Die Stiefkinder des Sonnensystems – Teil 2

Teil 1 des Aufsatzes erschien gestern. Heute geht es weiter dort wo dieser aufhörte….

Nur eine Wiederholung von Voyager wird jedoch nicht begründbar sein. Doch es gibt etwas was Voyager nicht leistete und das war die Mitführung einer Atmosphärensonde. Bislang wurde eine von Galileo abgesetzt. Sie würde uns Daten über die Atmosphären der Planeten liefern. Ein Nachbau der Eintauchsonde von Galileo mit moderner Instrumentierung und kleinem Hitzeschutzschild (da neunmal weniger Energie abgeführt werden muss) wäre ausreichend. Da man beide Sonden näher als Galileo an die Planeten heranführen kann, schließlich soll keine in eine Umlaufbahn eintreten, wird auch die Datenmenge bedeutend größer sein und so resultiert auch hier ein Erkenntnisgewinn.

Vor allem ist diese Sonde absolut notwendig, wenn später tatsächlich mal ein Aerocapturemanöver geplant ist. Dieses nur aufgrund von theoretischen Modellen der Atmosphären durchzuführen erscheint riskant.

Wünschenswert wäre dies auch bei Saturn, auch steht im gleichen Zeitraum (ab 2019) Saturn in einer günstigen Position für einen Vorbeiflug und danach weiter zu Uranus/Neptun. Problematisch ist nur, das bei einem Flug über Saturn die Startgeschwindigkeit nochmals höher ist und es nicht möglich ist zwei Eintauchsonden mitzuführen. Eine weitere Vorbeiflugsonde nur für Saturn, der ja schon von Cassini gut erforscht wäre, ist aber nicht zu rechtfertigen. Nur ein Transfer Jupiter-Saturn-Uranus (oder Jupiter-Saturn-Neptun), der ab 2017 möglich ist, wäre denkbar und heute mit einer Trägerrakete möglich.

Der Plan

JupiterSinnvoll ist der bau zweier identischer Vorbeiflugsonden, die man als „Voyager Mark II“ ansehen könnte. Also in etwa derselben Gewichtsklasse (rund 800 kg) und Instrumentierung (rund 100 kg). Genauso wie Voyager sollte eine Instrumentensuite mitgeführt werden die alles untersucht: Fernerkundungsinstrumente, Instrumente zur Untersuchung von Plasmawellen und Magnetfeldern, Detektoren für geladene Teilchen und Staub. Natürlich angepasst an die heutige Technologie. So wäre eine größere Antenne denkbar (4,5 m anstatt 3,7 m Durchmesser), K-Band Sender würden S-Band Sender ersetzen. Die Datenverarbeitung würde modernisiert werden. Wahrscheinlich würde die Raumsonde wie heute alle keinen Schwenkarm mit Instrumenten mehr besitzen, sondern sie dürften fest angebracht sein. Vier Stirling-RTG würden rund 440 Watt an Strom liefern. Die Sterling Technologie dürfte die kosten für das Plutonium radikal reduzieren.

Mindestens eine Eintauchsonde wird mitgeführt. Sie wird etwa 6 Monate vor dem Vorbeiflug abgetrennt, danach bremst die Raumsonde leicht ab, damit sie den Planeten etwa 2 Stunden später erreicht. Basierend auf der Galileo Eintauchsonde dürfte sie etwa 300 kg wiegen (die von Galileo war schwerer, doch ein Großteil entfiel auf den Hitzeschutzschild, der nun deutlich kleiner dimensioniert werden kann). das macht zusammen eine Raumsonde von 1050 bis 1100 kg Startgewicht bei einer Eintauchsonde und rund 1.400 kg bei zwei Eintauchsonden.

Sie kann damit mit der Atlas 531 mit PAM-D Oberstufe zu Jupiter gestartet werden. Mit zwei Eintauchsonden und dem Kurs Jupiter-Saturn-Uranus/Neptun geht ein Start mit der Atlas 541 (knapp) oder 551 (rund 100 kg Reserve).

