The Big Dump Booster

Unter diesem Titel läuft das Konzept das Peter Lange vorschwebt, schon seit Jahrzehnten in der US-Raumfahrt. Ich habe erstmals 1987 nach der Challenger Katastrophe davon gehört. Die Grundidee: ein einfacher aber preiswerter Träger solls richten. Also fangen wir mal an zu rechnen.

Die Grundidee: Wir haben einen rein druckgeförderten Träger. Wir verzichten auf Turbopumpen und Gasgenerator. Der Druck in den Tanks muss ausreichen. Charakteristisch für ein solches Konzept ist, dass der Tankdruck abnimmt, weil sich die Tanks entleeren. Damit dies nicht extreme Werte erreicht, können wir den Tank nur teilweise füllen. Bei der OTRAG war er zu zwei Dritteln gefüllt, das senkt den Tankdruck (und damit auch den Schub) auf ein Drittel ab. Das ist so das Maximum was zulässig ist, sonst können wir keinen Orbit erreichen, weil die Beschleunigung zu gering ist, den mit dem Tankdruck korrespondiert auch die Schubabnahme auf ein Drittel. Natürlich wären andere Füllungsgrade denkbar wie nur halb gefüllt (Schubabnahme auf die Hälfte).

Damit die Tanks dem hohen Druck aushalten können, müssen sie kugelrund sein. Sonst würde der Druck sie zu stark verformen. Die Rakete hat dann in etwa die Gestalt der N-1, also einer Pyramide. Eine Zwischentanksektion verbindet die kugelförmigen Tanks. Diese werden der Größe nach angeordnet. Bei LOX/Kerosin oder NTO/Hydrazin unten der Oxidatortank, oben der Tank des Verbrennungsträgers.

Das Triebwerk ist wohl die größere Herausforderung. Bisher sind druckgeförderte Triebwerke auf etwa 30 kN Schub beschränkt. Das liegt aber nicht prinzipiell an der Technologie, sondern, daran, das es günstiger ist größere Triebwerke mit Turbopumpen zu bauen, weil bei großen Stufen die Tanks sonst schwer werden. Nehmen wir mal an es würde klappen. Wir müssten ein großes Triebwerk kühlen, dass ginge regenerativ, also wie bisher mit Kühlrippen, eventuell auch durch Sublimationskühlung (Beschichtung der Wand) mit einer Filmkühlung indem man an der Außenseite den Verbrennungsträger einspritzt und so eine reduktive, kühle Zone schafft, ich würde aber nicht drauf wetten, dass es bei einem großen Triebwerk klappt. Ich gehe mal von einem moderaten Schub:Gewichtsverhältnis von 40 aus (üblich sind heute Werte von >80 für große Triebwerke).

Bei den Tanks ist es recht schwer Parameter zu finden. Bei der OTRAG waren es je nach Quelle 0,38 bis 1,00 mm starke Tanks. Der Maximalbetriebsdruck betrug 30 bar, der Sprengdruck bei 0,38 mm Wandstärke 40,5 bar (nach Ruppe). als zweites Vergleichskriterium gibt es die Druckschalen der Pionier Venussonden die 3 mm stark waren, aus Titan bestanden und mindestens 90 bar aushielten, wahrscheinlich mehr, schließlich braucht man Sicherheitsspielräume. Ich gehe im folgenden von 2 mm Wandstärke aus Stahl für einen Maximaldruck von 120 Bar aus.

Als Treibstoff habe ich LOX/Kerosin gewählt. So nun mal an das Design:

  • Zwei Stufen.
  • Stufenverhältnis zirka 5:1
  • Maximaldurchmesser erste Stufe: 5,40 m
  • LOX/Kerosin 2,6 zu 1
  • Dichte LOX 1,14
  • Dichte Kerosin 0,82
  • Tanks zu zwei Dritteln voll
  • Anfangsdruck: 120 bar, abnehmend auf 40  bar
  • Brennkammerdruck: 100 bar, abnehmend auf 33 Bar

So komme ich auf folgende Daten: Die Treibstoffmasse wird durch den größten Tank definiert, das ist der LOX-Tank der ersten Stufe mit 62,6 t LOX (5,40 m Durchmesser). Darüber liegt der Kerosintank mit 24,1 t Kerosin (4,40 m Durchmesser). Die zweite Stufe hat entsprechend 12,5 t LOX (3,20 m Tankdurchmesser) und 4,8 t Kerosin (2,00 m Durchmesser).

