Wahlnachlese

Ich weiß, es ist etwas spät, aber da ich meine Blogeinträge im Voraus schreibe und es bei der AFD so knapp war, das ich das Endergebnis abwarten wollte, erst heute eine Wahlnachlese.

Das die CDU/CSU gegenüber den letzten Umfragen die sie bei 38-39% sahen, was ja eh schon gut ist, nochmal zulegt hätte ich nicht gedacht. Mag Merkel feiert, zeigt der Wahlausgang aber doch eins: gewählt wird in Deutschland wer möglichst nichts macht oder Geschenke verspricht. Wer sagt, dass man damit nicht weiter kommt (das hat fast jede Regierung in den letzten 30 Jahren so gemacht) wird bestraft. So wird man sich auch in den nächsten Jahren ausruhen auf der Konjunktur die läuft und zwar ohne das die Regierung was zu tun hat, anstatt nun mit den Steuereinnahmen die Schulden abzutragen will man ja nur einen „ausgeglichenen Haushalt“.

Wer weiß, das Merkel Physikerin ist, der wundert sich nicht. Physiker versuchen die Naturgesetze zu verstehen. Sie machen dies indem sie mit viel Aufwand entweder Störgrößen ausschließen, oder wenn das nicht geht durch Beobachtungen so viele Tatsachen ansammeln, dass sie den Effekt trotz Störeinflüssen herausrechnen können. Nun gibt es in der Politik enorm viele Störgrößen und entsprechend wartet Merkel mal ab, bis die Situation konstant ist, was selten der Fall ist. Sie regiert jetzt schon 4 Jahre mit einem kleinen Koalitionspartner, das ist länger als eine durchschnittliche Doktorarbeit. Zeit mal tätig zu werden. Ich befürchte aber sie will noch eine Kanzler-Professur anstreben und Habituationen können dauern…. Man erkennt das übrigens auch an ihrer berühmten Raute, das ist in der Physik der Unschärfeoperator in der Bedeutung „Das Ergebnis ist nicht gleich sondern nur ungefähr so“..

Wer meinen Blog verfolgt weiß, das ich mich sicher über eines freue, das die FDP rausfliegt. Nach den Meinungsumfragen war es knapp und die Chance gab es ja, dass Brüderle mit der Leihstimmenkampagne Erfolg hatte – schließlich war schon Wochen vor der Wahl klar, dass wenn die FDP ins Parlament kommt, Rot-Grün keine Chance für eine Mehrheit hat. Ich finde diese Partei unerträglich. Das bestätigt sie auch selbst. Sie muss sich meist rechtfertigen als Alternative zu anderen Parteien, nicht mit ihrem Programm. Neben den unverschämten Wahlversprechen gibt es immer diese Hasstiraden auf andere. So auch gestern Niebel, bei dem dann auch gleich wieder die Keule gegen rot-grün geschwungen wurde. Nein, liebe FDP das ist nicht bitter, sondern ihr habt nun nur so viele Stimmen bekommen, wie ihr Leute vertretet. Früher stand mal liberal wirklich für mehr Freiheit, mehr Bürgerrechte, weniger staatliche Reglementierung und Überwachung. Damals habe ich euch sogar mal gewählt (1987). Aber inzwischen vertretet ihr nur die Interessen der Spitzenverdiener und der Industrie. Ich dürfte bei ZDF Zoom diese Woche lernen, dass die 182 Euro EEG Umlage die der Durchschnittshaushalt pro Jahr zahlt, sich so zusammensetzen: 76 Euro für regenerative Energien (so von Rot-grün beschlossen), 52 Euro für die Befreiung der Industrie von der Umlage (so von schwarz-gelb beschlossen) und der Rest weil man den Strom über die Börse handeln lässt und so der Strompreis so durch den vielen Ökostrom dort sinkt, der garantierte Strompreis aber gleich bleibt (das verdanken wir Phillip Rössler und der FDP).

Ihr vertretet keine Bürgerrechte mehr und auch nicht den Mittelstand, sondern nur nur Großindustrie und Zahnärzte, Anwälte. Und so viele gibts davon nicht und daher werdet ihr auch nur von so wenigen gewählt.

