Vor 60 Jahren – die Kubakrise

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Neben dem aktuellen Konflikt in der Ukraine ist ein Jubiläum in Vergessenheit geraten – die Kubakrise. Ich möchte an diese Krise erinnern die sich in wenigen Tagen zum 60-sten male jährt.

Der Konflikt hat eine lange Vorgeschichte, er beginnt am 8.11.1955. An diesem Tag wird die Entwicklung der PGM-19 Jupiter beschlossen, zusammen mit der Entwicklung der PGM-17 Thor. Die Jupiter wurde beschlossen, weil das ABMA auf die Navy Forderung einging, dass die Rakete nicht länger als 50 Fuß sein dürfte, damit sie in Atom-U-Boote passt. Die Jupiter war somit als erster U-Boot gestützter Atomwaffenträger gedacht. Doch es gelang Ende der Fünfziger Jahre, Wasserstoffbomben kleiner zu bauen und die Navy schwenkte auch kleinere, mit Feststoff angetriebenen Raketen um, die erste dieser Typen war die Polaris. Sie war zudem viel einfacher im Handling als die mit flüssigen Treibstoffen betriebene Jupiter.

Damit fehlte der Jupiter die geplante Stationierung. Die USA entschlossen sich die Rakete trotzdem zu bauen und in Süditalien und Türkei zu stationieren. In Süditalien 30 Raketen in zwei Squadronen und in der Türkei eine Squadron mit 15 Raketen. Die Stationierung begann 1961. Beide Basen konnten Moskau, Wolgograd und Leningrad sowie alle westlich davon liegenden Städte der UdSSR und des Warschauer Paktes erreichen. Die Raketen in der Türkei noch weitaus östlicheres Gelände wie z.B. Baikonur wo damals viele russische ICBM stationiert waren.

Chruschtschow reagierte wie damals auch die USA. Wenn ein Staat mit etwas Neuem in der Rüstung begann – neue Waffen oder eben hier eine Waffe neu stationieren, wo es bisher keine Raketen gab. Dann machte man dasselbe. Es könnte ja eine „Lücke“ geben. Es ging vor allem gegen die 15 Raketen in der Türkei. Die 30 Raketen in Italien die auch alle größeren Städte im Westen Russlands bis zum Ural erreichen konnten, wurden von der UdSSR nicht als Bedrohung gesehen, genauso wie die in England stationierten Thor, welche auch Westrussland von England aus erreichen konnten, einschließlich Moskau. Als bedrohend wurde wohl die Nähe zu der ICBM Test- und Stationierungsbasis in Baikonur angesehen. Zusammen mit der kurzen Vorwarnzeit wurden sie von den Sowjets zu Recht als ernstzunehmende Bedrohung ihrer ICBM angesehen.

Anders als Russland ist aber die USA nicht von Staaten umgeben, die Bestandteil des jeweils gegnerischen Bündnisses sind, also in Europa die NATO Staaten. Da war es von Vorteil, das Kuba sich den Kommunisten zuwandte und die Atomraketen akzeptierte. Castro war zuerst offen für Bündnisse mit beiden Supermächten und hatte nur die Absicht den Diktator Batista zu stürzen. Allerdings war Kuba wirtschaftlich voll im Griff von US-Konzernen, die große Profite machten während die Kubaner verarmten. Castro verstaatlichte die Firmen und daraufhin verhängten die USA ein Wirtschaftsembargo. Russland war bereit Rohstoffe wie Öl zu liefern und so wandte sich Castro der UdSSR zu. Vorher hatte er mit dem Kommunismus nicht viel am Hut.

Dabei geholfen dürfte ein noch vom vorherigen Präsidenten Eisenhower geplante CIA-Operation, die dann unter Kennedy stattfand. Die CIA nahm an, dass wenn sie Exil-Kubaner auf Kuba anlanden würde, die Armee sich gegen Castro wenden würde. Doch die Aktion war miserabel geplant. Die Exilkubaner schlecht ausgebildet und die Waffen veraltet und nicht ausreichend. Direkt eingreifen mit modernen Waffen wollte die CIA und das US-Militär nicht.

