Berufswahl und Kompetenz

Ich gebe es gerne zu, ich habe Vorurteile. Eines davon ist, das Betriebswirte keine technische Kompetenz haben. Ich bin auf den Berufsstand aufmerksam geworden, als auf 3SAT eine Dokumentation kam in der Vertreter der Betriebswirtschaft zu Wort kamen, sowohl Befürworter wie auch Kritiker. Es ging darum ob die Betriebswirtschaft wirklich mit ihren Theorien die Wirtschaft, die wirtschaftlichen Kreisläufe und das Verbraucherverhalten richtig beschreibt. Das Duell ging eindeutig zugunsten letzterer aus, da sie durch Experimente nachweisen konnten dass Menschen nicht wie von den Theorien gefordert rational reagieren und immer die Strategie wählen die ihnen den höchsten Gewinn verspricht oder die geringsten Risiken und auch, dass der Crash von 2008 nicht von einem der Theoretiker vorhergesagt werden konnte. Aber um diesen Themenbereich geht es nicht.

Es geht um was anderes: kann jemand, der sich fern von seinem Berufsfeld bewegt, in einem völlig anderen Gebiet, mit anderen Anforderungen kompetent sein? Ich glaube die meisten können es nicht. Und zwar nicht weil sie sich nicht das Wissen aneignen können, sondern weil sie gar nicht auf die Idee kommen dies zu tun. Ich spreche da aus eigener Erfahrung und auch dem was ich so in den Medien beobachte. Ich selbst würde mein Hauptinteresse darin sehen, mir Dinge anzueignen, Sachen zu erforschen, Technik zu verstehen und das weiterzugeben. Da hapert es aber auch schon. Ich denke ich kann das noch gut per Schriftform, aber ich bin mir sicher, dass ich im Unterricht an der DHBW nur Mittelmaß bin. Es ist ein Unterschied ob man interessierte Leser oder uninteressierte Studenten hat, die zum Teil auch offensichtlich nichts jenseits der Vorlesung machen und von Stunde zu Stunde die gleichen Fehler machen oder wie ich beim Korrigieren der Klausur feststellte, teilwesie noch nicht mal die grundlegende Syntax nach einem Semester gelernt haben. Ich habe mal als ich die letzte feste Anstellung aufgab, mit dem Gedanken gespielt, Lehrer zu werden, aber angesichts der Erfahrungen an der DHBW weiß ich, das dies nicht ein Job für mich ist. Lehrer haben ja einen üblen Ruf, auch weil sie Erwachsene noch korrigieren wenn diese längst die Schule verlassen haben. Ich selbst bekomme regelmäßig eine Mail mit in etwa folgendem Inhalt „ihre Seiten sind ja sehr schön zu lesen, aber angesichts der vielen Rechtschreibfehler muss ich doch an ihrer Fachlichen Kompetenz zweifeln“. Ohne dem Berufsstand nahetreten zu wollen, denke ich habe ich dann wieder mal einen Lehrer vor mir. Auf der anderen Seite braucht man für den Beruf enorm starke Nerven und Geduld, beides sind nicht gerade Stärken von mir.

Meine Theorie ist: man kann an dem Berufsfeld sehen wo das Interesse und die Fähigkeiten von jemand liegen und bestimmte Berufsbilder und Forderungen schließen sich aus. Schlussendlich muss heute ja niemand das machen, was der Vater bestimmt und dann etwas lernen was einem nicht liegt. Also ich habe mich in der Schule schon wenig für Sprachen interessiert. In Französisch, das ich erst mit 18 bekam war ich immer zwischen 3 und 4, in Englisch und Deutsch besser, aber niemals besser als „gut“. Sprachen interessieren mich nicht, es reicht wenn ich das, was ich sagen will ausdrücken kann und andere es verstehen, es muss nicht fein geschliffen oder fehlerfrei sein. Entsprechend haben meine Aufsätze Mängel in der Grammatik und Rechtschreibung. Ich habe Interesse an Technik, aber vor allem am erforschen, entweder aktiv oder passiv, indem ich mir etwas aneigne oder selbst versuche etwas zu verstehen, was nur als Faktum beschreiben ist. So lag es auf der Hand, dass ich als erstes Studium das einer Naturwissenschaft wählte, zumal ich auch für Chemie, Ernährung, Astronomie, Raumfahrt, Computer also einige Naturwissenschaften und technische Gebiete interessiere. Wäre da auch noch ein Interesse an Sprachen hinzugekommen wäre ich wohl Journalist oder Fachautor geworden. Das Problem bei Journalisten ist dass sie selten sich in ein Gebiet voll einarbeiten können, ihnen fehlt daher oft die fachliche Kompetenz. Besonders befruchtend finde ich daher Bücher in denen ein Fachmann aus dem Gebiet mit einem Journalisten zusammenarbeitet. wer jemals ein Lehrbuch gelesen hat, Weiß, was passiert wenn man die fachliche Kompetenz hat, aber eben die sprachliche Seite nicht so stark entwickelt ist.