Die Grünen sind auch unzufrieden, ich bin, obwohl ich seit über zwanzig Jahren grün wähle, es nicht. Ich schätze das grüne Wählerpotential auf 7-9 Prozent und wenn man drüber ist hat man gute Überzeugungsarbeit geleistet, aber man sollte nicht denken, das wäre immer so. Sicher lief der Wahlkampf falsch, das ist irgendwie Grünen-Chaos wie es dies schon immer gab (so auch das mit der Doppelspitze, macht sonst keine Partei). Aber wir alle wissen, das Reformen teuer sind, das wir vielleicht mit sprudelnden Einnahmen einen ausgeglichenen Haushalt in guten Jahren hinbekommen, aber nichts zurückzahlen das ist jedem klar, ebenso, dass man die Energiewende zum Nulltarif nicht haben kann. Klar man kann es so wie die FDP machen und das nicht sagen. Dann wird man wie diese bei einer Wahl viele Stimmen holen und in der nächsten abstürzen. Aber ist das die Alternative? Vielleicht gibt es noch 2-4 Prozent mehr wenn man keine Fehler beim Wahlkampf macht, Parteigenossen nicht querschießen und man sich mal auf einen Spitzenkandidat einigt, aber sicher nicht mehr.

Die Linke hat zugelegt, auch das nicht verwunderlich. Sie vertritt sehr gut ihr Klientel, in den Worten von Oliver Welke „deren Wähler zahlen keine Steuern“, da kann man natürlich alle Wohlgaben des Staats fordern wenn die Wähler nur davon profitieren und niemand zahlen muss. Angesichts des Wählerpotentials wundert es sogar das es nur 8 Prozent sind.

Das die AFD fast an der 5-Prozent Hürde scheitert, obwohl es sie erst seit einigen Monaten gibt uns sie ziemlich radikale Forderungen hat, von denen man schon mit gesundem Menschenverstand weiss, sie sind nicht umsetzbar, hat mich aber dann doch gewundert. Das zeigt aber auch das viele mit der Politik immer nur Geld in der Euro Krise rauszuwerfen nicht zufrieden sind und auch nicht zufrieden sein können.

Die SPD hat sich zu viele Fallstricke selbst gestellt. Der Wahlkampf kam erst in den letzten Wochen so richtig in Fahrt. Aber natürlich profitiert Merkel davon, dass zum einen die Wirtschaft brummt, und das ohne das die Politik dran beteiligt ist, außer vielleicht indem sie verhindert das die Wirtschaft höhere kosten hat (Grundlohn, EEG) und diese Kosten dann auf die Allgemeinheit umlegt (Zuzahlung von Harz IV trotz Vollerwerbstätigkleit) und natürlich von den Reformen von Harz-IV, die zwar nicht beliebt aber notwendig waren. Hinter vorgehaltener Hand hört man das auch von Merkel &Co, denn sonst hätten sie sie ja auch wieder abgeschafft. Leider zeigt das Schicksal Schröders, dass man für Reformen bestraft wird, so werden die anderen drei großen Reformen (Renten-, Gesundheits- und Bildungsreform) garantiert nicht in dieser Legislaturperiode angegangen werden.

Bleiben noch die Piraten. Ich habe sie gar nicht mehr wahrgenommen. Das letzte was ich noch wahrnahm, war dass dort die eigenen Parteivorsitzenden von den Mitgliedern geschasst wurden und wenn jemand was falsches sagt ein „Shitstorm“ droht. Ein Vollprogramm das über Netz und Urheberrecht hinausgeht sollen sie ja inzwischen haben, aber wer will denn eine solche Chaosgruppe wählen? Mag die CDU inzwischen nur noch ein Kanzlerwählverein sein, aber so wie es bei den Piraten läuft kann es ja auch nicht gehen. Das ist nicht Basisdemokratie, das ist Chaosdemokratie. So verwundert es nicht, dass sie nicht mal von einer Vollüberwachung durch die NSA profitieren.

Was kommt nun? Die schwarze Witwe Merkel sucht ein neues Opfer. Nichtssagend, nichtsttuend verharrt sie in Stille, spreizt ihre Beine zur Raute und wartet darauf, dass der Koalitionspartner sich selbst zerlegt:

  • Die SPD verlor 2009 nach der Koalition mit Merkel 11,2% der Stimmen
  • Die FDP verlor 2013 nach der Koalition mit Merkel 9,8% der Stimmen

Welche Partei saugt sie diesmal aus? Ich hoffe nur die Grünen müssen nicht dran glauben, sonst fallen sie in vier Jahren auch aus dem Parlament. Ich plädiere für eine Koalition mit der SED, pardon der Linken.