Beim nominellen Plan würde 2019/20 die erste Sonde über Jupiter zu Neptun aufbrechen und ihn nach rund 9-10 Jahren erreichen. 2021/23 würde die zweite folgen und Uranus nach rund 6-7 Jahren erreichen, also beide Raumsonden in etwa um das Jahr 2028-2030. Beide Raumsonden kann man an einem Mond nahe vorbeilenken. Für die Neptunsonde kommt hier nur Triton in Frage – der Mond ist rund fünfmal größer als der nächst kleinere und geologisch aktiv. Beim Uranusssystem ist wegen der Geometrie nur ein Mond nahe passierbar. Meine Wahl würde auf den fallen, der von Voyager in der größten Entfernung fotografiert wurde, also Oberon.

Anfangs senden beide Sonden in Realzeit. Je näher sie dem Planeten kommen, desto mehr Daten legen sie auf den Speichern an. Ziel sollte eine sehr nahe Passage sein, welche die Bahn stark krümmt. Der Grund: Dann erscheint der Planet auch nach der Passage nicht als Sichel,. sondern als „Halbplanet“ und es gibt nach der Passage ebenso Gelegenheit Beobachtungen zu machen. Einige monate nach der Passage ist diese Beobachtungszeit beendet und die Raumsonde kann beginnen im K-Band mit hoher Sendestärke (die Instrumente sind nicht aktiv und brauchen keinen Strom) die Daten von den SSD übertragen. Eine 256 GByte SSD hat z.B. die Speicherkapazität von 400.000 Voyager Bildern. Durch die kombination von großer Antenne, K-Band und starken Sendern ist diese Datenmenge auch realisierbar. (Nicht für Realzeitdaten, da das K-Band sehr wetterempfindlich ist. Würde man nur das K-Band nehmen, so müsste man alle Daten die übertragen werden auch speichern um bei Wetterproblemen sie am nächsten Tag übertragen zu können. Die NASA rechnet mit einer Verfügbarkeit des K-Bandes nur zu 80%, beim X-Band sind es über 97%).

Beim Start mit jeweils zwei Eintauchsonden wäre sogar folgendes Möglich:

  • Eine Raumsonde fliegt zu Jupiter, trennt dort die erste Eintauchsonde ab, wird beschleunigt zu Neptun. Trennt dort die zweite Eintauchsonde ab.
  • Die zweite fliegt zu Jupiter, er lenkt sie um zu Saturn, wo die erste Eintauchsonde abgetrennt wird und dieser zu Uranus, wo die zweite Eintauchsonde abgetrennt wird.

Das hat zwei Vorteile: Eine solche Eintauchsonde ist technisch nicht sehr komplex. Zwei weitere kosten also nicht viel mehr, und zwei Feststoffbooster erhöhen auch die Startkostend er Atlas kaum. Dafür hat man:

  • atmosphärische Daten von allen vier Gasriesen durch direkte Messung
  • Fernerkundungsdaten und direkte Messungen von allen vier Planeten durch identische Instrumente

der letzte Vorteil ist nicht zu unterschätzen. Wer tatsächlich einmal Messdaten verschiedener Messgeräte vergleichen muss der hat immer das Problem, das jedes eine andere Empfindlichkeit, andere „Eigenheiten“ (Rauschen, Störungen) hat wenn man den Sprung zu Galileo und Voyager macht – dass sich in 30 Jahren die Fähigkeiten der Instrumente drastisch geändert haben. Das ist wie wenn sie die Farbechtheit von alten Videofilmen aus den Achtzigern mit denen von heutigen vergleichen. Das ist ein enormer Vorteil, der nicht an den Kosten scheitern sollte,

Kostenabschätzungen

Voyager 1+2 kosteten bis zum Start 356 Millionen Dollar. Das entspricht inflationskorrigiert rund 1.100 Millionen Dollar im heutigen Wert. Dazu kämen zwei Atlas 551 (460 Millionen Dollar), die SRTG (90 Millionen Dollar, geschätzt aus der Plutoniummenge und dessen Kosten), die Atmosphärensonden (je 132 Millionen Dollar im Wert von 1989 = 875 Millionen Dollar im Wert von heute. Dazu kämen noch die missionskosten selber, die man aber heute senken kann, indem die Raumsonden weitgehend im Schlaf sind. Auch glaube ich sind vier Kapseln preiswerter weil der Hauptanteil auf die Entwicklung entfällt und so die folgenden drei vielleicht nur nur 50% der ersten kosten. Realistisch wären also 2.200 Millionen Dollar für Zwei Flugsonden, vier Kapseln, zusammen mit den Missionskosten liegt man dann etwa in der Größenklasse des MSL. (2,5 Milliarden Dollar) Nicht zuviel für eine anspruchsvolle Mission die vier Planeten besucht. Nur zwei Eintauchsonden würden sie nur um 260 Millionen Dollar preiswerter machen.

