Die ISS und die Abbremsung durch die Atmosphäre

Nachdem ich, als ich für die Gefahren des Weltraummülls mal rochiert habe wie lange ein Satellit in dieser Höhe wohl lebt und da auch einen Quelltext gefunden habe um das vereinfacht zu berechnen, dachte ich mir spielen wir mal da mal etwas rum und zwar mit einem bekannten Objekt. Für die Routine wichtig ist:

  • Die Fläche die zur Abbremsung beträgt – man kann auch die Abbremsung im All vergleichen mit dem Luftwiederstand der ja auch mit der Fläche ansteiget.
  • Die Masse, denn die Kraft die wirkt geteilt durch die Masse ergibt die Abbremsung. Ballonsatelliten verglühen selbst in Bahnen über 1000 km innerhalb weniger Jahre
  • der Solarfluxindex – die gemessene Radiostrahlung der Sonne die recht gut mit ihrer Aktivität korreliert. Bei aktiver Sonne treffen besonders viele Protonen auf die oberste Atmosphäre. Sie überragen Energie auf die getroffenen Atome (Moleküle gibt es im Weltraum durch die UV-Strahlung kaum noch) und die Atmosphäre dehnt sich aus – der Abbremseffekt ist größer. Der SFU schwankt zwischen 70 und 300, wobei die Zeiten extremer Aktivität kurz sind. Meist schwankt er zwischen 70 und 150, erkannt aber kurzzeitig auch 300 erreichen.
  • der Magnetische FlussIndex: Gibt einen Aufschluss über die momentane Stärke des Erdmagnetfelds, das auch von der Sonnenaktivität abhängt, es wird bei höherer Aktivität zusammengedrückt. Viele Teilchen der oberen Atmosphäre sind ionisiert und als geladene Teilchen folgen sie den Magnetfeldlinien und werden so beschleunigt. Je höher die Magnetfelddichte desto schneller sind die Ionen.

Die Fläche der ISS wird von ihren Solarzellen bestimmt. Die haben alleine 2500 m², dazu kommen dann noch 150 m² für die Module wenn sie mit der Längsachse von Bewegungsrichtung fliegt. Die Masse beträgt 420 t. Die Orbithöhe betrug mal 420 km. Die folgende Abbildung zeigt was bei einer Ausgangshöhe von 420 km und einem mittleren SFU von 130 und einem AP-Index von 20 passiert. Die Station hat ohne Maßnahmen eine Lebensdauer von 760 Tagen, wobei sie 650 Tage braucht um um 120 km auf 300 km zu sinken. Die zweiten 120 km bis sie in 180 verglüht legt sie in 50 Tagen zurück (bei 0 km stoppt die Simulation, weil die Lebensdauer nun kleiner als ein Tag ist und auch andere Faktoren starken Einfluss haben).

Nun drehen wir mal an den Werten. Angenommen, es wäre gerade ruhige Sonne oder im extrem sehr aktive Sonne, wie wirkt sich das aus? Nun wenn man den SFU-Index zwischen 70 und 220 variiert (300 wird nur über wenige Tage erreicht) so sieht man, dass der Einfluss sehr stark ist: Bei 70 SFU bleibt sie 1500 Tage im Orbit, bei 220 unter 330 Tagen. Viel geringer ist der Einfluss des magnetischen Fluxes, zudem linearer. Hier schwankt die „Lebensdauer“ nur um rund 100 Tage rund um die 720 Tage.

Was kann man tun um das absinken zu verhindern – natürlich, wie bisher auch, den Orbit laufend anheben. Nach dem Ablegen der letzten ATV machen das ja nur noch die Progress tun – und seit der letzte ATV ablegte ist sie ja auch von 416 auf 400 km Höhe abgesunken. Besser wäre es die Solararrays durch effizientere zu ersetzen. Die derzeitigen haben 14% Wirkungsgrad. Flexarrays von ATK haben heute 26-28%. nimmt man nur die konservative erste Zahl, so würde die Fläche von 2650 auf 1500 m² sinken. Die Aufenthaltsdauer würde von 706 auf 1248 Tagen ansteigen.

Die wirksamste Möglichkeit ist es aber die Station möglichst weit abzuheben: Um die ersten 10 km zu sinken braucht die Station im Anfangsszenario 133 Tage. Würde man sie nur um 30 km anheben, so würde sie bedeutend länger im Orbit bleiben, nämlich 1300 Tage. Es ist effizienter als sie dreimal um 10 km sinken zu lassen und dann anzuheben, denn das bringt nur 440 Tage mehr, einmal um 30 km anzuheben dagegen 600 Tage. Das spart über die Zeit schon Treibstoff. Derzeit hat die ISS wenn man sie regelmäßig anhebt und die Bahnhöhe konstant hält einen Schubbedarf von rund 6,9 Millionen Ns, das sind bei den lagerfähigen Treibstoffen rund 2,4 t Treibstoff. (Spezifischer Impuls 2900 angenommen).