Übrigens: „Die Partei“ mit dem Wahlwerbespot der von Youtube gelöscht wurde, konnte ihre Stimmen vervielfachen von 16000 auf 45000, trotzdem kommt da auf jedes Parteimitglied nur noch 4 andere Wähler . wohl einmalig in der Parteienlandschaft ….

13 thoughts on “Wahlnachlese

  1. Opposition?
    Ich habe beim Wahlkampf keine großen Unterschiede der Parteien CDU/CSU/SPD/Grüne feststellen können. Vor allem hat man es tunlichst unterlassen das Thema Agenda 2010 und das Lohndumping als Problem für Deutschland und Europa anzusprechen. Wahrscheinlich weil alle genannten Parteien damit zu tun haben.
    Nach wie vor wird behauptet, dass die Agenda 2010 nötig war, und bestenfalls kleine Korrekturen nötig wären. Damit kommt man allerdings gegen das überall ertönende „es geht uns gut“ geblubber nicht an.
    Nur die Linke hat aufgezeigt, dass ein wie auch immer gearteter Aufschwung an 25% der Bevölkerung vorbei geht. Ein Trommelfeuer aus der Presse hat sich ausserdem über die Parteien, die notwendige Steuererhöhungen forderten hergemacht. Statt Steuererhöhungen gibt es jetzt wohl die KFZ-Maut oder eine neue Mehrwertsteuererhöhung. Die bisherige und wahrscheinlich auch die neue Bundesregierung hat von der Substanz gelebt, und irgendwann muss auch wieder investiert werden, sonst sieht es düster aus.

  2. Da muss ich widersprechen.
    Wenn man sich die Programme wirklich mal anschaut und die Konsequenzen daraus betrachtet, dann sind die Unterschiede gravierend.
    z.B Steuerpläne:
    Vor 2 Wochen war in der Sueddeutschen Zeitung eine Modellrechnung eines Wirtschaftsprofessors zu sehen, der die Konzepte der Parteien durchgerechnet hat.
    Bei CDU/CSU würden die Entlastungen zwischen 840 und 1276 Euro im Jahr liegen die 1276 selbstredend für die besser verdienenden.
    Bei der SPD würden Einkommen unter 3000 EUR/Monat mit bis zu 3000 EUR im Jahr entlastet. Für mittlere Einkommen würde sich nichts ändern und der Spitzensteuersatz würde auf 49% steigen (war schon mal 53).

    Dieses Gerede von kein Unterschied geht mir gewaltig auf den Keks.
    Frau Merkel hat hier die Trägheit der Wähler bewusst ausgenutzt und einige Punkte von SPD und Grünen im Wahlprogramm abgekupfert (die bei näherer Betrachtung doch was ganz anderes sind, siehe „Mindestlohn“ a la CDU).
    Wer da nur oberflächlich oder gar nicht draufschaut kann sich in seiner Meinung “ macht keinen Unterschied “ bestätigt fühlen.

    Aber die Unwissenheit nützt der Rechten.
    Siehe Bayern:
    59% CSU bei den Wählern mit Hauptschulabschluss
    37% CSU bei den Wählern mit Hochschulabschluss

    Leider keine Satire sondern Realität.

    „Mia san mia“ und „Bayern bleibt weiss-blau“ ( Rülps!)

