Die Mimosenrakete

Russland hat nun eine Erklärung für den Verlust von Yamal 402 im letzten Dezember auf einer Proton M geliefert. Ursache war eine zu hohe Temperatur des Oxidators. Diese gab es schon beim Start, danach stieg sie weiter weil das Triebwerk Wärme abstrahlte. Dadurch verdampfte vor der vierten Zündung ein Teil des Treibstoffs und die Turbopumpe erreichte zu hohe Drehzahlen und das Lager wurde beschädigt was zu einem vorzeitigen Brennschluss führte.

Das ist nicht die erste ungewöhnliche Erklärung für das Versagen der Proton. 2010 wurde als Erklärung für das Versagen eines GLONASS Starts eine Zuladung von zu viel Triebstoff genannt.

Nun ist man ja von Russland schon einiges gewohnt. Während der Zeit des Niedergangs ab 1990 kam es zu Fehlstarts weil Treibstoff gestohlen oder durch andere Flüssigkeiten ersetzt wurde, von der Abnahme der Qualitätssicherung ganz zu schweigen. Aber diese Erklärungen sind doch sehr komisch. Das Stickstofftetroxid schon bei etwas höheren Temperaturen als Zimmertemperatur verdampft ist bekannt und daher füllt man es auch gekühlt ein. Ariane 1-4 hatte aus diesem Grund rund um die zweite Stufe eine Isolationsschicht die beim Start abgesprengt wurde. Nur fand der Start im Dezember statt. Wenn ich mich nicht irre ist es da in der russischen Steppe ziemlich kalt. Also so recht glauben kann ich die Erklärung nicht und wenn sie zutreffen sollte ist sie blamabel für eine Nation die mehr als jede andere Raketen mit diesen Treibstoffen gebaut hat. Auch die meisten ICBM Russland setzten ja genau diese Treibstoffe ein,

Noch etwas merkwürdiger ist das Übergewicht durch zu viel Treibstoff beim GLONASS. Natürlich könnte es sein, dass Block DM-3 und GLONASS zu schwer für die unteren drei Stufen ist. Es ist jedoch nicht sehr glaubhaft. Block DM-3 wiegt beim Start 17,5 t . Die drei GLONASS Satelliten 4,08 t. Das sind dann zusammen 21,7 t. Dieselbe Rakete hat aber kein Problem 21,5 t in eine ISS-Umlaufbahn zu befördern oder die Breeze-M Oberstufe zu starten. Die Breeze M wiegt 21,2 t und kann bis zu 6,3 t Nutzlast mitführen. Dieses Gespann wiegt also zusammen bis zu 28,5 t. Da das Versagen erfolgte bevor DM-3 überhaupt zündete ist Übergewicht alleine wohl keine ausreichende Erklärung. Man kann damit nicht begründen, dass die Rakete um 8 Grad vom Kurs abkam und eine um 100 m/s zu geringe Geschwindigkeit erreichte.

Eine viel wahrscheinlichere Erklärung wäre, dass die unteren Stufen nicht voll betankt wurden und man sich hier verschätzt hat. Das ist sparen an der falschen Stelle. Zwar ist UDMH/NTO keine preiswerte kombination, aber der ganze Treibstoff wird wohl nur einen Bruchteil der Startkosten ausmachen und wenn man hier spart braucht man entweder viel Erfahrung oder man ist extrem knapp bei Kasse. Beide Vorfälle zeigen wohl nur eines: Russland hat entweder enorm viel Erfahrung verloren (die Fachleute sind ins Ausland gegangen oder in den Ruhestand) oder man ist extrem knapp bei Kasse.

Dafür sprechen auch andere Vorfälle in den letzten Jahren wie der Verlust von Phobos Grunt, die schon seit Jahren verzögerte Indienststellung der Angara und das Versagen des Angara-URM bei der koreanischen Naro-1. Von den vielen wissenschaftlichen Projekten die angekündigt wurden, wurden keine weiteren umgesetzt. Gestartet werden nur Anwendungssatelliten wie die erwähnten YAMAL und GLONASS Satelliten. Immerhin als Trost für die Kunden von ILS scheinen Fehlstarts bei russischen Nutzlasten häufiger vorzukommen als bei bezahlten Starts. Da scheint man dann noch das Geld zu haben um den Treibstoff vorzukühlen und die Tanks voll zu füllen…. Das änert aber nichts an der erschreckend niedrigen Zuverlässigkeit der Proton / Breeze Kombination, vor allem für eine schon seit Jahrzehnten eingesetzte Trägerrakete.