Zum Schuss noch eine Frage aus dem Bereich – was wäre wenn. Was wäre wenn man bis zum Ende der Lebensdauer der ISS (2029) keine Anhebung mehr durchführen müssen? Nun wir müssten sie auf 520 km Höhe bringen. Dort hat sie eine Lebensdauer von 5097 Tagen (11.6.2029, bis Ende 2028 laufen derzeit die Planungen. Dazu braucht man rund 25,7 Millionen Ns, also einmal 8,9 Treibstoff – alternativ kann man natürlich auch 7 Jahre jeweils 2,4 t Treibstoff investieren um die Bahnhöhe zu halten. Das hätten zwei ATV geleistet.

Eine zu hohe Bahn ist aber nicht geplant, da auch die Nutzlast der Raketen abnimmt und da der Transporter dann auch mehr Treibstoff später zum verglühen braucht geht das gleich doppelt von der Fracht ab. Bei der Ariane 5 ES z.b. um 55 kg wenn die Bahn um 10 km höher. Bei 16 t Masse beim ablegen braucht ein ATV zudem 33 kg mehr Treibstoff um zu verglühen, das heißt eine 10 kg höhere Bahn reduzieren die Nutzlast um 88 kg oder 1,3% der Frachtmenge. Mann kann so leicht rechnen, wann man besser fährt. Beim einmaligen Angeben braucht man 7,9 t Treibstoff verteilt über 7 Jahre weniger. In der Zeit werden rund 210 t Frachtgüter zur Station gelangen. 1.3 % davon sind 2,6 t – das einmalige anheben wäre also die bessere Lösung.

2 thoughts on “Die ISS und die Abbremsung durch die Atmosphäre

  1. Die Bahnhöhe der ISS ist ein Kompromiss aus vielen Faktoren. Je höher man diese legt, desto höher ist auch die Strahlenbelastung der Astronauten. Und die Erdbeobachtung ist etwas schlechter, weil man weiter weg ist. Die Solarpanele mit effizienteren Zellen zu belegen, ist sicher eine gute Idee für die nächste ISS. Für die aktuelle ISS ist es sicher günstiger, den zusätzlichen Treibstoff zu liefern als neue Panele.

    Wollte man die Effizienz deutlich steigern, sollte man das Anheben der Bahn statt mit konventionellen Antrieben mit Ionentriebwerken erledigen. Da derzeit die Bahnmanöver immer mit den Triebwerken der Transporter gemacht werden, müsste man einfach nur Dragon/Cygnus/Progress mit einem Ionentriebwerk und Xenon-Treibstofftank ausrüsten. Ich meine, das hast Du auch schonmal ausgerechnet, Bernd. Aufgrund des höheren Isp spart man erheblich Treibstoff. Dafür braucht man halt Strom. Von dem hat die ISS aber eigentlich genug.

  2. Sehr geehrter Herr Leitenberger,

    mich interessiert wie groß der Widerstand in tangential Richtung ist. Und wie deren Verlauf über der höhe ist..
    Ob der „Luft/Strömungswiderstand“ im mN oder N Bereich liegt.

    Konkret habe ich mir folgendes überlegt:
    Ein interessantes Konzept wäre, wenn von der ISS in alle Raumrichtungen (die Normal auf das Erdmagnetfeld stehen) lange starre biegesteife „Tether“ abstehen. Die ISS bewegt sich durch das Erdmagnetfeld -> Lorentzkraft.
    Einerseits kann man dadurch Strom gewinnen was aber dazu führt das die Raumstation noch stärker gebremst wird. Oder man dreht den Spieß um und legt eine Spannung an die Tether an. Dadurch kann auf die Raumstation eine Kraft ausgeübt werden deren Wirkungslinie des Wiederstandes entspricht (aber in entgegengesetzter Richtung). So behält die ISS ihre Bahngeschwindigkeit und das führt zu einer konstanten Bahnhöhe.
    Ein weiterer Vorteil ist das außer Strom kein Treibstoff benötigt wird.

    Nur wie groß ist der Widerstand der Raumstation und die Stärke des Magnetfeldes in den Höhen…

    Und die nächste Frage ist wo sind die Grenzen von diesem Antrieb …

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