Die Tanks wiegen dann 1.470 kg / 975 kg und 515 / 202 kg. Rechnen wir noch 500 kg und 100 kg für eine Zwischentankverbindung hinzu, dann haben wir ohne Triebwerke und Steuerung eine Strukturmasse von 2.950 und 820 kg für die beiden Stufen. Geht man von einer Startmasse von 120 t und einer Anfangsbeschleunigung von jeweils 1,3 g aus, so beträgt der benötigte Schub etwa 1560 kN und 300 kN.

Bei einem Schub/Gewichtsverhältnis von 40 beträgt dann das Triebwerksgewicht 3.900 kg und 750 kg. Dazu kommt dann noch das Schubgerüst, Steuerungsraketen und der Stufenadapter sowie die Druckuft. Dann kommt man zu folgender Gewichtsbilanz:

Oberstufe: Steuerung und Bordcomputer 500 kg
Oberstufe: Kerosintank: 5.002 / 202 kg
Oberstufe: LOX Tank 13.150 / 525 kg
Oberstufe Zwischentanksektion 100 kg
Oberstufe: Triebwerk mit Schubrahmen 1.000 kg
Oberstufe Startmasse: 19627 kg
Oberstufe Trockenmasse 2327 kg
Druckluft: 1105 kg
Erststufe: Steuerung und Stufenadapter: 700 kg
Erststufe: Kerosintank: 25.075 kg / 975 kg
Erststufe: LOX-Tank: 64.070 kg / 1.470 kg
Erststufe: Zwischentanksektion: 500 kg
Erststufe Triebwerk mit Schubrahmen: 5.000 kg
Erststufe: Startmasse: 95.345 kg
Erststufe: Trockenmasse 8.645 kg
Druckluft: 6.580 kg

Wie man sieht macht schon die Druckluft hier einiges an Gewicht aus. Sie ist bei der Trockenmasse zu berücksichtigen. Dazu noch später mehr. Der spezifische Impuls ist nach FCEA Simulationen im ungünstigeren Fall (eingefrorenes Gleichgewicht) folgender:

Anfangsdruck: 100 bar Enddruck: 34 bar
Erststufe: Expansionsdüse :Flächenverhältnis 50 3.300 m/s 3230 m/s
Oberstufe, Expansionsdüse, Flächenverhältnis: 200 3.430 m/s 3.360 m/s

Aufgrund der hohen Trockenmasse wäre die Leistung dieser Rakete bescheiden – lediglich 1.100 kg Nutzlast. Kein Wunder bei einer Brennschlussmasse der Oberstufe von 3432 kg. Auch die Druckluft zählt als Totmasse (sie liefert noch einen kleinen Schub wenn der Treibstoff verbraucht ist, doch das ist vernachlässigbar). Daher ist die erste Optimierung das gleiche wie bei der OTRAG – wir senken den Druck. Dann benötigen wir weniger Druckluft und auch die Wandstärke wird geringer. Hier die Werte für 36 Bar Anfangsdruck und 12 Bar Enddruck (1 mm Wandstärke)

Oberstufe: Steuerung und Bordcomputer 500 kg
Oberstufe: Kerosintank: 4.900 / 100 kg
Oberstufe: LOX Tank 12.870 / 270 kg
Oberstufe Zwischentanksektion 100 kg
Oberstufe: Triebwerk mit Schubrahmen 1.000 kg
Oberstufe Startmasse: 19.370 kg
Oberstufe Trockenmasse 1.970 kg
Druckluft: 368 kg
Erststufe: Steuerung und Stufenadapter: 700 kg
Erststufe: Kerosintank: 24.590 kg / 490 kg
Erststufe: LOX-Tank: 63.340 kg / 740 kg
Erststufe: Zwischentanksektion: 500 kg
Erststufe Triebwerk mit Schubrahmen: 5.000 kg
Erststufe: Startmasse: 94.130 kg
Erststufe: Trockenmasse 7.430 kg
Druckluft: 2.190 kg

Der spezifische Impuls sinkt durch den geringeren Brennkammerdruck ab (3360/3290 und 3240/3170). Doch es lohnt sich: Die Nutzlast ist nun mit 2.400 kg mehr als doppelt so groß. Was sie noch limitiert ist die immer noch hohe Trockenmasse der zweiten Stufe von 2335 kg. Daher wäre eine ideale Konstruktion wohl dreistufig. Dann fällt die Trockenmasse weniger stark ins Gewicht. Mit 36 / 12 Bar sind wir aber schon bei einem Druck der bei Satellitenantrieben üblich ist. Die Frage ist dann natürlich die ob man weiter optimieren soll, z.b. anstatt Druckluft Helium einzusetzen (86% Gewichtseinsparnis bei der Druckluft. Bei der Oberstufe macht das schon mal 317 kg mehr Nutzlast aus.

