Die Geschichte der Space Shuttles – Teil 3
Im Januar 1986 schien es, als würden die Shuttles endlich die Versprechungen erfüllen, die man an sie hatte. In den letzten Jahren war die Startrate laufend angestiegen, immer mehr kommerzielle Aufträge wurden durchgeführt. 1986 sollte eine zweite Startrampe in Vandenberg für militärische und sonnensynchrone Missionen eingeweiht werden, zahlrieche militärische und wissenschaftliche Missionen warteten auf ihren Start, dazu kamen kommerzielle Transporte, z.B. die der Intelsat VI Serie. 13 bis 16 Missionen waren für 1986 geplant, In den nächsten Jahren sollte die Zahl der Missionen auf 20 bis 24 ansteigen.
Da explodierte die Challenger am 28.1.1986 nach 72 s. Was in der Folge bekannt wurde, war katastrophal. Es war nicht nur die Ursache der Explosion, die praktisch am gleichen Tag feststand, nachdem wenige Stunden vor dem Start die Techniker von Thiokol gegen den Start votierten. Es war wie die NASA bisher das Shuttle Programm gemanagt hatte. Nicht nur, dass man Thiokol unter Druck setzte, eine Startfreigabe zu erteilen (wörtliches Zitat des NASA-Verantwortlichen "Thiokol, wann wollt ihr dass wir Starten – im Juli?"), sondern auch wie insgesamt das gesamte Management verlief.
Das Problem des Ringes, der bei tiefen Temperaturen nicht elastisch genug ist, war z.B. bekannt. Bei mehreren Missionen vorher war der Ring angekohlt worden, und bei einer sogar der primäre Ring durchgebrannt. Es wurde ignoriert. Das gesamte Shuttleprogramm, das befand eine Untersuchungskommission, opferte Sicherheit zugunsten einer hohen Flugrate. So gab es bei praktisch jedem der vorrangegangenen Flüge Probleme, teilweise kleine, teilweise gravierende, wie der Abbruch eines Fluges, Ausfall eines Haupttriebwerks bei einem anderen oder der Brandt von Hydrazin bei der Landung. Dies alles zeigte auf, dass die Shuttles nach 25 Flügen kein eingeführtes Gefährt waren, viele Systeme überprüft oder verbessert werden mussten. Doch die NASA reagierte anders. Gab es Probleme mit einem System bei einem Orbiter vor dem Start, so wurde dieser nicht verschoben und das Problem gelöst, sondern das Bauteil aus einem anderen Orbiter, der gerade überholt wurde, ausgebaut und den anderen eingebaut. Die Ingenieure hatten sogar einen eigenen Ausdruck dafür erfunden "kannibalisieren".
Die Folgen waren weitreichend. Es ergab nun die Revision des Programmes, dass die Raumfähren nur noch ein Verlustrisiko für die Besatzung von 1:27 aufwiesen – schlechter als die meisten Trägerraketen. Es reichte nicht nur, die Problemstelle bei den Boostern zu beseitigen. Das gesamte Programm musste untersucht und die Sicherheit erhöht werden. Es erschien nun nicht mehr vertretbar, dass die Raumfähren für rein kommerzielle Einsätze starten und auch der Transport von wissenschaftlichen Nutzlasten sollte auf die beschränkt waren die nicht auf eine Trägerrakete ausweichen können.
Nach zweieinhalb Jahren startete erneut eine Raumfähre. Die ersten Flüge beförderten Raumsonden und das Hubble Teleskop ins All die seit Jahren auf einen Start warteten, doch bald nahm das Interesse ab, denn nun gab es wie angekündigt nur noch Missionen, die bemannt sein mussten. Meistens Flüge mit dem Spacelab oder andere Forschungsmissionen. Das Interesse der Öffentlichkeit an den Starts nahm ab, und auch die NASA lies alle Pläne das System weiterzuentwickeln fallen. In den neunziger Jahren gab es eine Renovierung der Flotte, vor allem um die Wartungskosten zu senken. So wurde die Zahl der Hitzeschutzkacheln gesenkt, die Shuttles erhielten ein neues Cockpit, die Haupttriebwerke wurden in mehreren Phasen durch zuverlässige Varianten ersetzt. Frühere Pläne für höheren Schub, leistungsfähigere Booster etc. also Maßnahmen die vor allem die Nutzlast steigerten wurden begraben. So gab es die Pläne für den leichteren externen Tank schon seit Beginn der Testflüge, doch eingeführt wurde er erst als die ISS aufgebaut wurde und ohne den 3 t leichteren Tank dies nicht möglich gewesen wäre.
Trotzdem konnten die Investitionen in Sicherheit und die Externalisierung der Wartung die Flugkosten der Flotte senken. Als dann 1993 das Shuttle-Mir Programm begann, war es, obwohl es die NASA viel Geld kostete propagandistisch ein voller Erfolg. Die Shuttles wurden der Öffentlichkeit als die Rettung der Mir gepriesen. Sie brachten Versorgungsgüter zur russischen Raumstation, im Austausch durfte ein Amerikaner sich an Bord der Station aufhalten. Langezeitmissionen waren nicht mit den Shuttles möglich.