  3. Wo brummt denn bitte unsere Wirtschaft ?
    Wenn ich die Zahlen sehe, dann frage ich mich, was daran erfolgreich sein soll? Unter einer brummenden Wirtschaft stelle ich mir idealer (naiver?) Weise vor, das es keine Arbeitslosen (und auch keine „Sockelarbeitslosigkeit“) gibt und Arbeitgeber ihr Personal suchen müssen. Ebenfalls zu einer brummenden Wirtschaft gehört mMn, dass die Bearbeitung von Aufträgen etwas länger dauert, weil Auftragsbücher überquillen und nicht genügend Personal zur Verfügung steht, um die Aufträge in der kürzest möglichen Zeit zu erledigen. Davon sehe ich aber nichts!
    Was haben wir stattdessen? – Rund 5 Millionen Arbeitslose, wenn man alle die mit berücksichtigt, die aus der Statistik heraus manipuliert werden. Die Wirtschaft dümpelt mit einem BIP von unter einem Prozent vor sich hin. Die Einzelhandelsumsätze stagnieren, bzw. sind seit Monaten rückläufig. Und die Löhne und Gehälter sind seit Anfang 2000 real auch gefallen, da sie nicht mal die Inflation ausgleichen. Das Einzige, was abgesehen von einem kurzen Einbruch in 2007/2008 gestiegen ist, sind Spekulationsgewinne. Die haben aber mit einer brummenden Wirtschaft nichts zu tun, da das Spekulkationscasino weitest gehend von der realwirtschaft abgekoppelt ist. (Nur wenn sie sich mal wieder verzockt haben, dann muss der Steuerzahler mal wieder für die Verluste haften.)

    Ach ja, und warum verwahrlosen eigentlich immer mehr öffentliche Einrichtungen, wie Schulen, Schwimmbäder oder Infrastruktur wie Strassen oder Bahnstrecken? Da stellt sich irgendwann mal die Grundsatzfrage, was denn eigentlich die Aufgaben des Staates sein sollen und wie die erfüllt werden sollen? Soweit mal zur Wirtschaft.

    Dass die AfD an der 5%-Hürde gescheitert ist, ist auch gut so. Nach der Analyse des Wahlprogramms konnte man dazu letzte Woche in den Nachdenkseiten einen sehr aufschlussreichen Artikel Lesen: AfD ante portas – Rechtsruck mit der deutschen Tea Party.

    Das die SPD sich zuviele Fallstricke gelegt hat, sehe ich auch so. Der Dickste davon heisst Agenda 2010. Insgesamt meine ich, dass die SPD erst mal wieder lernen sollte, was Sozialdemokratie eigentlich bedeutet.

    Die Piraten haben sich nach der Personalie mit ihrem Vorsitzenden wieder gefangen und wurden dann von der Presse mit Ignoranz bestraft, weil sie keine weiteren Skandale mehr lieferten, die die Presse hätte ausschlachten können. Ansonsten haben sie ein Programm entworfen, das Richtungspolitisch eher im linken Spektrum anzusiedeln ist. Das passt nicht in die konservativen Konzepte, die den Mainstream der Berichterstattung umfassen, weshalb man durch Ignoranz und „unter den Tisch fallen lassen“ dafür sorgt, das diese Ideen sich nicht über interessierte Kreise hinaus weiter verbreiten. Aber die haben bei uns noch am Freitag vor der Wahl mit einer interessanten Aktion auf sich Aufmerksam gemacht: Sie haben aufgerissene Briefe verteilt. Da war u.a. ein Zettel mit folgendem Text drin: „Sie fragen sich, warum Ihre Post geöffnet wurde? – Das fragen wir uns bei E-Mail auch!“ Dazu haben sie ein ausführlicheres Faltblatt mit ihren Zielen zur Bildungspolitik und eine Stichwortsammlung ihres kompletten Programms gelegt. Insgesamt schätze ich, dass der Versuch, das Image der Ein-Themen-Partei abzulegen, noch nicht so klappt, wie sie es gerne hätten. Aber ich denke, das wird sich noch ändern.

  4. Heute in den Nachdenkseiten zu lesen: Für Anhänger der SPD und der Grünen folgen ein paar Hinweise auf seltsame Vorgänge, vor allem auf die fortwährenden Versuche der Fremdbestimmung

    So die Überschrift. Sehr inteessant.
    .
    .
    Ach ja, dann wäre noch festzustellen, dass die Differenzen zwischen Union und Linken so gross sind, dass da bestenfalls in Einzelfragen eine Zusammenarbeit statt findet, bzw. dort, wo es die Geschäftsordnung des Bundestages vorsieht, also etwa in Ausschüssen oder beim Amt des Bundestagspräsidenten. Ansonsten wird es da wenig Zusammenarbeit geben und schon gar keine Koalition. Dafür sind die Weltsichten der beiden Parteien einfach zu verschieden. Mit anderen Worten: Dass die Schwarze Witwe die Linken aussagt ist ziemlich unwahrscheinlich.