11 thoughts on “Die Mimosenrakete

  1. Solche kuriosen Aussagen der Russen sind ja nichts neues. Es fehlt nur noch die Aussage das der böse Westen die Mission sabotiert hat und man die Schuldigen finden und bestrafen wird 🙂

    Immerhin hat dieses ganze Drama auch was gutes. Es verbessert die Position von Arianespace…

    – Die Proton hat diverse Probleme
    – Sea Launch ist nach dem letzten Fehlstart warhscheinlich am Ende
    – SpaceX kann (trotz aller PR & Ankündigngen) immer noch nicht liefern.

    Von daher sieht das doch ganz gut für die Ariane aus.

  2. nur kurz: DM-3 ist nicht die neuere DM-03 mit größeren tanks – die kann nämlich zu schwer betankt werden in der geflogenen kombination. ein wenig mehr recherche bevor hier sinnlose polemik rausgehauen wird wär mal nich verkehrt.

    RadioAstron als wissenschaftsmission steckt gerade mitten in der Early-Science Phase, Spektr-RG (mit massiver deutscher Beteiligung) liegt voll im Plan für einen Start 2014. es liegt sicher einiges im Argen, aber diese Darstellung übertreibt

  3. Ja Recherchieren wäre toll, wenn man das macht kommt man auf 25% größere tabks, das sind dann 3,5 t mehr und immer noch 3 t weniger als die Breeze-M mit Nutzlast wiegt, zudem ist das Triebwerk von Block DM doppelt so schubstark und würde den Treibstoff auch schnell genug verbrauchen.

    Ach ja und im Planungsstadium ist in Russland so vieles. Ich muss nur an die vielen Bunten Folien von Planetensonden von Merkur bis Jupiter denken, die nun ja alle bis 2017 starten und über die ich bei der Phobos Grunt Recherche stolperte…..

  4. Bei der Recherche ist offenbar das andere geplante Flugschema von Bris-M und Block-DM03 unter den Tisch gefallen… Bris-M zündet direkt nach der Trennung, um aus eigener Kraft einen Orbit zu erreichen. Bris-M Nutzlast schafft die Proton nicht in einen Orbit. Bei Block-DM03 soll jedoch ein Parkorbit von der Proton erreicht werden und erst nach einer Freiflugphase in diesem Orbit gezündet werden. Während dieser Freiflugphase war man beim Fehlstart aber schon abgestürzt.

    Was das Planungsstadium betrifft: Ich habe mit Spektr-RG explizit eine Mission genannt, deren Hardware bereits weitgehend fertig gestellt ist. Davon abgesehen gibts sicherlich viele Träume, die (im genannten Zeitrahmen) tatsächlich im wesentlichen nicht realisierbar sind.

    Deshalb muss man aber noch lange nicht alles pauschal schlecht machen.

  5. Ich habe auch den Bericht nach dem Start durchgelesen, und da war Block DM schon bei der abtrennung um 8 Grad von der Bahn abgewichen. Das ist ein Indiz das das Problem nicht am Gewicht liegt. Weiterhin ist das die einzige Oberstufe, die zu einem Nutzlastverlust führen kann wenn man sie zu voll füllt. Keine andere Weltraumnation hat jemals so etwas entwickelt. Warum auch so was tun? Eine nur teilbefüllte Stufe hat ein zu hohes Leergewicht und man baut sich eine Fehlermöglichkeit ein. Das einzige was ich als Vergleich kenne ist die Ariane 4, die in den kleineren Varianten nur mit teilbefüllter Erststufe startete. Die Frage ist auch, warum man wenn diese Gefahr besteht nichts am Bahnregime ändert und diesen Verlust riskiert. Mal abgesehen davon ist es natürlich genauso blamabel wenn man eine Stufe mit zu viel Treibstoff betankt und das nicht merkt.

    Also: Eine Schwachstelle wurde bewusst geschaffen, und Kontrolle der Treibstoffmenge unterblieb. Das alles zeugt nicht gerade von Kompetenz.

