Stuttgart 21

Ich schreibe in meinem Blog ja wenig über Politik. Vor allem weil das ja schon viele tun. Die ganzen Fernsehprogramme bestreiten ja einen Großteil ihres Nachtprogrammes mit Polit-Talkshows, und da gibt es ja noch Extra 3 und die Heute Show, die das Veräppeln der Politik besorgen. Aber die letzten Ereignisse um Stuttgart 21 gehen auch an mir nicht vorbei.

Vorher war mir das Thema ziemlich egal. Ich kenne den Stuttgarter Bahnhof und die einzige Fernstrecke die ich nutze geht über Ulm. So gesehen würde ich profitieren. Ich weis auch, dass man dort ab und an mal verspätet losfährt weil was umrangiert wird und seit sich die Fahrtzeit durch die Stadtbahn anstatt der alten Straßenbahn nach Stuttgart halbiert hat weis ich auch was Tunnel an Zeitersparnis bringen.

Die Kosten waren mir egal, weil der größte Teil vom Bund kam. Das alte Bäume dafür weichen mussten störte mich schon eher, weil ich auch die schwäbische Mentalität kenne: Wenn 200 ha mehr Gelände in der Stadt zur Verfügung stehen, dann werden die vollgebaut, schließlich ist jeder Quadratmeter Geld wert. Man muss nur mal schauen wie viele Grünflächen die Stuttgarter Innenstadt hat.

Aber zu dem was passierte, kann man nicht schweigen, vor allem bei der Reaktion der Landesregierung: Das Herunterspielen der Aktionen der Polizei seitens des Innenministers und das gebetsmühlenartige Weiderholen von Mappus, alles wäre demokratisch legitimiert. Vor allem die Bereitschaft zu sprechen, aber keinen Baustopp auszusprechen ist doch hirnrissig. Ohne mich auf eine Seite schlagen zu wollen: Wie sollen Gespräche ablaufen wenn weiter demonstriert und abgerissen wird? Die Konflikte sind doch dann schon vorprogrammiert. Auf so was kommt nur jemand der eigentlich nicht verhandeln will.

Vor allem wenn nun schon Merkel die Landtagswahl zur Volksabstimmung über Stuttgart 21 erklärt hat, das Projekt seit 15 Jahren läuft und der Bund ja derzeit eh in Finanznöten steckt, dann könnte man die rund 6 Monate doch warten bis die Wähler darüber abgestimmt haben – aber wieder mal gilt es vollendete Tatsachen zu schaffen.

Eigentlich hätte die Politik schon hellhörig werden sollen als die ersten größeren Demonstrationen kamen. Bei uns im Ländle läuft es anders als woanders. Die Leute demonstrieren nicht wegen jedem Scheiss, haben einen gewissen Obrigkeitsglauben und eine gewisse Trägheit. Die meisten sind auch zu beschäftigt um zu demonstrieren. Wenn man sie zum demonstrieren bringt, dann muss einiges schief laufen und dann hat man es auch nicht mit irgendwelchen Freaks zu tun, sondern Leuten die ihre Meinung zum Ausdruck bringen können, die sich organisieren können und die dann auch das Vertrauen in die Politik verloren haben und das weiter missionieren. Nicht umsonst fingen die ersten Demos gegen die Nachrüstung in Baden-Württemberg an Mutlangen, gab es hier die 200 km lange Menschenkette um gegen die Stationierung der Pershing zu demonstrieren. So wundert es auch nicht das die Polizei dann Kinder, Jugendliche und alte Leute attackiert hat. (Sorry,, aber die haben auch die Zeit zum Demonstrieren).

Das hier etwas anders, ist als im Rest der Republik ist dürfte auch an dem Motto "Wir sind das Volk, Wir haben das Geld" bei einer Demo klar geworden sein. Wenn es soweit kommt, das demonstriert wird, dann ist viel geschehen. Eher wird vorher in der Wahlkabine abgestimmt: Unser letzter OB hat aus einem ehemaligen Kasernengelände einen künstlichen Stadtteil gemacht, der nun zum zweitgrößten von fünf Gemeinden wurde, mit uniformen Legohäuschen und als Folge machten die Einzelhandelsgeschäfte in den anderen Stadtteilen zu, weil es dort neue großzügige Gewerbefläche gab, zudem wurden zwei von drei Hallenbädern geschlossen – bei der letzten OB Wahl trat neben einem lokalen Finanzbürgermeister zwei Kandidaten von außerhalb an und einer gewann im ersten Wahlgang – eine Novität, wählt man doch sonst eher die die man schon kennt. Aber mit der alten Stadtverwaltung wollten die meisten nichts mehr zu tun haben. Okay, der neue OB ist eine Nullnummer, der nicht regiert sondern nur repräsentiert und in jeder Ausgabe der Stadtrundschau mindestens einmal in den ersten Seiten auf einem Foto zu sehen sein muss. Aber das konnte man ja nicht vorher wissen.