Was dazu auch gehört ist, was einen interessiert. Wenn ich ein Buch oder einen Aufsatz schreibe, dann konzentriere ich mich auf die Technik, versuche darüber viel zu erfahren und wenn ich etwas nicht verstehe, versuche ich es auch technisch zu erklären. Dazu ein Beispiel. Heute (bzw. gestern, da ich den Blog am Mittwoch schreibe) startet die Antares. Die Rakete ist in der technischen Auslegung ungewöhnlich. So sitzt ein Feststoffbooster auf einer flüssigen Stufe. Nun das ist eine ökonomische Entscheidung. Was ich jedoch nicht verstand, ist, dass man einen Castor 120 verkürzte und einen neuen Castor 30 entwickelte. Von der Physik bestimmt, wäre die Nutzlast bei einem Castor 120 höher und es spart Entwicklungskosten. (das man die Physik nicht überlisten kann zeigt dass nun ein Castor 30XL für die folgenden Flüge entwickelt wird, der wieder um 80% schwerer wird). Ich konnte mir das physikalisch nicht erklären. Also suchte ich nach einer Erklärung. Die die ich mir überlegt habe (ich habe keine gefunden) ist dass die erste Stufe mit den Herstellungsanlagen der Zenit hergestellt wird. Damit dürften Tanks nur in vielfachen einer von der Zenit vorgegebenen Segmentlänge herstellbar sein. Damit liegt die Masse der ersten Stufe fest und die der zweiten muss sich danach richten. Ein Castor 120 wäre zu schwer. Es wäre nicht das erste Mal dass dies falsch ist und es finanztechnische oder andere Gründe dafür gibt. Auch wenn ich Bücher lese, überfliege ich die ganzen Abschnitte über Projektmanagement oder Entwicklungen, bei bemannten Flügen oft den genauen Ablauf.

So und nun kommt der große Sprung: aufgrund dessen denke ich zeigt die Wahl des Berufsbildes recht gut an, was für Interessen jemand hat und worüber er gut schreiben kann oder dies vermitteln kann. Das schließt nicht aus, das er sich für anderes interessiert, doch wird er es aus seinem Interessensblickwinkel sehen und anderes ausblenden oder weglassen. Bei mir bei Raumfahrt eben aus Sicht der Technik der Ergebnisse, teilweise der Geschichte, aber eben weniger aus Sicht der Menschen, des Projektmanagements oder persönlicher Erlebnisse, was zum Beispiel für bemannte Raumfahrtbücher eher von Nachteil ist weshalb es auch von mir keines dieser Astronautenbücher gibt in denen alle Ereignisse eines Buches haarklein beschrieben sind. Ich habe schon das Problem mehr als eine Handvoll Astronauten zu benennen die das Space Shuttle geflogen haben und von den russischen Kosmonauten kenne ich gerade mal fünf namentlich.

Ich sehe dies auch bei anderen. Im Fernsehen taucht Thilo Bode regelmäßig auf, der angesichts dessen, dass er viele Bücher geschrieben zum Thema Lebensmittelskandale und Industrie bei mir immer nur Kopfschütteln hervorruft. Das grundsätzliche Problem ist das er von Lebensmittelchemie, Technologie und vor allem Gesetzen keine Ahnung hat, er ist vom ersten Beruf her Soziologe. So kommt er auch mit Forderungen an die Politik Gesetze zu ändern (nichts dagegen) nur sind die Forderungen so, dass man als mit der Thematik vertrauten sich fragt ober nicht mal eine halbe Stunde in der Wikipedia gelzen hat. Sein Lieblingsbeispiel (so schon in zwei Talkshows gesehen) ist es Schwarzwälder Schinken anzuprangern. Das Wichtige an ihm ist die Herstellung, im besonderen die Räucherung. Sie ist für den Geschmack entscheidend. Weniger wichtig (genauer gesagt: völlig unwichtig) ist die Schweinerasse oder gar der Aufzuchtbetrieb. Thilo Bode vertritt die Meinung das die gesamte Herstellung von der Schweinaufzucht beginnend im Schwarzwald erfolgen muss, anstatt wie bisher Hinterschinkenhälften in den Schwarzwald zu liefern und dort zu räuchern. Er hat damit nicht nur nicht verstanden was das Besondere an dem Produkt ist, er hat auch nicht die Unterscheide zwischen den drei EU-Siegeln für den Schutz von Ursprungsbezeichnungen verstanden. Denn er wendet sich ja immer gegen die Hersteller, nicht gegen die EU welche die Siegel beschlossen hat. Vielleicht geht es einem Soziologen eben nur um die Gesellschaft, weniger um Gesetze oder gar Lebensmitteltechnologie oder gar um die Qualität von Lebensmitteln und ihre Bezahlbarkeit. Denn was er nicht sagt: Es gibt natürlich im Schwarzwald nicht viele Zuchtbetriebe für Schweine, das Gebiet ist mehr von Waldwirtschaft als Landwirtschaft geprägt. Seine Forderung würde Schwarzwälder Schinken sehr stark verknappen und entsprechend verteuern, so wie z.B. Parmaschinken. Es wäre übrigens möglich, man müsste nur die EU Kategorie wechseln von geografisch geschützter Angabe in eine geschützte Ursprungsbezeichnung. Parma Schinken hat z.B. diesen Status inne, ist aber dann wegen der begrenzten Produktionsmenge auch hochpreisig.