Damit bekam auch ein anderes Projekt, das einer US-Raumstation, endlich die politische Unterstützung. Seit 1984 planten die USA die Station, sie war dem Kongress aber immer zu teuer. Nun, zusammen mit Russland bekam die NASA die Mittel, weil nun eine internationale Raumstation auch in die politische Landschaft passte. Sie bestimmte das Shuttle zum alleinigen Beförderungsmittel für die Elemente und bot es auch den internationalen Partnern an, eine Offerte, die Japan und Europa gerne annahmen.
Ursprünglich für den Aufbau und die Versorgung einer Raumstation entworfen, schien es als hätte nun endlich die Fähre ihre Bestimmung gefunden und die NASA arbeitete nun sogar wieder an Verbesserungen der Triebwerke oder Plänen für verlängerte Booster um die Nutzlast zu erhöhen, denn es zeigte sich bald, dass die Fähren mit dem Ausbauplan überfordert waren, obwohl es nun praktisch keine anderen Missionen mehr gab. Doch bei der vorletzten Nicht-ISS Mission schlug erneut das Schicksal zu….
Stellen wir uns vor, die USA würden einen neuen Shuttle bauen: Wegwerfbooster aus Kohlefaser, Man-rated Wasserstoff-Sauerstoff-Triebwerke am Aussentank, Schleudersitze für die Besatzung wie bei den ersten 4 Starts, (es müssen ja nicht mehr als 4-5 Leute mitfliegen) damit wenigsten ab der 10 Flugsekunde in Kombination mit Druckanzügen eine Überlebensmöglichkeit besteht, 2 kleine Düsentriebwerke um die Autonomie bei der Landung zu erhöhen und genügend Flügelfläche für Aufsetzgeschwindigkeiten unter 260 kmh; die Gewichtseinsparungen bei Verzicht auf Bergungsfähigkeit der Booster, bei symetrischer Anordnung der Triebwerke und Verwendung moderner Materialien in allen Bereichen würde genügend Nutzlast ermöglichen. Zudem würde der Start wahrscheinlich nicht mehr als 160 Millionen Dollar kosten.
Wie soll das gehen, wenn Du alles als „Wegwerfsystem“ auslegst? Das Shuttle wiegt heute 2000 t ist also rund 3-4 mal schwerer als eine Delta Heavy oder eine Atlas die beide mehr kosten als 160 Millionen Dollar, selbst die Falcon Heavy würde auf 2000 t hochskaliert mehr als 160 Millionen Dollar kosten. Ich halte das für Utopie.
Meine Überlegungen beziehen sich auf die reinen Hardware-Kosten beim Start; natürlich kostet die Startkampagne am Ende mehr. Das höhere Gewicht lasse ich nur bedingt gelten. Bei Serienfertigung mit rigoroser Kostenkontrolle lässt sich viel einsparen. Eine Ariane V gleicher Konzeption, aber mit doppeltem Startgewicht dürfte wegen dem höheren Treibstoffverbrauch oder doppeltem Materialeinsatz wohl kaum das Zweifache in der Anwendung kosten. Die horrenden Kosten beim Shuttle hatten nichts mit seinen Abmessungen oder seinem Gewicht zu tun, sondern wurden ja von dem Heer nicht schlecht bezahlter Spezialisten verursacht, die mit gigantischem technischen und bürokratischen Aufwand dafür zu sorgen hatten, daß ein ohne ein Rettunssystem konzeptiertes Raumschiff nicht eine weitere nationale Tragödie hinlegt. Eine jedesmal neue Rakete, die man ähnlich der Energia auch als Schwerlastrakete verwenden könnte, Verzicht auf ein paar Tonnen Nutzlast zugunsten Rettungssystem und flexibleren Wiedereintritt beim bemannten System würden diesen Aufwand drastisch reduzieren. Zudem könnte ein solches Shuttle von mehreren Nationen oder Organisationen betrieben werden, da es vom Startsystem unabhängig wäre. Die Amis sorgen für den Start und die Maschinen kehren aus der Umlaufbahn direkt in ihre Betreiberländer zurück. Zusammenarbeit in Herstellung und Betrieb wären natürlich Voraussetzung. Utopie?
Wie berechnest Du die reinen Hardwarekosten? Wenn ich die Hardwarekosten die ich kenne (nur für SRB, Tank und Triebwerke) addiere komme ich schon auf bedeutend mehr als 160 Millionen Dollar.
Es gibt zwar sicher keine lineare Abhängigkeit zwischen Startgewicht und Kosten, aber in der Tendenz ist eine schwerere Rakete teuerer, einfach weil ein größerer tank teurer ist, schubstärkere Triebwerke ebenso etc.