Eine weitere Optimierung wäre es die Stufenmasse anzupassen, Ich bin von 5:1 ausgegangen, weil dies bei modernen LOX/Kerosin Stufen ungefähr am Idealpunkt liegt. Doch diese Rakete ist die Nutzlast gegenüber „normalen Modellen“ etwa um ein Viertel bis Drittel geringer. Optimal wäre sicher ein Stufenverhältnis von 7:1. Die um etwa ein Drittel kleinere Nutzlast ist der konzeptpreis. Vereinfacht kann man sagen – ist die Konstruktion um mehr las ein Drittel billiger als eine konventionelle Lösung, dann lohnt es sich.

Nun die letzte Frage die sich wohl jemand gestellt hat: Warum ich diesmal nicht LOX/LH2 verwende? Schließlich bin ich ja bekennender Wasserstofffan. Nun die Antwort ist relativ einfach: Der Treibstofftank würde enorm groß sein. Bei LOX/LH2 6 zu 1, hätte der Erststufenwasserstoffrank bei nur etwas mehr als 10 t Treibstoff einen Durchmesser von 7,57 m und würde 2035 kg (1 mm Wandstärke) bzw. 4070 kg (2 mm Wandstärke) wiegen. Dazu kommt dann noch die Druckluft die 9732 bzw. 3503 kg bei der Erststufe wiegt. (Bzw. man würde beim Wasserstofftank wohl gasförmigen Wasserstoff einsetzen, das wäre günstiger)

Ein weiterer Nachteil ist der abnehmende Schub. er erlaubt es nicht allzu schwere Oberstufen einzusetzen und bei LOX/LH2 wäre der ideale Stufenteiler wohl noch kleiner. Bei der hier vorgestellten Rakete sinkt der Schub der ersten Stufe von 1.560 kN auf rund 600 kN zum Brennschluss ab – nur noch rund das Doppelte des Startschubs der zweiten Stufe. Es ergibt sich eine lange Brenndauer von 197 s für den Antrieb. Ist die Oberstufe bei LOX/LH2 nun schwerer, so ist die Beschleunigung noch geringer und wir haben sehr hohe Gravitationsverluste, die dann wiederum die Endgeschwindigkeit erhöhen und die Nutzlast absenken.

Das alles sind so gravierende Nachteile, dass es sich kaum lohnen würde auf LOX/LH2 umzusteigen, da die Trockenmasse so viel größer ist.

Wenn ich von Nesselwang mal zurück bin schaue ich mal nach einer „optimierten Lösung“. Fürs erste sollte aber das genügen.

7 thoughts on “The Big Dump Booster

  1. Sehr interessanter Artikel! Etwas realistischer wäre meines Erachtens ein „Slightly Less Dumb Booster“: Eine externe Tankdruckbeaufschlagung. Dazu würden beide Tanks voll gefüllt. Zusätzlich würde ein dritter Tank mit Helium unter sehr hohem Druck (z.B. 600 bar) das Druckgas bereitstellen. Dieser würde Kerosin- und LOX-Tank vor dem Start mit z.B. 30 bar beaufschlagen und diesen Druck über die gesamte Brenndauer aufrecht erhalten. Dazu ist ein Ventil mit Gasdruckregler (Druckminderer) erforderlich.

    Vorteile:
    – Konstanter Tankdruck (-> ungefähr konstanter Schub & spez. Impuls)
    – Heliumvorrat nimmt weniger Volumen ein da unter sehr hohem Druck
    – Kerosin- und LOX-Tank werden vollständig gefüllt
    – Die Wandstärke kann optimal an den Tankdruck angepasst werden

    Nachteile:
    – Ein dritter Tank notwendig
    – Dieser weist für 600 bar eine sehr hohe Wandstärke auf

    Mag sein, dass die zusätzlich eingeführte Komplexität dem „Big Dumb Booster“-Ansatz widerspricht. Trotzdem vermute ich, dass ein solcher Kompromiss eher Sinn machen würde.