Die Invasion in der Schweinebucht im April 1961 scheiterte aus verschiedenen Gründen. So gelang es nicht die Luftüberlegenheit zu gewinnen und die kubanische Revolutionsarmee hatte vorher einige Jahre gegen Batista gekämpft war also kampferprobt und die Verstaatlichung der US-Firmen war in Kuba sehr populär. Es gab nie die Gefahr das sich die Bevölkerung dem Aufstand anschließen würde.

Castro kam zu dem Schluss, dass er sich gegen eine weitere US-Invasion absichern müsste. Wenn die USA mit regulären Truppen angreifen würden, hätte er mit der veralteten Ausrüstung keine Chance gehabt. Da kam die Offerte der Stationierung von Mittelstreckenraketen gerade recht. „Was gibt es besseres zur Abschreckung als eine Kernwaffe?“ wird sich wohl Castro gedacht haben, auch wenn die stationieren Raketen vom Typ R-12 und R-14 sowohl wegen der Reichweite (1650 bzw. fast 4.000 km) und der Größe des Sprengstoffe (1,14 und 1,65 MT) nicht als taktische Atomwaffen einsetzbar waren, also um auf dem Gefechtsfeld eingesetzt werden können.

Ab dem 10.7.1962 transportierte Russland 230.000 t Material und 42.000 Soldaten sowie 40 R-12 und 24 R-14 Raketen nach Kuba. Die R-12 erreicht die südöstliche Spitze der USA, bis zu Teilen Texas und einen Großteil der Westküste, die R-14 sogar fast die gesamten USA bis auf den nordwestlichen Zipfel um San Francisco herum.

Entdeckt wurden die Raketen am 14.10.1962. Eine U-2 entdeckte SS-4 (RS-12) Raketen, die schon vorhandenen SS-5 (RS-14) wurden nicht entdeckt. Nachdem vor zwei Jahren eine U-2 über der Sowjetunion abgeschlossen wurde und vorherige U-2 Flüge die Existenz von Luftabwehrraketen enthüllt hatten musste jeder Flug von Kennedy genehmigt werden. Die U-2 wurde auch bemerkt, nur hatten die Soldaten keinen Befehl sie abzuschießen. Trotz weiterer Flüge wurde das Ausmaß der vorhandenen Waffen übrigens nie von den USA erkannt. Sie schätzten sowohl die Zahl der Raketen wie auch Atomsprengköpfe (es befanden sich 80 auf der Insel) zu niedrig ein.

Kennedy lies zwei Optionen untersuchen – einen Luftschlag um die Raketen auszuschalten bevor sie einsatzbereit waren und eine Blockade. Die US-Air Force konnte nicht zusagen, dass ein Luftschlag alle Raketen ausschalten könnte und so wurde die Blockade gewählt und 200 Schiffe machten sich auf zu Positionen, in denen sie die Blockade ab dem 24.10.1962 durchführen sollen. Am 22.10.1962 machte J.F. Kennedy dies öffentlich in einer Fernsehansprache. Er forderte den sowjetischen Regierungschef Nikita Chruschtschow zum Abzug der Raketen aus Kuba auf und drohte für den Angriffsfall mit einem atomaren Gegenschlag. Die Streitkräfte wurden in Defcon 3 der zweithöchsten Alarmstufe versetzt.

Chruschtschow wandte sich offiziell gegen das Ultimatum, lies aber weitere Militärtransporte, die auf den Weg nach Kuba waren, zurück beordern, um die Situation nicht zu eskalieren. Die Escalation geschah auch von alleine. Einer der Frachter, die schon nahe bei Kuba waren wurde von vier U-Booten begleitet., die US-Navy zwang drei der vier U-Boote zum Auftauchen. Jedes hatte einen Nukleartorpedo an Bord, am 28.10. wurde das vierte zum Auftauchen gewrungen. Hier wurde der Nukleartorpedo nur nicht abgefeuert, weil einer der drei Offiziere dies nicht ohne Befehl von Moskau durchführen wollte.