Ich bin auf das Thema gekommen, weil ich bei einem anderen Autor gelesen habe, er habe in sechs Monate vier neue Bücher geschrieben. Das nötigt mir zuerst mal Respekt ab. Noch dazu nur in der Freizeit. Also ich arbeite nur noch 1-2 Tage im Jahresdurchschnitt (allerdings sehr unregelmäßig verteilt) und in de Zwischenzeit dann oft Vollzeit an den Büchern. Ich schaffe eines in 4-6 Monaten, je nach Umfang. Würde ich es nur in der Freizeit, bei einer normalen 5-Tage Woche machen, so wäre es sicher nicht mehr als eines pro Jahr. Das zeitintensivste ist die Recherche. Wenn ich NASA Reports durchlese, um technische Daten zu gewinnen, kann es vorkommen, dass die Ausbeute eines Tages eine Tabelle und einige Sätze sind. Wenn ich dagegen, wie bei der Ernährung bei einer allgemeinen Frage nur das wiedergeben muss, was ich weiß, kann ich ohne Ptoblem zehn Seiten am Tag schreiben.

Nun da ich zwei Bücher dieses Autors habe, ist die Antwort leicht wie er dieses enorme Pensum schafft. Man muss sie sich nur durchlesen. Sie gehen nirgends in die Tiefe, selbst Wikipedia Artikel sind länger. Die Rechercheleistung besteht darin zwei, drei Websites zu besuchen sich jeweils eine Seite durchzulesen und das gelesene zusammenzufassen. Klar das man so viel schneller vorrankommt. Da man Bücher im Bereich Raumfahrt nicht schreibt um reich zu werden – selbst wenn der Autor zehnmal mehr verkauft als ich, lohnt es den Aufwand, gemessen an den Stunden, nicht. Also macht man es vor allem aus persönlichen Gründen. Wie weit dann jemand bei der Recherche geht, bzw. worauf er Wert legt, das ist dann von den persönlichen Vorlieben abhängig. Nun ist der Autor von Beruf Betriebswirtschaftler und das merkt man. Beide Bücher beschäftigten sich vornehmlich mit Geschichte. Wenn es um Technik geht, dann nur mit der Wiedergabe einfacher Daten wie Abmessungen oder Gewicht, keinerlei Erklärung oder Details. Das ist für den Großteil der Raumfahrt natürlich ein Manko, den Raumfahrt ist sehr technisch. Um Geschichten geht es meist nur bei bemannter Raumfahrt und Geschichte im Sinne von Projektgeschichte ist selten öffentlich, wenn dann muss man mit den Beteiligten direkt zusammenarbeiten oder es gibt den Auftrag als Veröffentlichung seitens einer Forma oder Raumfahrtagentur.

Was lehrt mich dies? Ich schaue bei einem neuen Autor, den ich noch nicht kenne, mal auf den Lebenslauf. Was hat er gemacht? Was hat er studiert? Das ist wesentlich. Weniger wichtig scheint zu sein wie lange sich jemand damit beschäftigt. Beim obigen Autor begann das Interesse mit dem Flug von Cooper, er hat mit also glatte 17 Jahre voraus. Diesen Vorsprung kann er bei seinen Werken nicht umsetzen.

Ich denke das kann man übertragen. Bücher über Ernährung von Sozialwissenschaftlern, Planungen von Marslandungen durch Betriebswirtschaftler oder die Aufklärung des Moonhoax durch Literaturwissenschaftler – das führt selten zu guten Ergebnissen. Was meint ihr dazu? Oder kennt ihr Gegenbeispiele?

One thought on “Berufswahl und Kompetenz

  1. Also was Sprachen angeht, bin ich sehr an dem Thema interessiert.
    Aber leider fehlt mir die Kompetenz.
    Englisch, sicher. Latein: Alles vergessen. Japansich: Quäle mich seit 6 Jahren durch.
    Aber Sprachentwicklungen, Verwandschaften, Erforschung ausgestorbener Sprachen etc., ein absolut interessantes Thema.

    Zuhause lese ich gerade ein Buch über sumerische Grammatik. Andere würden das totlangweilig betrachten, aber ich finde das (zumindest teilweise) sehr interessant.
    Nur: Mit Sprachen lernen hapert es gewaltig.
    Leider.

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