  5. Moin,

    > Welche Partei saugt sie diesmal aus? Ich hoffe nur die Grünen müssen nicht dran glauben

    Wenn es die SPD wird, so ist diese bis 2017 dann auf das Mass einer Kleinpartei zurückgeschrumpft. Endlich ein Ende der revisionistischen Spezialdemokraten die seit Bismark systemtragend die Aufgabe hatte die Arbeiter zu verarschen.

    Wenn es die Grünen werden, so zerlegt es die ehemalige Pazifistenpartei mit Recht endgültig. Das denen nicht schon nach dem Jugoslavien und Afghanistankriegen alle Wähler weggelaufen sind wundert mich.

    Das Chaos was Du derzeit bei den Piraten siehst entspricht dem Selbstfindungsprozess der Grünen Anfang der 80er. Die Grünen heute sind jedoch eher dort wo die SPD unter Noske war.

    ciao,Michael

  6. Das der Absturz der SPD bei der Letzten Wahl auf die Große Koalition zurückzuführen ist ist nicht schlüssig. Wen dem so währe, hätten die 4 Jahre Opposition sie auf ihren Wert von vor 2009 bringen müssen.

    Die SPD hat unter Schröder mit der Agenda 2010 einen Coup gelandet den Deutschland im Wettbewerb mit den anderen EU Staaten an die Spitze setzt. Ab dem Zeitpunkt, wo die Politik Früchte getragen hat, wollten die SPD nichts mehr damit zu tun haben. Merkel hat die Agenda Politik mehrfach gelobt. Anstelle Kapital aus dem Erfolg zu schlagen, haben Gabriel, Nahles und Co. für einen Linksruck gesorgt. Merkel fürht die Politik von Schröder weter, und bekommt somit die Stimmen aus der Mitte. Der Schritt nach Links hat der SPD aber keinen Erfolg gebracht, weil die Harz4 Empfänger und geistig Minderbemittelten dort noch genau wissen wer Harz4 eingeführt hat und lieber die Linken wählen.
    Wenn die SPD nicht in eine neue Große Koalition geht, wird es Neuwahlen geben, und die werden der CDU die absolute Mehrheit bringen.

  7. Über Steuererhöhungen denkt inzwischen ja sogar die CDU laut nach, noch bevor ein künftiger Koalitionspartner (SPD oder Grüne) diese überhaupt als „unumstößliche Bedingung“ gefordert hat. Dem Vorstoß der Linkspartei, in den kommenden Wochen schnell mit der rot-rot-grünen Mehrheit einen Mindestlohn zu beschließen, gebe ich auch eine gewisse Chance.

    Mit dem Konzept: Mindestlohn (macht rot-rot-grün schnell vorab), ein bisschen Steuererhöhung für „Reiche“ und ein bisschen Autobahnmaut vor allem für Ausländer (indem im Gegenzug die Kfz-Steuer gesenkt wird) sind dann auch Grüne bzw. SPD und die CSU irgendwie zufriedenzustellen.

    Dass Merkel ansonsten nicht alles dauernd reformiert, finde ich ehrlich gesagt gut. Planungssicherheit ist auch viel wert. Die Rentenversicherung war beispielsweise bereits im Rahmen der Agenda 2010 auch weit über 2010 hinaus durchgerechnet worden. Hier muss man nur verhindern, dass die SPD das wieder rückreformiert, wie sie es im Wahlkampf versprochen hat, denn sonst wird es teuer.

    Im Bereich „Gesundheit“ kann man allenfalls reformieren, indem man das generische Leistungsversprechen („alles, was medizinisch möglich und nötig ist, wird grundsätzlich auch bezahlt“) der GKV aufgibt. Danach geht aber ein Shitstorm los, gegen den das ganze Fingerzeigen wegen „Hartz IV“ nur eine müde Aufwärmübung ist. Bleibt man beim Leistungsversprechen, kann man allenfalls die allerschlimmsten Auswüchse beheben. Das hat die FDP in den vier Jahren, die sie das Gesundheitsministerium innehatte, zwar gehörig verhindert, und so ist kein Durchschnittseinkommen in den letzten Jahren so stark gestiegen, wie das der Ärzte, und so sind in den letzten vier Jahren dank höherer Beschäftigungsquote auch die Beiträge zu Arbeitslosen- und Rentenversicherung gesunken, aber nicht die Krankenkassenbeiträge. Egal, ob das Gesundheitsministerium an CDU, CSU, SPD oder Grüne fällt: Die werden das sicher besser hinbekommen, dass die Ärztehonorare und die Pharmakosten in den nächsten Jahren nicht ganz so steil nach oben zeigen.

