Was ist die richtige Einheit für den spezifischen Impuls?

Eine gute Frage, denn viele orientieren sich an dem, was die Politik gerne „die normative Kraft des Faktischen“ nennt. Fangen wir aber mal viel einfacher an: Wofür braucht man den spezifischen Impuls und was sagt er aus?

Wenn wir es mal ganz einfach sehen, dann ist der spezifische Impuls eine Kenngröße für einen Raketenantrieb. Er hängt im wesentlichen von dem verwendeten Treibstoff ab, aber auch der genauen Auslegung des Triebwerks und nicht zuletzt den Umgebungsbedingungen (Betrieb am Boden oder im Vakuum) ab.

Es gäbe nun viele Dinge, die man für eine solche Kenngröße nehmen könnte – den Energiegehalt des Treibstoffs in KJ/kg oder die Leistung des Antriebs in MW. Alle diese Größen haben aber Nachteile. Der wohl entscheidendste: Es ist bei den meisten Größen nicht möglich, ohne weitere Parameter, direkt die Endgeschwindigkeit oder die beförderte Nutzlast für eine bestimmte Wunschgeschwindigkeit zu berechnen.

Die Raketengrundgleichung lautet:

v = vGase * ln (Mvoll / Mleer)

vGase : Die Geschwindigkeit des Gasstrahls beim verlassen der Düse. (Ausströmgeschwindigkeit)

Mvoll : Die Rakete voll betankt

Mleer: Die Rakete ohne Treibstoff

Während die letzten beiden Werte sehr einfach mit einer Waage ermitteln kann, wäre es doch ideal, wenn man die Geschwindigkeit der Gase ermitteln könnte. Doch wie geht das?

Nun es gibt einen Zusammenhang mit dem Schub. Der Schub ist definiert als:

F = vGase*MVerbrauch

Wenn man den Verbrauch an Treibstoff pro Zeiteinheit und den Schub kennt, dann kann man die Ausströmgeschwindigkeit berechnen.

Das geht recht einfach: Wir zünden eine Rakete und messen den erzeugten Schub mit einem Kraftmessgerät, stoppen die Zeit und teilen dann das Gewicht des verbrannten Treibstoffs durch die Brennzeit – schon haben wir den Massenstrom MVerbrauch (in kg/s). Dann kann man einfach die Ausströmgeschwindigkeit der Gase berechnen indem man den Schub durch den Massenstrom teilt.

Und nicht anders ist der spezifische Impuls bei uns definiert: Es ist die Ausströmgeschwindigkeit der Gase aus der Düse und er hat die Einheit [m/s].

In den USA ist das wie immer anders. Diesmal hängt es aber nicht mit ihrem komischen Einheitensystem zusammen (das außer den USA nur noch in Liberia und Myanmar eingesetzt wird). Aus irgend einem Grund (fragen sie mich nicht warum, denn ich weiß es auch nicht), haben die Amis beschlossen, die metrische Angabe des spezifischen Impulses durch die Konstante g (Erdbeschleunigung 9,80665 m/s) zu teilen. Sie haben also nicht die metrische Einheit in ihr System umgesetzt und z.B. von yard/s gesprochen, sondern diese komische Operation gemacht. Was rauskommt ist eine sehr merkwürdige Größe, sie sagt aus, wie lange ein Kilogramm Treibstoff einen Schub entwickelt, der genau 1 kg gegen die Erdbeschleunigung in der Schwebe hält. Die Einheit ist also eine Zeiteinheit [s]. Praktischer Nutzen? Keiner, denn natürlich muss der Schub größer als die Startmasse sein um abheben zu können und danach wird die Rakete leichter, so dass die Beschleunigung größer wird, für eine konstante Beschleunigung um 1 g müsste also der Schub verringert werden. Also wenig sinnvoll.

Vor allem nützt sie in der Berechnung nichts.

Ich habe mal bei einer Gelegenheit einen Professor der in der Lehre Raumfahrttechnik unterrichtet gefragt, warum auch bei uns die US-Einheiten so gebräuchlich sind. Wer sich mal ESA oder DLR Dokumente ansieht findet einen Mix, manche verwenden die SI Angabe, andere die US-Angabe. Bei den USA ist es so, dass die Industrie nur die US-Einheit verwendet. Die NASA ist bestrebt, auf ihren Webseiten nur SI Einheiten zu nehmen (oft mit US-Einheiten in Klammern), greift aber bei eingefügtem Infomaterial aus der Industrie auch auf dessen Einheiten zurück und es gibt nicht „die“ NASA Webseiten sondern zig Institute machen ihre Webseiten, die dann von der NASA in ihr CMS übernommen werden und dort findet man auch viele US-Angaben (das ist deswegen blamabel, weil die USA zwar in der Allgemeinheit ihr imperiales System haben, aber für Forschung und Kehre ab College Niveau eigentlich auch das SI System einsetzen sollten).