  2. Für den Brennstofftank müßte sich auch Wasserstoff als Druckgas eignen. Leichter und billiger als Helium.

    Bei einem externen Druckgastank könnte die Verwendung von Flüssiggas einiges Gewicht sparen (deutlich kleinere Druckbehälter, kein extrem hoher Druck erforderlich). Natürlich muß das erst verdampft werden, die nötige Wärme dafür ist ja am Triebwerk verfügbar.

    LOX könnte durch Verdampfung gleich selber den Druck erzeugen. Dazu braucht man nur die Brennkammer in den Oxydatortank einzubauen. Womit auch gleich die Kühlung der Brennkammer erledigt ist. Den Druck für den Brennstofftank könnte ein Behälter mit flüssigem Wasserstoff um die Schubdüse liefern. Allerdings läßt sich dann das Triebwerk nicht mehr schwenken. Es wären also noch extra Steuertriebwerke nögit.

  3. @Elendsoft

    Über Verdampfungsmöglichkeiten habe ich auch mal nachgedacht. Was mir dabei aufgefallen ist: Der Aufwand für eine solche Lösung ist recht gross, insbesondere ist die erforderliche Pumpleistung (durch den Verdampfer/Wärmetauscher) ziemlich hoch. Möglich wäre auch eine katalytische Zersetzung von flüssigem Lachgas (N2O) für die Druckbeaufschlagung des LOX-Tanks, wobei dann allerdings Stickstoff im LOX gelöst wird, was gewisse Probleme nach sich ziehen kann. Auch ein Feststoff-basierter Gasgenerator wäre theoretisch denkbar.

    Wenn wir nun schon von Pumpen und Wärmetauschern sprechen, ist es nicht mehr so weit zu einem konventionellen Triebwerk.

  4. Der Aufwand bleibt in Grenzen, wenn der Flüssiggasbehälter gleichzeitig der Wärmetauscher ist. Dann werden auch keine Pumpen gebraucht. Zugegeben eine etwas abenteuerliche Lösung. Um die Verdampfungsgeschwindigkeit zu verändern, müßten jedesmal die gesamte Kühlung des Triebwerks umgebaut werden. Das dürfte recht hohe Entwicklungskosten bringen.

    Ein Feststoff-Gasgenerator wurde schon bei der ersten Stufe der französischen Diamant eingesetzt, ist also durchaus möglich.

  5. Propan ist ein billiges Brenngas und enthält deutlich mehr Wasserstoff im Vergleich zu Kerosin.

    Der Tankdruck wäre bei 20°C 8,3 bar. Reicht das zum Befeuern der Brennkammer?

    Wenn man Lachgas als Oxidator nimmt, welches als Flüssiggas einen Dampfdruck von 50,6 bar hat, könnte man den kugelförmigen Oxidator-Tank innerhalb des Propan-Tanks unterbringen. Durch den geringeren Differenzdruck von nur 42 bar könnte der Oxidatortank dünnwandiger ausfallen.
    Oder man nimmt Ethan als Brennstoff, das hat 38 bar Dampfdruck, dann ist der Differenzdruck noch geringer, aber die äußere Tankhülle muß dicker sein. Das sollte dann auch als Förderdruck für die Brennkammer reichen.

    Aber wehe, der Oxidatortank hat ein Leck, dann entsteht durch Vermischung partiell Flüssigprengstoff.

  6. Die Treibstoffkombination Lachgas/Ethan mit Förderung unter des jeweils eigenen Dampfdrucks gibt’s tatsächlich von XCOR Aerospace und nennt sich XR-3E17. Das funktioniert aber nur für kleine Tanks in der Erdatmosphäre. Für grossvolumige Tanks und im Vakuum kann nicht genügend Wärme nachfliessen, so dass der Tankdruck rasch sinkt.

    Natürlich kann man wiederum nur teilweise befüllen oder Wärmetauscher einführen.

  7. Das Erhitzen von Treibstoff über Wärmeaustauscher an den Triebwerken ist heute schon Standard und wurde z.B. bei der Saturn V schon angewandt. Die Frage ist natürlich ob dies bei einem so hohen Tankdruck gehen würde. Von dem externen Heliumtank mit 600 bar (ich glaube derzeit sind eher max. 400 Bar üblich) halte ich nicht so viel. Vielleicht schon eher wenn man flüssiges Helium einsetzt. Aber das verlässt schon sehr das Konzept des einfachen Boosters.

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