Vor allem ärgert mich das Argument die Entscheidung sei "demokratisch legitimiert". In BW wurde sie von allen Parteien getragen, außer den Grünen. Das heißt ich muss also die Grünen wählen wenn ich gegen dieses Projekt bin, egal wie ich sonst zu deren Programm stehe? Das ist doch Humbug. Es ist ein Symptom wie heute Politiker meinen agieren zu können: Sind sie erst mal gewählt, ist alles was sie tun "demokratisch legitimiert". Glauben die das wirklich? Das die Leute die vor einem Jahr CDU/FDP wählten einen verminderten Mwst Satz für Hotels, Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke und erhöhte Krankenkassenbeiträge waren? Leute ihr habt nicht mehr alle Tassen im Schrank!

Die Art wie in den letzten Jahren entscheiden wird, gegen den Willen der Bevölkerung, nicht nur im Land, sondern auch im Bund veranlasst mich doch Volksabstimmungen zu fordern. Es ist nicht nötig jedes Gesetz durch eine Volksabstimmung hinterfragen zu lassen, aber es sollte die Möglichkeit dafür bestehen. Zum einen als Automatismus, z.B. bei Grundgesetzänderungen und zum anderen wenn sich ein nicht vernachlässigbarer Teil der Bevölkerung dafür ausspricht z.B. eine Organisation 5% der wahlberechtigten Bürger zu einer Unterschrift in einer Liste bewegen kann. Das sollte erst mal das Gesetzgebungsverfahren stoppen. Die Abstimmungen könnte man dann ja sammeln und ein paar auf einmal durch das Volk nachprüfen lassen. Aber das würde ja an dem bisherigen Stil wie hier Politik gemacht wird – nach der Wahl ist alles vergessen – ändern. Derzeit unterscheidet die Art wie hier regiert wird ja in keiner Weise von einer Monarchie: Nach der Wahl wird absolutistisch den eigenen oder Lobbyinteressen nachgegangen. Und wählt man eine neue Regierung, dann bekommt man das gleiche in Rosa. Volksabstimmungen hätten auch den Vorteil, dass die Politik auch mal für ihre Vorhaben werben müsste, anstatt wie bisher über die Köpfe hinweg zu entscheiden. Ich vermute aber, dass Lobbyismusgesetze wie eben der erhöhte Krankenkassenbeitrag ohne Einbußen für Ärzte und Pharmaindustrie schwer vermittelbar sind.

Aber Mappus will ja keine Volksabstimmungen, bzw. gekoppelt mit der Wahl. Dann sollte er mal einen Blick auf die Wahlumfragen werden. Die letzte ist ja einen Monat alt, bevor es richtig "heiß" wurde. In der hatten die Grünen ihren Stimmenanteil verdoppelt, die CDU und FDP je 5 % verloren und schon nach dem Stand gäbe es keine Mehrheit mehr für die derzeitige Landesregierung. Und wenn das so weiter geht haben in sechs Monaten die Grünen die meisten Stimmen. Daher sollen auch jetzt ja Tatsachen geschaffen werden. So läuft das in unserer Bananenrepublik.

3 thoughts on “Stuttgart 21

  1. So wie das in der Presse zu lesen ist, hat die Politik die grösste Schuld an dem Polizeieinsatz. Irgendwie verstehe ich die CDU nicht. Die schreien wirklich laut, wählt mich ab. Sei es bei den Atomkraftwerken oder besonders bei Stuttgart 21. Eine Regierung die gegen das Volk regiert wird bei der nächsten Wahl dafür abgewählt.

  2. Dazu kann ich nur sagen, das die entscheidende Frage bei solchen Projekten ja nicht die ist, was es bringt, sondern die, wer daran verdient. Und wie im vergangenen Monat in den Nachdenkseiten berichtet wurde, gehört Mappus zu jenen, die daran verdienen, wenn das Projekt umgesetzt wird. Deshalb möchte er wohl auch Fakten schaffen, die sich nicht mehr wegdiskutieren lassen. Ich hoffe dennoch, dass das Projekt bald begraben wird, denn nach allem was ich bisher darüber gelesen habe, nutzt es in der Tat nur den Bankkonten von einigen wenigen, aber als wirkliches Infrastrukturprojekt taugt es nichts.

  3. Demokratie heißt ja wörtlich übersetzt Volksherrschaft. Unsere Politiker verstehen darunter aber daß man das Volk erst gar nicht fragt.
    Immer wieder mal erzählt so ein „Demokrat“ wie undemokratisch ein Volksentscheid wäre. Komischerweise glauben seine Wähler auch noch diesen Unsinn, und ein Grund ihn für seine Dummschwätzerei abzusetzen ist das auch nicht.

    Abwählen? So wie das hier läuft kann das schon sein, aber was nutzt das? Dann haben wir eben für 1 oder 2 Wahlperioden eine SPD-Regierung, die genau so gegen ihre Wähler regiert. Und dann wird eben wieder die CDU gewählt. So ist garantiert daß seit Jahrzehnten ständig die gleichen Versager gewählt werden, immer im Wechel die mit dem anderen Aufkleber.
    Im Grunde ist so eine Wahl ja nichts anderes als die Ausstellung eines Blankoschecks. Solange die Gewählten den angerichteten Schaden nicht wirklich verantworten müssen kann der nach besten Kräften mißbraucht werden. Und man bezahlt mit seinen Steuern daß man von der Polizei ganz demokratisch verprügelt wird. Geht es noch perverser?

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