigenpublikationen der ESA und DLR über ihre Geschichte zeigen. Warum macht ihr sie nicht öffentlich? Warum behindert ihr Leute die Meinungsvervielfältiger sind? Angst vor negativer Publicity kann es ja nicht sein, denn wer was schlechtes schreiben will, der sucht nicht im Detail nach sondern sucht sich aus auch zweifelhaften Quellen seine Informationen zusammen. Ich verstehs nicht.

Die Konsequenz ist eben, das ich zumindest keine Bücher mehr über deutsche oder europäische Projekte schreiben werde – außer vielleicht über die OTRAG und A-4, aber da brauche ich keine DLR und ESA. Auch sonst scheint es ja nicht viele zu geben die sich mit europäischen oder deutscher Raumfahrt beschäftigen. Warum auch, wenn die Raumfahrtagenturen und Firmen nicht bereit sind Autoren zu unterstützen.

2 thoughts on “Setzen! Sechs!

  1. Hoffentlich kommt das auch bei den richtigen Leuten an, und wird mittel- bis langfristig geändert. Kurzfristig sollte man da wohl nichts erwarten.

    Ansonsten braucht man sich bei diesen Zuständen nicht zu wundern, das Teenager von heute den Apollo-13 Film für Science Fiction halten, obwohl das definitiv keine ist.

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