6 thoughts on “Die Stiefkinder des Sonnensystems – Teil 2

  1. Hallo,

    Es wäre eine tolle Sache, wenn die NASA-Stategen vorstehend ausfgeführte Mission mit zwei Flugsonden und vier Atmospherensonden durchführen würden. Die Wahrscheinlichkeit spricht wohl eher dagegen, doch denke ich, dass es durchaus in absehbarer Zeit Orbitalsonden für Uranus und Neptun geben könnte und zwar weil letztlich in hohem Maße auch politische Erwägungen bei der Planung bei der Auswahl von Weltraummissionen eine Rolle spielen.
    Meine Überlegung ist nun die, dass in der Nachfolge des Shuttles eine Schwerlastrakete ähnlich der Ares 5 wohl zwingend kommen wird. Und diese Rakete wird nicht nur eine Übergangslösung sein wie die Saturn 5, die nur für Apollo gut war und im Anschluß durch etwas besseres, nämlich den Shuttle ersetzt werden sollte, der sämtliche Transport in den Weltraum billiger und zuverlässiger übernehmen sollte. Daraus wurde zwar nichts, wie jeder weiß, doch obwohl dies spätensten nach 5 Jahren mit dem Verlust der Challenger offenbar wurde, war der Shuttle 3 Jahrzehnte im Einsatz. Dies war wohl aus dem einfachen Grund so, dass es keine Alternativen gab, wenn man nicht zur einer Schwerlastrakete, wie man sie bereits hatte, zurückkehren wollte. Eben dies will man nun auch tun und die Frage stellt sich, wofür eine solche Rakete denn gut sein soll. Man könnte sie für ein langfristig orientiertes bemanntes Mondfprogramm einsetzen – aber das soll ja nicht kommen. Man könnte Riesenraumstationen mit 100 t-Elementen errichten, aber die USA wollen sich ohnehin aus der ISS am liebsten zurückziehen. Also fliegt man bemannt zu Asteroiden – doch wie oft will man das machen? Das Shuttle konnte jedes Jahr zu vier oder fünf oder wieviel Missionen starten, die nur die wenigsten noch zur Kenntnis nahmen. Doch zwei, drei oder viermal jährlich zu einem Asteroiden starten. Wie lange läßt sich das durchhalten? Bestimmt keine 30 Jahre! Aber ähnlich dem Shuttle muss die neue Schwerlastrakete schließlich fliegen. Hier bieten sich interplanetare Flüge geradezu an, die man mit bisherigen Raketen nicht realisieren konnte. Auch ließe sich bei Flügen zu Jupiter oder Saturn viel Zeit sparen. Und überhaupt: Womit ließe sich die amerikanische Führungsrolle besser unterstreichen – vor allem gegenüber neuen Raumfahrtmächten wie China, die wohl mittelfristig gerne mit den USA gleichziehen wollen.

    Also die Frage: Was wäre denn an Missionen mit einer neuen Schwerlastraketes machbar? Bestimmt würden sich hier ganz neue Perspektiven auftun.

    Mit besten Grüßen

  2. Ich verstehe deine Argumentationskette nicht. Eine Schwerlastrakete hat mit dem Shuttle nichts zu tun. Das Shuttle hat eine maximale Nutzlast von rund 25 t, die mit zunehmender Bahnhöhe abnimmt. Schon bei der ISS ist sie nicht höher als bei der Titan 4, die es als Alternative damals gab.

    Eine neue Schwerlastrakete benötigt man nur für bemannte Unternehmen außerhalb des Erdorbits. Sie selbst würde aber unbemannt gestartet werden. Da ich keine bemannten Unternehmen außerhalb des Erdorbits 1986 beim Verlust der Challenger kenne verstehe ich nicht wie sie hier irgendwie nützlich sein sollte.

