Verschieben wird teuer
Martins Kommentare zu einigen der letzten Blogs brachten mich auf das heutige Thema. Er sprach an, dass man ja schon Geld in die Vinci Entwicklung gesteckt hat und sie heute dann sicher schneller und billiger wäre. Schneller vielleicht, weil etwas Vorarbeit schon angefallen ist. Billiger wohl nicht. Zuerst mal zum Thema schneller: In 3 Jahren haben zwei Testtriebwerke insgesamt 2200 Sekunden akkumuliert. Es sollten einmal 8 Triebwerke werden und sicherlich wird man nicht weniger Tests fahren als beim Vulcain. Bei diesem waren es 86000 Sekunden bis zum Erststart und es kamen danach noch weitere Tests dazu. Vor allem nachdem beim Vulcain 2 sich ja Probleme herausstellten die man in den Tests nicht fand dürfte es bei Vinci, das schwerer zu testen ist (Vakuum und Schwerelosigkeit sind schwer zu simulieren) nicht weniger sein.
Billiger wird es schon aus einem Grund nicht: Die rund 700 Millionen Euro für die Entwicklung waren im Wert von 2001, als die Entwicklung beschlossen wurde. Wenn man nun die Entwicklung neu aufnimmt dürfte alleine die Inflationsrate dafür sorgen das es teurer wird. Doch das ist nur ein Aspekt: Meiner Erfahrung nach werden Weltraumprojekte immer teuer wenn man sie verschiebt und zwar nicht ein bisschen, sondern massiv. Einige Beispiele:
Galileo sollte z.B. einmal 285 Millionen Dollar kosten. Als 1979 klar war, dass sich der Space Shuttle verspäten würde und auch die Centaur Entwicklung offen war, ging man schon aufgrund dieser Verzögerungen / konstruktiven Änderungen für Anpassungen an neue Trägersysteme von Mehrkosten von 120-225 Millionen Dollar, je nach Startoption aus. Im Jahre 1982 waren es dann schon 700 Millionen Dollar. Ursprünglich hätte die Raumsonde schon 1982 starten sollen. Als 1986 dann der Start wirklich anstand waren die Gesamtkosten auf 900 Millionen Dollar (700 Millionen für die Raumsonde und 200 Millionen für die Missionsdurchführung) gestiegen. Nach der Challenger Katastrophe stiegen die Kosten für die Raumsonde auf 882 Millionen und die der Mission auf 472 Millionen.
Die ISS ist ein zweites gutes Beispiel. Ihre Ursprünge gingen zurück bis in die 80 er Jahre, als sie noch Freedom hieß. Damals sollte sie für 8 Milliarden Dollar gebaut werden. Doch während man plante, machte die Challenger Katastrophe eine Revision des Konzeptes möglich. Es konnte nicht genügend Flüge geben, um die Station in der geplanten Form zu bauen und es waren zu viele Außenbordarbeiten notwendig. Bis Anfang der 90 er Jahre hatte die NASA alleine die ursprünglich geplanten 8 Milliarden Dollar nur für die Planung und das Design ausgeben. Als dann die Russen mit ins Boot kamen, nahm endlich auch die Hardware Gestalt an. Die Fertigstellung wurde 1997 für 2004 geplant und die Kosten mit 61 Milliarden Dollar. Inzwischen ist 2004 verstrichen, die Kosten der USA haben schon vor 2 Jahren die 100 Milliarden Grenze gebrochen und sie steigen weiter.
Warum ist dem so?
Nun es hat zwei Ursachen: Zum einen: Die Bauteile für die meisten Dinge in der Raumfahrt bekommt man nicht im Baumarkt nebenan. Es sind Spezialanfertigungen, und selbst wenn es handelsübliche Teile sind "Fachausdruck "off the shelf") dann muss gewährleistet sein, dass diese auch verfügbar sind wenn man sie braucht. Ein Satellit hat Entwicklungszeiten von einigen Jahren. Selbst das kann schon bei Elektronikkomponenten ein Problem sein. Versuchen sie einfach einmal einen neuen Athlon 3000 Prozessor, ein Standardbauteil von 2005 zu bekommen. Noch schwieriger ist es bei Trägerraketen oder dem Space Shuttle, also Systemen die über Jahrzehnte im Einsatz sind. Die NASA wie andere Raumfahrtagenturen lösen dies damit, dass sie Verträge mit allen Zulieferern, selbst für die kleinste Schraube abschließen. Sie bezahlen dafür auch noch nach Jahrzehnten Teile bestellen zu können, die der Hersteller sonst nicht mehr fertigen würde. Ganz einfach weil dies noch billiger ist als laufend alle Subsysteme neu qualifizieren zu müssen, weil Teile ausgetauscht wurden.
Die NASA hat so vorgerechnet, dass es über 2 Milliarden pro Jahr zusätzlich kosten würde, die Space Shuttles über 2010 noch aktiv zu halten – Das sind Fixkosten die einfach auflaufen ohne dass ein Start durchgeführt wird.
