Geiz ist geil
Die Werbebotschaft ist zwar nun nicht mehr Bestandteil der Saturn-Werbung, aber es trifft doch die deutsche Mentalität. Es muss billig sein. Man muss sparen. Wir haben ja nichts zu verschenken und wer mehr bezahlt als nötig ist entweder reich oder dämlich, weil er nicht fähig ist das billigste Angebot zu finden.
Politiker sind ja seit zwei Jahrzehnten dabei die Dienstleistungsgesellschaft zu propagieren, also immer weniger sind im produktiven Gewerbe tätig und immer mehr bringen Dienstleistungen, dazu gehört eben Service, Bedienung, Beratung. Nur klappt das nicht bei einer Gesellschaft bei der Sparen das höchste ist und es billig sein muss. Das führte dann zu einer Explosion der 400 Euro Jobs, die dann zwar viel mehr in Arbeit bringt, nur können die nicht davon leben und sie zahlen kaum was in die Kranken- und Rentenversicherung ein, was deren Situation verschlimmert und bei der Rentenversicherung dann auch in Zukunft die Leute von Sozialhilfe abhängig machen wird.
Ich kann mich noch erinnern, dass ich in der fünften Klasse recht erstaunt war, dass im englischen „cheap“ ein abwertender Begriff ist, während ich „billig“ nur positiv besetzt kannte. Bei uns ist das Gegenstück zu „inexpensive“, also eigentlich „nicht teuer“ ja auch nicht „billig“ sondern „Preiswert“. Also es ist seinen Preis wert, vielleicht nicht teuer, aber es ist eben nicht billig. Es heißt ja auch „Das ist nicht mehr als recht und billig“, wobei damals (vor dem 18-ten Jahrhundert) „billig“ noch eine andere Bedeutung hatte.
Die Folgen sind unübersehbar. Eine Gesellschaft in der alles billig sein muss, ist eine in der in dem für den Endbenutzer produzierenden Gewerbe ein enormer Preisdruck herrscht, der schlussendlich auf den Lohnkosten ausgetragen wird, die man wenn alles automatisiert ist als einzige noch drücken kann, Oder es wird eben am Service gespart, an der Bedienung, Beratung.
Ist nun das Gegenteil richtig? Nicht unbedingt. Ich möchte auch nicht immer Service haben, manchmal ist er mir sogar peinlich. Vor einigen Jahren war ich im Weihnachtstrubel im Real, eigentlich nur für einen normalen Einkauf. Damit die Kassen schneller die Kunden durchschleusen konnten hatte der Markt Schulkinder angestellt, die die Tüten der Kunden packten, damit diese gleich zahlen konnten und nicht durch Packen die Schlange aufhielten. Mir war das peinlich. Ich wollte das auch nicht. Ich denke ich bin auch mündig genug zu entscheiden wo ich Service brauche und wo nicht.
Ich gestehe: ich bin auch da typisch deutsch und ich ärgere mich manchmal wirklich wenn ich zu viel ausgebe. Ich unterscheide recht deutlich zwischen Service von dem ich was habe und unterschiedlichen Preisen für die gleiche Qualität. Das liegt vor wenn ein namhafter Hersteller auch für Discounter oder No-Name Marken produziert, was ja eigentlich der Normalfall ist – ALDI , LIDL & Co haben keine eigenen Werke, sondern lassen Produzieren. Ich habe bei Pfanni die ALDI Packungen gesehen, andere Beispiele sind Müller-Milch (Milbona) oder Koppenrath und Wiese (ALDI). Wenn ich Service brauche bezahle ich auch dafür, aber dann möchte ich eben auch einen Nutzen haben. So wird dieses Frühjahr ein neues Fahrrad fällig. Mein ganz altes, (ich habe immer zwei) wurde Opfer des Sturms über Neujahr als es aus dem Ständer gerissen wurde und nun einen Achter vorne hat. Weil auch die Gänge nicht mehr alle gehen wird nun ein neues fällig. Das kaufe ich beim Fahrradhändler vor Ort, obwohl dessen Auswahl bei den Rädern die ich brauche (als Last- und Transportfahrrad und nicht als Freizeitgerät) nicht so groß ist. Ich bekomme dann ein sauber eingestelltes Fahrrad und auch eine Beratung und ich kann es mir in Natura ansehen und untersuchen.
