Politiker und das Internet

Aigner will den „digitalen Radiergummi“ fürs Internet. An und sich denke ich eine nützliche Sache. Doch wie soll er aussehen? Nach einem Bericht in der aktuellen ct‘ will Aigner ein Konzept der Uni Saarland umsetzen. Demnach verschlüsselt der Anwender eine Bilddatei mit einem Schlüssel der auf einem zentralen Server liegt. Wer es ansehen will, muss einen Client installieren der sich den Schlüssel vom Server holt. Der Anwender kann das Verfallsdatum des Schlüssels bestimmen. Um das automatisierte Holen von Schlüsseln zu verhindern muss ein Captcha eingegeben werden. Ach ja, das ganze soll 10 Euro für 20 bis 30 Bilder kosten….

Ich denke jedem Laien leuchtet ein, dass dies keine Lösung ist. Sie ist zu umständlich, beschränkt auf Bilder und zu teuer. Die Frage ist, warum ist Aigner dafür? Es ist ja nicht das erste was so zum Thema Internet von der Bundesregierung kommt, so die Sperren für Kinderpornografie, der Bundstrojaner etc. Bei allen bemerke ich, dass die Kompetenz der Politiker bei nahezu Null liegt. Das ist ja ein Dauerthema schon 1994 verstand Kohl, als man ihn auf die Datenautobahn ansprach darunter den Ausbau der Autobahnen für Kraftfahrzeuge.

Okay, 1994 gab es noch kein Internet aber wenn heute Aigner so einen Vorschlag befürwortet, dann ist das erschreckend. Selbst ohne Kenntnis wie das Internet technisch funktioniert sollte ihre Sicht als Anwender doch ausreichen, dass dieses Konzept ein Griff in die Mülltonne ist – wer installiert Clientprogramme, gibt Captchas ein? Wer ist bereit für diesen Service rund 0,4 Euro pro Bild zu bezahlen?

Es ist der Ausdruck einer Politikergeneration die meint, man könnte mit nationalen Gesetzen und nationalen Regelungen etwas internationales regeln zu können. Das klappt nicht.

Wie könnte es klappen?

Nur über internationale Regelungen sprich Standards. Ich denke an diesen wären auch die Firmen interessiert, die Services im Internet anbieten. Sei es Suchmaschinen, Soziale Netzwerke etc. Dem Geschäft tun persönliche Löschanträge nicht gut. Sie machen Arbeit und sie sind schlecht fürs Image. Daher wäre es sinnvoll, wenn sich die Bundesregierung für einen internationalen Standard einsetzen würde. Denn bei einem internationeln Medium geht es nur über internationale Standards. Wie könnte das gehen?

In den gängigen Dateiformaten gibt es eine Metainformation, welches das Verfallsdatum angibt. Bei HTML z.B. ein Metatag. Analog gibt es bei JPG ja schon Felder für EXIF Daten und ich denke bei Videoformaten auch. Suchmaschinen zeigen keine Dateien die „verfallen“ sind. Browser ebenso. Die Betriebssysteme der Server könnten durch regelmäßige Suchläufe (einmal pro Tag), verfallene Dateien löschen. Für alte Dateien die noch kein Tag haben, kann man eine Regel in Robotx.txt implementieren. Sind die Regeln mal standardisiert, so können Anwendungsprogramme beim Erstellen das Datum abfragen oder auch aus einer globalen Einstellung setzen.

Natürlich ist das nicht wasserdicht. Niemand hält jemanden davon ab, eine Kopie zu machen und das Datum zu verändern und neu zu posten. Aber das ist auch beim Aigner Konzept möglich. Selbst der Ersteller des Konzepts gibt zu dass es „3 Millionen Möglichkeiten“ gibt sein System zu umgehen. Die einfachste ist ein Screenshot. Aber ich denke ein internationaler Standard, der nun ja auch von vielen Anwendern gewünscht wird, ist der einfachere Weg. Er hat vor allem durch die Implementation in Browsern oder durch Unterstützung von Google und Co, dass er sich schnell global durchsetzt.

Viel schlimmer ist, dass mir so was nun schon ein paar mal auffällt. Ich kann nicht sagen ob der Euro-Rettungsschirm sinnvoll ist oder die Bankenrettung. Ich gebe gerne zu, davon nichts zu verstehen. Aber ich verstehe etwas von Lebensmittelrecht und -kontrolle und etwas von Computern und dem Internet. Und die erschreckende Uninformiertheit und Halsstarrigkeit der Politiker in diesen Gebieten sagen mir, dass sie keine Ahnung davon haben. Wenn jemand keine Ahnung hat ist das besorgniserregend, weil ich davon ausgehen muss, dass die Politiker in der Regel sich nicht damit selbst befassen sondern nur Vorschläge von Referenten oder Mitarbeitern aufnehmen. Das bedeutet auch, dass die Mittelschicht, welche die eigentliche Vorbereitung- und Unterstützungsarbeit leistet in den Ministerien absolut uninformiert ist. Und ich glaube nicht, dass diese Mittelschicht nur in diesen beiden Punkten uninformiert ist, sondern wahrscheinlich auch bei allen anderen wie Afghanistaneinsatz, Wirtschaftspolitik etc.