Die Antwort war, dass es nur eine Kenngröße sei und wenn man wisse wovon man rede sei es egal welche Einheit man nehme.

Nein, ich sehe das anders. Hier meine Argumente dagegen:

  • Die Einheit [m/s] hat einen direkten physikalischen Bezug, die US-Einheit nicht. Genauso gut könnte ich den spezifischen Impuls auch durch Pi oder die momentane Staatsverschuldung der USA teilen….
  • Mit der Einheit einer Geschwindigkeit kann ich rechnen. Bei den US-Angaben muss ich immer einen zusätzlichen Rechenschritt einschieben.
  • Wir haben das SI-System hier eingeführt und sollten uns daran halten. Es ist gesetzlich vorgeschrieben, nicht was wo man sich sich aussuchen kann. Schließlich übernehmen die Autoren ja nicht auch andere US-Einheiten wie z.B. Pfund, Fuß oder Gallone. Nur weil ein anderes Land es anders ist, übernehmen sie doch auch sonst keine Einheiten davon. Bei allen anderen Einheiten würden sich die Autoren blamieren oder mangelndes Wissen offenbaren. Nur weil die USA es so machen ist es eben nicht richtig.

Am vernünftigsten wäre es bei den SI Einheiten gar nicht vom spezifischen Impuls zu reden sondern gleich von der Ausströmgeschwindigkeit, also dem physikalischen Phänomen, für das er steht. Doch das ist leichter gesagt als getan. Der Begriff ist fest im Wortschatz verankert und ich benutze ihn viel häufiger als „Ausströmgeschwindigkeit“. Eine Alternativlösung wäre wenn ein Autor schon gerne die US-Einheiten nimmt, dann wenigstens auch in der US-Bennungen also als „specific Impulse“. Das Argument, dass es in den meisten Dokumenten in US-Einheiten steht kann ja nicht ernst gemeint sein. Natürlich gibt es von den USA viel mehr über Raketen und natürlich nehmen die ihre eigenen Einheiten. Bei allen anderen Einheiten wie lbf, gal, yd, inch ft etc. rechnet man aber dann doch auch um, warum nicht beim spezifischen Impuls. Mit der Benutzung von „specific Impulse“ würde zumindest in deutschsprachigen Dokumenten die fehlende fachliche Bildung des Autors recht deutlich auffallen.

Meine schon recht geringe Wertschätzung der Wikipedia zeigt sich dass der früher korrekte Eintrag inzwischen so abgeändert ist das er falsch ist. Mit Verweis auf Datenblätter (von US Triebwerksherstellern) oder die englische Wikipedia (die natürlich die US Einheit als korrekt einstuft).

Was passiert, wenn man mit zwei unterschiedlichen Einheitensystemen rechnet? Ich sage nur eines „Mars Climate Orbiter“ (ich lach mich heute noch krank wenn ich an die Blamage denke…)

3 thoughts on “Was ist die richtige Einheit für den spezifischen Impuls?

  1. 1. Einheit
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    Ich kann das gerne erklären, weshalb der Amerikaner beim spezifischen Impuls auf Sekunden kommt:

    Isp = F * t / m

    in US-Einheiten:

    [lbs] * [s] / [lbs] = [s]

    siehe da, Sekunden…! In SI-Einheiten erhält man übrigens ebenso [N*s/kg] = [m/s]. Das ist ja gerade so schön an SI-Einheiten.

    2. Ausströmgeschwindigkeit
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    Eigentlich müsste man ganz genau von der „in Schubrichtung wirksamen Ausströmgeschwindigkeit, gemittelt über die Öffnungsfläche der Ausströmdüse“ sprechen — das ist wohl etwas kompliziert, daher „spezifischer Impuls“. Zudem handelt es sich ja auch um den Impuls (Kraftstoss, F*t) pro Massenenheit (m). Daher ist „spezifischer Impuls“ eigentlich ziemlich passend.

    –> Ansonsten bin ich genau gleicher Meinung. Wikipedia müsste längst konsequent auf SI-Einheiten umstellen. Und die Amis auch… 🙂

  2. Eines ist mir noch eingefallen: Der spez. Impuls ist nicht immer gleich der Ausströmgeschwindigkeit. Bei luftatmenden Triebwerken (z.B. Turbinen-Strahltriebwerk am Flugzeug) ist die wirksame Ausströmgeschwidigkeit deutlich kleiner als der spezifische Impuls. Dort ist es dann auch weniger üblich die Einheit [m/s] zu verwenden, da [Ns/kg] „logischer“ klingt (obwohl äquivalent).

    So, genug Haare gespalten…

  3. Ja, es gibt auch noch einen volumenspezifischen Impuls (wichtig für die Leermasse der Tanks) etc. Aber wenn man von Raketentriebwerken redet (und in dieser Website geht es um nichts anderes) dann wird praktisch nur die Ausströmgeschwindigkeit des Gases verwendet.

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