Auf Kuba gingen die Vorbereitungen für die Stationierung dagegen weiter und Fiedel Casto forderte sogar einen Erstschlag. In einem Brief antwortete Chruschtschow vier Tage später: „Sie haben uns vorgeschlagen, als erste einen nuklearen Schlag gegen das Territorium des Feindes durchzuführen. Sie wissen sicherlich, was das für uns zur Folge gehabt hätte. Dies wäre nicht ein einfacher Schlag, sondern der Beginn des nuklearen Krieges. Lieber Genosse Castro, ich halte Ihren Vorschlag für unkorrekt.“

Es begann eine Zeit der Verhandlungen hinter den Kulissen. Ein erster Brief von Chruschtschow erreichte Kennedy am 26.10.1962, in dem dieser anbot, die Raketen von Kuba abzuziehen, falls die US-Amerikaner eine Invasion von Kuba ausschließen würden. Kennedy sicherte das zu. Doch dann legte Chruschtschow nach und forderte auch den Abzug der Jupiter aus der Türkei. Am 27.10.1962 wurden dann auch eine U-2 über Kuba abgeschossen, denn nun hatten die sowjetischen Streitkräfte den Befehl das zu tun. Kennedy intervenierte persönlich damit dies nicht einen Gegenschlag auslöste.

Am Abend des Tages kam es endlich zu einer diplomatischen Lösung, denn inzwischen hatte man auch in der US-Regierung erkannt das die Stationierung der Atomwaffen nur eine Reaktion auf die vorher erfolgte Stationierung der Jupiter in der Türkei waren. Um 19:45 Uhr Washingtoner Zeit fand ein Geheimtreffen zwischen Robert F. Kennedy und dem Sowjetbotschafter Anatoli Dobrynin statt. John F. Kennedy ließ seinen Bruder erklären, dass er auch einem Abzug der in der Türkei stationierten amerikanischen Jupiter-Raketen zustimmen würde, wie es bereits im zweiten – schon förmlicheren – Schreiben von Chruschtschow gefordert worden war.

Am 28.10.1962 nahm Chruschtschow das Angebot an und sagte zu, die Raketen abzuziehen. Die USA zogen später die Jupiter aus der Türkei ab, gaben dies aber nie öffentlich zu. So konnte sich Kennedy als „Sieger“ präsentieren, der für den Preis eines Nuklearkrieges in dem Konflikt seine Position durchsetzen konnte, auch wenn dem in Wirklichkeit nicht so war.

Chruschtschow den ich in dem Konflikt als den Besonnenen sehe, schlug dann vor, direkte Kontakte zu etablieren um solche Konflikte im Vorfeld zu lösen. So kam es schließlich zum „roten Telefon“, mit einer direkten Leistung zwischen den beiden Führungszentren. Die Kubakrise wäre vermeidbar gewesen, hätten die beiden Nuklearmächte sich im Vorfeld abgesprochen. Das rote Telefon beendete aber nicht das Wettrüsten. Das ging woanders noch Jahrzehnte weiter so als Russland Ende der Siebziger Jahre ihre veralteten Mittelstreckenraketen durch die neuen SS-20 ersetzten und es zum NATO-Doppelbeschluss kam.

In dem damaligen Klima konnten nur kleine Vorkommnisse einen Konflikt auslösen. Am 24.10.1962, dem Tag als die Blockade in Kraft trat, startete von Baikonur aus 2MV-4 Nr.1 (Sputnik 22) mit der Molnija T103-15 in einen 202 × 261 × 65,1“ Erdorbit. Die Zuverlässigkeit der frühen Molnija, die vierstufige Version der R-7 war miserabel, von sechs Sonden verließ nur eine den Erdorbit. Es lag vor allem an der letzten Stufe, Block-L. Diese Stufe wurde mit der Sonde in eine Parkbahn gestartet und bei Erreichen des idealen Punktes erneut gezündet. Das scheiterte in vier von sechs Fällen. Bei Sputnik 22 explodierte 16 s nach der Zündung von Block L die Turbopumpe und das Gespann zerbrach in etwa zwei Dutzend Einzelteile. Diese mit parallelen Bahnen sahen für das Überwachungssystem NORAD der USA ähnlich wie ein Schwarm von ICBM aus. Doch man behielt die Nerven und löste keinen Alarm aus.

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