    Klar kann man eine Bürgerversicherung einführen – und sich dann auf ein Jahrzehnt der Prozesse vor dem Bundesverfassungsgericht einstellen, ob die zugehörige Enteignung der PKV legal und grundgesetzkonform abgelaufen ist. Interessanter fände ich das Modell, die PKV bewusst zu behalten, und sie zu Honorarvereinbarungen mit Ärzten zu berechtigen bzw. auch zu verpflichten. Da die KVen („Kassenärztlichen Vereinigungen“) gerade in einigen Skandalen feststecken und die FDP nicht im Bundestag ist, könnte man das vielleicht mit Erfolg durchziehen.

    Aber da ist jetzt eben ganz viel „hätte, könnte, würde“ mit bei. Das System einfach weiterlaufen zu lassen und die gröbsten Exzesse abzustellen, ist mit Sicherheit die stabilere Politik. Wer die PKV nicht mag, sollte nicht mit einer Pflicht-Bürgerversicherung wedeln, sondern einfach der PKV die Risiko-Selektion („gut verdienende, junge, gesunde Menschen“) immer schwerer machen. Dann läuft die schon von selber gegen die Wand. Die SPD hatte in der Richtung übrigens bereits einiges unternommen, die FDP hat natürlich zum Teil das Rad wieder zurückdrehen lassen.

    Kai

  8. Hi,

    Bis die SPD wieder sozialdemokratisch ist, müsste sie aber noch erheblich weiter nach Links.

    Das sehe ich allerdings auch so. Wenn sie die Linkspartei überflüssig machen will, was ja mal irgendwo als Ziel zu lesen war, oder irgendwer gesagt haben soll, dann wird sie sie schon links überholen müssen. Aber davon sind wir weit entfernt.

    2005 war die SPD rechts von der NPD!

    Da wäre ich mir allerdings nicht so sicher, weil man da doch aufpassen muss, was die NPD veröffentlicht, und womit sie sich bedeckt hält.

    Aber gut, da diese Ansichten des political compass von einer britische Webseite kommen, unterscheidet sich natürlich auch die Perspektive, aus der die Parteien betrachtet werden.

  9. Die SPD ist schon recht lange gut im links blinken und dann doch rechts abbiegen. Dazu paßt auch, daß die SPD-Führung nun doch eine große Koalition will, obwohl sie vor der Wahl das Gegenteil versprochen hat. Wer will die in Zukunft noch wählen, wenn er genau weiß daß er dann auch gleich CDU wählen kann? Wenn sie unbedingt in die Fußtapfen der FDP treten wollen…
    Auf der anderen Seite das kindische „mit den Linken reden wir nicht“. Das hat schon mal zu Hitler geführt, und zu mächtig viel Toten. Aber für die SPD-Führung kein Grund zum Aufwachen.

  10. Ach was! – Die Union könnte es doch auch mit einer Minderheitsregierung versuchen. Dann könnten Grüne und SPD ganz in Ruhe austesten, ob die Linke wirklich so unzuverlässig ist, wie immer behauptet wird. Und die Linke könnte zeigen, dass sie bereit ist, auch Verantwortung zu übernehmen wenn es drauf ankommt und mit ihren Prinzipien vereinbar ist. Wenn dadurch dann noch der Arbeitnehmerflügel in der Union (den es ja auch gibt) gestärkt würde, dann wäre das sogar eine Entwicklung, die Merkel langfristig schaden würde.

    Und ich bin mir sicher, die Linke würde keine Ruhe geben, bis nicht alles Umgesetzt wäre, was sowohl in den Programmen von SPD und Grünen als auch im Programm der Linken drin steht. Den Anfang haben sie mit der Mindestlohnforderung ja schon gemacht.

    SPD, Grüne und Union könnten sich hingegen die Partner aussuchen, mit denen sie jeweils bestimmte Dinge durchsetzen wollen, die der Linken nicht gefallen.

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