  6. Eine vollgetankte Block-DM03 erfordert ein anderes Flugschema als eine teilbetankte. Offenbar hat man damals für Teilbetankung geplant, aber dann zu viel Treibstoff eingefüllt. Daher ist es logisch, dass von der geplanten Trajektorie abgewichen wurde. Das ist wahrlich keine Glanzleistung gewesen, aber dennoch kann man das auch korrekt darstellen.
    Spekulationen von wegen nicht vollgetankte Proton etc sind jedoch vollkommen unseriös – das muss nicht sein.

  7. Anders als der Website in der Du als Redakteur tätig bist ist das keine Wiedergabe von Nachrichten ins Deutsche übersetzt und hier wird spekuliert weil es ein Blog ist, ich eine eigene Meinung habe und nicht das deutsche Pendant von Radio Moskau. Auf die anderen Punkte die ich an Kritik gebracht habe bist Du nicht mal ansatzweise eingegangen.

    de Faktor haben heute Träger closed-Loop Steuerungssysteme die mit einer solchen Abweichung die sich ja wenn die 2000 kg von denen die rede ist stimmen sollte bei 0,3% der Startmasse kompensieren müssten indem sie die Trajektorie anpassen. Selbst die nicht von mir gelobte Firma SpaceX bringt es fertig einen Schubverlust von 11% aufzufangen. Wie man es auch dreht die Begründung greift nicht so ganz und selbst wenn, stellt sich die Frage, warum man eine stufe konstruiert die man nicht voll betanken kann und warum man das nicht kontrolliert. Das ist ja nicht gerade ein Pappenstiel.

  8. Bei allem wie und warum und weshalb:
    Die meisten Versager der Proton sind offenbar auf menschliches Versagen/Schlamperei = Managementfehler zurückzuführen. Bei der Zenit siehts auch nicht anders aus, da ist wenigstens ein Versager auf rumschwabbelndes Zeug im Treibstoff zurückzuführen.

    Eigentlich sind ja alle Trägerraketen verhätschelte Mimosen. Wenn man z.B. die Ariane oder die Atlas so mies behandeln würde, dann wäre deren Erfolgsbilanz wohl auch signifikant schlechter. Wenn man dem Vulcain einen Dichtungsring in die Turbopumpe wirft, dürfte der Effekt sehr spektakulär sein.

    Fakt ist, dass die Proton/Briz-M Kombination eine Zuverlässigkeit von grade mal 80% hat. Das ist ziemlich erbärmlich, insbesondere für ein eigentlich eingeflogenes System.
    Die Versicherungssummen für einen Start dürften recht hoch sein, und wenn man für einen 200 Mio Sattelit 50 Mios an Versicherungssumme abdrücken darf (oder gar keine Versicherung mehr kriegt) dann werden andere Träger plötzlich durchaus intressant, selbst wenn diese teurer sind.

    Für die Ariane ist das zum einen gut, zum anderen auch schlecht, denn ohne eine Konkurrenz wird das Hickhack um die Weiterentwicklung andauern und wieder mal nix halbes und nix ganzes rauskommen. Ohne Druck geht da ja nix, wie man bei der ganzen „Europa-Symphonie-Ariane“ Geschichte gesehen hat.

    Mike

  9. Bei der Zenit ist der sehr auffällig, dass das RD-171 auf der Zenit eine sehr schlechte Bilanz hat, dagegen das daraus abgeleitete RD-180 auf der Atlas bisher maekellos funktionierte. Wenn man es bezahlt bekommt man die Qualität die man haben will.

  10. Die offiziellen Fehleranalysen lesen sich so, als ob außer den Raketen auch das Personal betankt wurde. Mit Wodka.
    Falsche Treibstoffmenge, falsche Temperatur – offenbar war da Jemand nicht in der Lage einen Meßwert abzulesen und mit den Vorgaben zu vergleichen. Bei einem schon seit Jahren eingesetzten System ist es eher auszuschließen, daß die korrekten Werte nicht bekannt sind. Folgt also, daß das Personal nicht in der Lage war, die Betankung korrekt durchzuführen. Um einige Meßwerte abzulesen und einzuhalten, gehört aber keine besonders hohe Qualifikation. Da reicht es aus, nüchtern zur Arbeit zu kommen.

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