Deutschland ist ein Schiff ohne Steuermann, Lotsen und Matrosen. Es ist nur eine Frage der Zeit bis es auf ein Riff aufläuft.

7 thoughts on “Politiker und das Internet

  1. Also bei Politikern fallen mir jetzt auch gerade nur zwei ein, von denen man sagen kann, das sie Ahnung vom Internet haben. Die eine ist Sylvana Koch-Mehrin von der FDP, der andere Jörg Tauss von der SPD. (Über beide gibt es ansonsten noch einiges zu berichten, aber das lasse ich mal beiseite.) Sehr wahrscheinlich gibt es unter den derzeit 622 Abgeordneten des Bundestages ein paar mehr, die auch Ahnung haben, aber ich weis nicht, wieviele. Dann wäre auch noch zu beachten, dass Frau Koch-Mehrin nicht im Bundestag, sondern im Europaparlament in Strassburg sitzt.

    Was den „digitalen Radiergummi“ selbst angeht, so wird der sich wenn überhaupt, nur sehr langsam durchsetzen und gegen lokales abspeichern ist er völlig nutzlos. (Vor allem bei HTML-Dateien, in denen entsprechende Meta-Tags anschliessend auskommentiert, oder gleich ganz gelöscht werden.) Und dann wäre da ja auch noch das Internetarchiv mit seiner Bringback-machine, das sich genau diesem Ziel entgegen stellt. – Gegen das digitale Vergessen. Was die meines Wissens bisher nicht speichern sind Foren, die auf einer Datenbank beruhen, deren HTML-Seiten vom Server dynamisch erzeugt werden.

    Ansonsten gilt in der Politik immer noch der Satz: „Wenn Du nicht zu sagen weis, bilde einen Arbeitskreis!“ – Der „arbeitet“ dann so lange, bis das Thema aus der Öffentlichkeit verschwunden ist, und man nichts mehr zu sagen braucht. Und schliesslich ist die entscheidende Frage bei manchen Beschlüssen auch nicht die nach dem Sinn des Ganzen, sondern die, wer daran verdient. Prominentestes Beispiel zur Zeit „Stuttgart 21“.

    Was die Steuerung des Landes angeht, so gibt es da doch noch „Das Triumfeminat â

  2. Nun wie ich im Artikel bereits gesagt habe, gibt es sicher keine „Allheil“-option. Wer seine Webseiten von Hand macht wird wohl das Tag nicht einbauen und bei Foren gibt es ja schon heute Möglichkeiten alte Topics nicht mehr anzuzeigen.

    Ich denke aber wenn es ein Standard ist, dann sollten sich solche Archive danach richten. Sie speichern ja derzeit alles. Warum etwas nicht mehr im Web ist, kann ja unterschiedliche Gründe haben, wie Desinteresse, Webseite Umzug, neue Inhalte oder Konkurs des Anbieters. Wenn ich unterstelle, dass es nicht ums datensammeln geht sondern die absicht dahinter steht solche Sachen zu retten, dann sollten die Betreiber aber auch den Willen respektieren dass etwas gelöscht wird.
    Zu den politikern und ihre Kompetenz schließe ich mich Altkanzler Helmut Schmidt an:

  3. @ Bernd
    Schöner Vergleich, nur Deutschland ist kein Schiff ohne Steuermann, Lotsen und Matrosen. Deutschland hat eine volle Besatzung. Nur das Schiff ist Leck und Motoren hinüber bzw. überlastet. Nur die Mannschaft besteht darauf immer schneller und schneller im Kreis zu fahren – da man ja nur so schnell einen sicheren Hafen erreicht.
    Da man kein Materieal hat im die Löcher zu stopfen sollte eigentlich jeder auf dem Schiff diese stopfen. Die mit den fettesten Är*chen natürlich die größten Löcher. Dann müssen die Maschinen abgeschalten oder zumindest gedrosselt werden um diese zu reparieren. Um vorwärts zu kommen gilt es dann halt mal zu rudern…

  4. @ overlord, ergänzend:
    dummerweise hat niemand aus der Schiffsführung ein Patent.
    Jeder Streifen am Ärmel zeigt nur an, dass man jemanden kennt, der…

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