Buchkritik: Brian Harvey: Russian Planetary Exploration

Mit dem beginnenden neuen Semester habe ich wieder Zeit zum Lesen und da habe ich mir schon im Dezember in den USA einige Bücher aus der Reihe „Springer Praxis Books“ bestellt. Bei einem US-Händler waren die sehr preiswert, nur 3-4 Euro pro Stück. Den Anfang machte obiges Buch von Brian Harvey. Wie der Titel schon sagt geht es um die Erforschung der Planeten durch Russland. Das Mondprogramm mit Lunik/Luna ist also ausgenommen. Nach einer kleinen Einleitung über die russischen Weltraumpioniere und frühe Forschungen in Russland geht es sofort los mit dem ersten Programm: Nach Ansicht des Autors 1MV, allerdings sonst in der Literatur als 1M bezeichnet. Neben der Geschichte wird auch die Raumsonde kurz besprochen, und es folgt eine Darstellung der Ergebnisse. Das geht so weiter bis zu den zukünftigen Projekten, wozu zum damaligen Stand (2007) auch Phobos Grunt gehört.

Ich habe das Buch auch gekauft um meine Aufsätze über Mars und Venera zu verbessern. Ein Quercheck zeigt, dass wenig vorhanden ist, das ich nicht schon erwähnt habe, die Stärke eines Buches ist aber auch mehr die Geschichte im Zusammenhang zu erzählen als ich mit den isolierten, missionbezogenen Aufsätzen. Allerdings gefallen mir auch einige Dinge nicht. Kleinere Probleme sind die Abbildungen die im Web in nur schlechter Qualität verfügbar sind und gedruckt wahrscheinlich auch nicht in besserer. Wenn man die einzelnen Pixel erkennen kann, dann hat man es wohl übertrieben. Viele Abbildungen hätten davon profitiert wenn man sie nicht auf eine halbe Seite gezoomt hätten. Das zweite ist die sehr komische Zahlenangabe wie 15m km, womit 15 Millionen km gemeint sind.

Was schwerer wiegt ist das es zahlreiche Unsauberkeiten in der Recherche gibt. Ich habe schon erwähnt, das er die getrennten Programme 1M und 1V zu 1MV zusammenlegt, bei vielen Details bin ich auch nicht Experte genug um sie als Fehler oder unbekannte Fakten zu deuten, doch bei den beiden letzten Sonden Phobos 1+2 und Mars 96 gab es genügend Informationen um die Fehler zu erkennen. Bei Mars 96 ist nach Ansicht des Autors fast jedes Experiment primär russischen Ursprungs, auch die deutsche HRSC und WANOSS. Das diese sowie andere Kernexperimente aus Europa kamen wird nicht sehr deutlich.

Ein zweiter Aspekt ist dass der Autor kaum auf den politischen Hintergrund eingeht. Nach seiner Ansicht nach wurde zwar versucht die Sonden propagandistisch auszuschlachten (Chrustschow mit einem Modell von Mars 1960 auf dem weg zur UNO) aber die Missionen wurden ohne Druck von Außen geplant. Die Entscheidung nicht mit den Amerikanern zu konkurrieren erfolgte seiner Ansicht nach von den Wissenschaftlern. Genau das Gegenteil ist aber der Fall wie man am Mars sieht. Anstatt systematisch ein Programm anzugehen, wie dies bei der Venus erfolgte (da dort die Amis kein Interesse hatten), versuchte man immer die NASA zu übertrumpfen. Gelang es nicht eine Erstleistung zu erbringen so ging man zur nächsten Stufe über ohne auch nur die erste zu nehmen (Orbiter ohne vorherige Vorbeiflugmission, nachdem diese mit Mariner 4 glückte, Lander ohne vorherige Atmosphärenuntersuchungen als für 1975 die Viking Landung anstand, neues Ziel Phobos nachdem dieser noch nicht von US-Raumsonden besucht worden war.

Auch die Einordnung der Ergebnisse fehlt. Es wird nur aufgezählt was es gab, aber nicht eingeordnet, z.B. ein Vergleich der gleichzeitig stattfindenden Mariner 9 und Mars 2+3 Mission gezogen. Über die Technik der Raumsonden, ihre Konzeption und die sich daraus ergebenden Probleme erfährt man nichts. Genauso wenig wie über die genaue Instrumentierung, also einige technische Daten der Instrumente. Dabei ist dieses doch gerade eines der interessantesten Kapitel, aber auch Ursache zahlreicher Probleme. Es gibt keine Bewertung der oft starren Programmierung der Sonden, außer es gab diese auch von offizieller Seite daran Kritik wie bei Phobos 1+2. Wenn man als Sachbuchautor seine Arbeit so versteht, dass man nur die bekannten Tatsachen wiedergibt, dann ist das sicher okay, doch da man selbst nach zwanzig Jahren wohl kaum Kritik an den frühen Programmen seitens Russland findet ist dies doch etwas naiv. Vor allem wenn es nicht das erste Buch ist und man etwas Erfahrung mit dem Thema hat sollte man den Maßstab höher stecken, Zumindest ich konnte in einem Buch von Vladimir Permirnov eine deutlich Kritik an der Entscheidung Mars 4-7 mit bald ausfallenden Transistoren auf den Weg zu schicken finden, aber dies wurde von oben verordnet und war nicht wie Harvey schreibt eine freie Entscheidung der Wissenschaftler.

Bevor ich diese Rezension geschrieben habe, habe ich dann noch nach Brian Harvey gesucht, und siehe da nach dem sich mehr wie Werbung lesenden Wikipedia Eintrag hat er zum Thema russische Raumfahrt schon sieben Bücher geschrieben und seit Jahrzehnten aktiv. Da hätte ich mir mehr erwartet. Für ein Erstlingswerk könnte man mit den Mängeln leben, aber für einen Autor mit Erfahrung finde ich das Ausblenden der Politik und das recht wohlgefällige Beurteilen des Programms als doch etwas laienhaft.

Das Buch ist in den Fakten durchaus gut recherchiert, aber nicht fehlerfrei, berücksichtigt man die Mängel bei Abbildungen und erwartet man keine bewertende Einstufung der Programme so kann man 3-4 Sterne im Amazon Ranking vergeben.

4 thoughts on “Buchkritik: Brian Harvey: Russian Planetary Exploration

  1. haha, lustige geschichte, habe mir das selbe buch (beim vermutlich selben US händler bestellt), kam leider nie an, ging irgendwo über dem atlantik verloren 🙁

  2. Mittlerweile sind glaube ich 2 Monate vorbei – der Händler hat das Geld erstattet, und da das Buch deiner Kritik nach nicht allzu gut ist, auch kein großer Verlust

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