In letzter Zeit überlege ich ob ich nicht zumindest bei Fleisch und Wurst ganz auf Bio umsteigen soll. Die Zustände in der Massentierhaltung, die Tiertransporte quer durchs Land sind ja bekannt und der Gesetzgeber tut nichts dagegen. So kann man als Verbraucher wenn man das nicht haben will ja eigentlich nur „Bio“ kaufen. Das verrückte dabei ist: Bio bekomme ich in meinem Ort nicht bei den beiden Metzgern, sondern nur bei ALDI. Okay, da ist es auch nur ein Teil des Sortiments, aber immerhin. Aber es wird mehr und mehr und das ist positiv.
Kein Wunder, denn was unsere Regierung als Wirtschaftsförderung verkauft, ist nichts weiter als Lohndrückerei. Und damit Vernichtung von Kaufkraft. Was sich dann wieder auf den Binnenmarkt auswirkt, und mit Entlassungen die Kaufkraft noch weiter verringert. „Geiz ist geil“ ist damit staatlich verordnet. Außer bei den Diäten…
Ich könnte jetzt seitenlang, da ich ja auch in dieses System eingebunden bin….
Aber um es kurz zu machen:
Vergleiche die erste Hälfte deines Beitrags (dem ich voll zustimme) mit dem letzten Abschnitt. Da Du das System kennst überlege dir die Entwicklung, die daraus resultiert.
Man kann zu Bio stehen wie man will, aber was aus Bio wird, wenn die Discounter die größten Distributoren werden hat man an der konventionellen Ernährungswirtschaft gesehen.
Grüsse, Bernd
Discounter orientieren sich nach der Nachfrage. Ich habe ja selbst geschrieben, dass ich es gerne im Fachhandel kaufen würde. Das die Nachfrage aber ansteigt, weil die Leute kritischer werden dürfte klar sein. Vielleicht steigt ja einer der beiden Metzer zumindest auf Bio um, aber sonst habe ich da nur die Garantie, dass es keine langen Tiertransporte gibt, aber ich weis auch nichts über die Haltungsbedingungen. So haben wir einen Bauer hier mit Tierzucht. Da sieht man auch nur den Stall, keine Tiere draussen und wie dort die Zustände sind weiß ich auch nicht. Regional heißt daher nicht unbedingt artgerecht. Es gibt anscheinend eine neue Form von Tierhaltung mit Siegel die ist konventionell, aber mit besseren Bedingungen. Zeit sich das mal genauer anzusehen.
Als Schweizer, der Norwegen wohnt, bin ich gewohnt mit den zwei teuersten Ländern der Welt.
In der Schweiz gibt es die „Geiz ist geil“-Mentalität nicht. Die Leuten sind bereit mehr zu bezahlen, wenn das Endprodukt stimmt. Zusätzlich gibt es super-billig nicht. Bsp: Meine Schwester hat zwei deutsche Kolleginen, die jetzt in der Schweiz wohnen. Natürlich dachte deren Verwandschaft, man kann jetzt billig Schweizurlaub machen. Der Besuch wurde zur Migros (Einkaufkette) geschickt, dort ging das Drama los, weil alles doppelt so teuer war wie Deutschland. Da der Laden einigermassen ordentlich aussieht, dachten diese es gäbe sicher irgendwo billiger, was nicht der Fall ist. Auch wenn man zum ALDI in der Schweiz geht, ist es vielleicht 5-10% günstiger als die anderen, aber sicher immer noch doppelt so teuer als ALDI in Deutschland.
Meine Schwester ist dann vor 1.5 Jahren nach Stuttgart gezogen. Das erste mal im Supermarkt dachte sie das ihren Einkauf würde 30 € kosten, was aber schlussendlich nur 12 € war. Von ihren Kollegen muss isch dann anhören, dass sie ja wahnsinnig sei, im EDK einzukaufen, weil es zu teuer ist. Im Dezember war ich bei ihr zu Besuch, und im Vergleich zu Norwegen ist in Deutschland alles ultra billig. (Der geschätzte 50 € Einkauf war dann nur 15 €)
Zu Norwegen: Dort gibt es billig nicht, irgendwie scheint alles einen Mindestpreis zu haben. Kauft man aber die teureren Sachen ein, ist es nur ein bisschen teurer als den Rest von Europa. Vieles ist teurer, weil es satte 25 % Mwst hat (Schweiz: 8.1%). Beim Alkohol, Autos und anderen speziellen Gütern gibt es sonder Regeln und noch mehr Steuern. Die Löhne müssen entsprechende auch höher sein, dass man überhaupt überleben kann. Aber es scheint mir, dass die Leute dann nicht mehr wissen, wenn es sie übers Ohr gezogen werden.