Mit dem verbunden ist natürlich auch ein Personalaufwand. Teile alleine nützen nichts wenn niemand sich mit Ihnen auskennt. Es wird Erfahrung benötigt: Wie man sie herstellt, einbaut, wartet, wie sie ins Gesamtsystem sich einfügen. Auch dafür zahlt die NASA. Sonst könnte ein Hersteller auf die Idee kommen einfach genügend Bauteile zu produzieren, einzulagern und dann die antike Produktionsstraße zu verschrotten und die Mitarbeiter zu entlassen. So beendete die NASA schon 2008 einige Kontrakte für den Space Shuttle. Schon im Oktober 2008 wurden beispielsweise 200 Arbeiter in Michoud entlassen, wo der externe Tank produziert wird. Es werden bis 2010 noch weitere 1300 der 1900 Arbeiter sein.
Daher: Die ESC-Bi Entwicklung wird wohl nicht billiger werden, eher teurer. Das heißt aber nun nicht, dass die ESC-B Entwicklung aufgeschoben werden sollte. Im Gegenteil. Wenn Europa durch das EGAS Programm 1 Milliarde Euro an Subventionen für Arianespace zahlt, dann sollte es doch das Eigeninteresse sein, dass dieser Produktionszuschuss nicht notwendig ist, indem die Nutzlast erhöht wird und die Kosten pro Kilogramm sinken. Sonst wird bald eine neue Finanzspritze fällig (EGAS läuft dieses Jahr aus). Noch unverständlicher ist es dann in meinen Augen zum einen die Ariane zu subventionieren und auf der anderen Seite dann auch noch den Umbau von ELA2 in ein Launchpad der Sojus mit zu finanzieren. Arianespace mag ein Interesse daran haben und die Russen auch – aber hat es Europa? Ich meine das eher umgekehrt ein Schuh draus wird. Wenn die Russen ihre Raketen von Kourou aus starten dürfen, sollten sie das CSG mit finanzieren, bei dem die ESA ja auch zuzahlt. Die eingesparten Millionen könnte man in die ESC-B Entwicklung stecken.
Noch ein kleiner Irrtum Martin: Für Planetensonden braucht man keine Wiederzündbarkeit. Das vereinfacht die Mission etwas, die Startfenster werden größer, aber alle Raumsonden die Europa bislang startete kamen ohne Wiederzündung aus. Auch Herschel/Planck kommen ohne aus. Das gleiche gilt für die meisten frühen russischen Starts und alle Starts von Ranger, Lunar Orbiter, Surveyor und Mariner bis zur letzten Sonde, (vorher war der NASA die Wiederzündung der Centaur zu riskant). Die ESC-B dürfte aber die Nutzlast erhöhen. Zum Mond z.B. um 4 t (von 6.8 auf 10.8 (nach diesen Angaben, ich finde sie etwas zu hoch und halte 9 t für realistischer).
Nun zu dem Thema an dem man heute morgen wohl nicht vorbei kommt: Der Amoklauf von Winnenden. Wie immer kommt danach die Frage: Hätte man das verhindern können? Ich denke die Waffengesetzte sind streng genug. Was will man da noch ändern? Wie will man verhindern, das Eltern bei denen das Verantwortungsbewusstsein nicht so ausgeprägt ist (oder das Vertrauen in die eigenen Kinder zu groß) ihnen Zugang zu Waffen erlauben? Sollen nun an jeder Schule Metalldetektoren aufgestellt werden? Und wie soll das praktisch gehen angesichts des Metalls in Schulranzen, Taschen, Füllern oder am Körper (bis hin zu Piercings – ich stelle mir mal die Szene vor wenn sich Schüler ausziehen müssen wegen eines Bauchnabelpiercings). Zumindest eines scheint bislang klar zu sein: Der Täter fällt nicht in die Stereotypen, welche die Politik so gerne bemüht: Ego-Shooter Spieler und Waffennarr. Ich glaube man wird nichts tun können gegen Leute die durchdrehen. Wenn man sie von Waffen fernhält, dann klauen sie vielleicht ein Auto und fahren damit mit Vollgas in der großen Pause auf den Schulhof. Es ist möglich aus vielen Dingen eine Waffe zu machen. Den einzigen konstruktiven Vorschlag denn ich habe wäre eine bessere psychologische Betreuung der Schüler – und zwar dauerhaft, damit es gar nicht zu solchen Verzweiflungstaten kommt. Dazu gehört aber eine Einstellungspolitik die auch dafür sorgt, dass die Schulen ausreichend mit Sozialarbeitern und Psychologen ausgestattet sind. Aber das kostet Geld, und Geld hat unser Staat nur für Materialinvestitionen übrig. Das kennt man ja vom Krisenpackt II, aber auch an unserer Hochschule ist es nicht anders. Ein Cluster für 250.000 Euro ist kein Problem, aber eine Dauerstelle für jemanden der ihn betreut? Unmöglich.
Ich weiß auch, daß man für einen reinen Start einer Planetensonde nicht unbedingt ein wiederzündbares Triebwerk braucht, wohl aber für den gleichzeitigen Staret einer Planetensonde mit einem Satelliten im GTO. Es geht mir darum die Ariane noch besser auszulasten, und zusätzliche Starts mit anderen Trägern zu verringern. Nur bei ausreichender Stückzahl werden durch Massenproduktion auch Kostenreduktionen zu erreichen sein.