    Die Saturn sollte nie eine Übergangslösung sein. Sie wurde es weil man alles was nach Apollo kommen sollte und wofür sie vorgesehen war gestrichen hat.

    Die Asteroidenmission ist eine Schnapsidee, wie hier schon mal beleuchtet:
    http://www.bernd-leitenberger.de/blog/2011/07/10/schnapsidee-bemannte-asteroidenmission/

    3-4 pro Jahr geht schon deswegen nicht weil es nicht so viele erreichbare Ziele gibt.

  3. Hallo,

    Eine Schwerlastrakete ist mit dem Shuttle insofern vergleichbar, als sie ähnlich dem Shuttle für einen wohl längeren Zeitraum das Rückrad der US-Raumfahrt bilden soll (auch wenn die rein technischen Aspekte sehr unterschiedlich sind). Das wird allein deswegen so sein, weil die NASA ihre Tätigkeit mit dem Wegfall des Shuttles nicht ersatzlos einstellen wird. Da es keine bemannten Mondflüge geben wird und der Mars (zeitlich) noch weit entfernt ist, stellt sich die Frage, was man bis dahin mit dieser Rakete tun will. Obama selbst hat sich meines Wissens geäußert, dass mit einer solchen Rakete ein neues Zeitalter der Weltraumforschung anbrechen wird. Der Gedanke, eine Schwerlastrekete für neue interplanetare Missionen einzusetzen, existiert also bereits. Und was will man anderes machen, wenn man diesen Träger nicht nur bauen, sondern auch einsetzen will?

  4. Nun ja, ob dem so kommen wird ist zu bezweifeln. Derzeit gibt es nur ein Technologieforschungsprogramm für eine Schwerlastrakete, aber keinen Einsatzzweck´und es wird auch keine entwickelt. Das ist de Unterschied zum Shuttle. Der hatte einen (auch wenn er sicher mehr Prestigeobjekt als Träger war).

    Für eine Schwerlastrakete wird man kaum wissenschaftliche Nutzlasten finden. Sie ist einfach zu groß dafür. Selbst wenn sie preiswert sein sollte, so werden Nutzlasten im Zig-Tonnen Bereich es nicht sein.

    Für Orbitermissionen um die äußeren Planeten braucht man sie nicht. Das Hauptproblem ist nicht die Nutzlast zu Uranus/Neptun zu schicken, sondern dort angekommen reicht der chemische Antrieb nicht aus die Überschussgeschwindigkeit wieder loszuwerden – außer man lässt sich auf extrem lange Reisezeiten von 15-30 Jahre ein.

  5. Der Gedanke, eine Schwerlastrekete für neue interplanetare Missionen einzusetzen, existiert also bereits. Sicher, aber Kunst kommt von Können, nicht von Wollen.
    Für unbemannte Missionen ist so ein Monster zu groß, und für bemannte zu klein. Immerhin würde ein Flug zu einem Asteroiden mindestens ein Jahr dauern. Dafür sind nicht nur deutlich mehr Vorräte (samt Stauraum) nötig als für eine Mondmission, auch die Abschirmung vor der kosmischen Strahlung muß bei längeren Flügen deutlich besser und damit schwerer sein.
    Theoretisch wäre es zwar möglich, die nötige Masse auf mehrere Starts zu verteilen und im Orbit zusammenzubauen. Erfahrung hat dafür man ja durch die ISS schon. Fragt sich nur, wer das bezahlen soll. Etwa die NASA, die immer mehr mit immer weniger Geld machen soll?
    Die einzig mögliche und noch halbwegs bezahlbare Anwendung wäre ein bemanntes Mondflugprogramm. Aber genau das will man ja ausdrücklich nicht.

  6. Das zeigt doch klar, dass ein schlüssiges Konzept für Ziele der NASA her muss.

    Es ist schlicht und ergreifend Blödsinn, Geld in die Emtwicklung einer Schwerlastrakete zu stecken, wenn man keinen blassen Schimmer hat, was man denn damit machen will.

    Das Ares-1 Desaster hat 9 Mrd. $ für die Entwicklung gekostet und weitere 2,5 Mrd.$ sollen für den Rückbau (!!!) der bereits dafür modifizierten Startrampen ausgegeben werden.
    Genau das gleiche wird mit der Schwerlastrakete passieren.

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