Schlacken und anderes
Ich lese mich gerade wieder in die Ernährungslehre ein, vor allem in Ernährungsformen. Es gibt ja zahlreiche alternative Ernährungsformen. Neben Nahrungsformen, die nicht nur akzeptiert sind, sondern die sogar von der Ernährungsforschung begrüßt werden (wie die gemäßigte Firm des Vegetarismus bei dem nur auf Fleisch verzichtet wird, aber Milch und Eier erlaubt sind) gibt es zahlreiche extreme Formen, bei denen nur bestimmte Nahrungsmittel erlaubt sind, es zeitliche Einschränkungen oder nur bestimmte Zubereitungsarten gibt, die erlaubt sind.
Viele dieser Empfehlungen gehen zurück auf Ärzte oder Propagandisten, die sie zu einer Zeit (viele vor mehr als 100 Jahren) aufstellten, als man noch wenig über die chemischen und biologischen Vorgänge bei der Verdauung wusste bzw. was wichtig für den Körper ist. Hier zwei Beispiele:
Die Waerland-Kost geht auf den gleichnamigen Finnen/Schweden zurück, der in einer an die Ernährung aus dem Himalaja angelehnten Ernährung von Kopfschmerzen, Magenschmerzen und Verstopfung gesundete. Wie üblich wird dann ein philosophisches Bild gesucht, um das zu unternalen. Hier ist es das der Schlacken. Ich fand den Begriff schon suspekt als ich mit glaub ich 15 zum ersten Mal davon hörte, weil es irgendwie so klingt als wäre der Körper ein Hochofen. Schlacken sollen sich in Geweben ablagern. Im Darm sollen sich Fäulnisprozesse etablieren und das Blut sollte übersäuern wenn man die übliche Mischkost ist. Linderung bringt die Umstellung auf Rohkost, ergänzt durch Milch, Sauermilch, Quark und Vollgetreide.
Wir wissen natürlich heute, dass es keine Schlacken gibt. Im Stoffwechsel gibt es Kreisläufe, in denen umgebaut und abgebaut wird. Es gibt Endprodukte die ausgeschieden werden, aber keine Schlacken. Wenn was abgelagert wird, dann ist es Fett um die Organe, das ist heute auch als Gesundheitsrisiko bekannt. Zu dem kommt es bei der Kost nach Waerlandt sicher nicht, denn diese ist relativ ballaststoffreich und sättigend. Zu viel essen kann man da sicher nicht und sie kuriert natürlich Verstopfung und ohne viel Fett verweilt sie auch kurz im Magen, was die Magenschmerzen von Waerlandt besserte. So ist der gesundheitliche Effekt auf Waerland durchaus erklärbar. Allerdings ist sie auch arm an den Mineralstoffen Eisen, Jod und Calcium. Andere Stoffe liegen gerade an der Bedarfsdeckung, weshalb sie für Schwangere oder Kinder/Jugendliche noch ungeeigneter als für Erwachsene ist.
Die Theorie der Übersäuerung hat sich übrigens länger gehalten und taucht auch heute ab und an auf. Diese basiert zum Teil auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wenn die Nährstoffe abgebaut wenden entstehen Stoffwechselprodukte, die entweder leicht sauer oder leicht basisch reagieren. Doch der Körper hat ein eigenes Regulationssystem um den p.H. Wert der Körperflüssigkeiten aufrecht zu erhalten um dieses zu stören muss man schon recht drastische Dinge anstellen, nur mit der Nahrung geht das nicht. Trotzdem hat sich diese Vorstellung gehalten, wonach vor allem die säurebildenden Lebensmittel wie Fleisch, Vollkornerzeugnisse schlecht sind, basische wie Sauermilchprodukte oder Obst dagegen gut.
So ist die Übersäuerung auch Basis vieler anderen Ideen wie der Hay’schen Trennkost. Diese basiert auf der Vorstellung, das der Körper Protein und Kohlenhydrate nicht gleichzeitig verdauen sollte. Ansonsten verbraucht er dazu unnötig viel Energie. Nun das letztere wäre ja echt toll, weil ja der Anteil der Übergewichtigen dauernd ansteigt. Doch es entspricht nicht der Wirklichkeit. Protein kann nur zu 80% in Energie umgesetzt werden, doch das hat nichts mit der gleichzeitigen Aufnahme von Kohlenhydraten zu tun. Die Hay’sche Trennkost basiert nun darauf die beiden Stoffe zeitlich zu trennen:
Bis Mittags sollte man proteinhaltige Lebensmittel zu sich nehmen, abends dann kohlenhydrathaltige. Ein Abstand von 3-4 Stunden sollte mindestens zwischen beiden Mahlzeiten liegen. Da zudem die basischen Lebensmittel viermal häufiger gegessen werden sollte, ist die Kost reich an Gemüse, Salaten, Kartoffeln und arm an Käse, Getreideprodukten und Fleisch und daher gibt es zahlreiche Mängel bei Vitaminen und Mineralstoffen. Zudem wird es nicht so ganz einfach, weil die proteinreichen Lebensmittel ja vorwiegend sauer sind, also nur in geringer Menge gegessen werden dürfen. Das läuft dann darauf hinaus abends den größten Teil des Essens zu sich zu nehmen.
Diese Postulate werden auch gerne gemischt. so ist das Programm „Fit for Life“ eine Mischung aus Waerlandt und Hayse. Also Trennung von Nahrung nach zeitlicher Aufnahme (hier sogar mit Ausscheidungs und Aufnahmezyklen), Dann finden sich noch anleihen von Bircher („Sonnenkost“) in dem Programm, aber das werde ich mal an anderer Stelle ausführlicher besprechen.
„Wir wissen natürlich heute, dass es keine Schlacken gibt.“
Leider ist das alles andere als natürlich – man suche nur mal in einer bekannten Suchmaschine nach Entschlackungskur oder entschlacken. Nur in einem verschwindend geringen Teil der Ergebnisse findet man kritische Stimmen oder sogar die Aussage, Schlacken gäbe es im menschlichen Körper nicht. Der Glaube an abstruse Diäten oder Alternativmedizin, die ihre Wurzeln in uralten, nach wissenschaftlichen Maßstäben heute vollkommen unhaltbaren Theorien haben, ist anscheinend nicht so leicht auszurotten. In meinem Bekanntenkreis finden sich auch einige durchaus intelligente Menschen, die von Bach-Blüten, Schüssler-Salzen oder Homöopathie überzeugt sind.