Kann die Erde zu einem gigantischen Schneeball werden?

Bei einer Dokumentation wurde ich auf die Theorie des „Schneeballs Erde“ aufmerksam. Diese – kontrovers diskutierte – Hypothese postuliert, dass die Erde zweimal kurz nacheinander völlig vereist sein soll, einmal vor 715 bis 680 Millionen Jahren und einmal vor 660 bis 635 Millionen Jahren. Darüber hinaus soll es Indizien geben, dass es vor 2,3 bis 2,2 Milliarden Jahren eine globale Vereisung gegeben haben soll.

Der Mechanismus auf dem die Hypothese beruht ist die einer positiven Rückkopplung. Im Normalfall sind die meisten physikalischen Prozesse negativ gekoppelt, auch biologische Prozesse. Das bedeutet eine Störung eines Systems wird von diesem ausgeglichen, Die Antwort wirkt der Störgröße entgegen. Eine negative Rückkopplung ist dagegen verhängnisvoll. Die Antwort des Systems verstärkt die Störgröße, der Effekt wird immer größer. Eine heute befürchtete negative Feedback ist z.B. dass die Erwärmung der Meere zum Freisetzen von Methangas aus Clathraten führen kann, das wiederum den Treibhauseffekt verstärkt und so die Erwärmung des Meerwasser noch stärker wird. Bei der Venus soll eine negative Rückkopplung für die heutige Atmosphäre verantwortlich sein.

Schneeball Erde beruht auf einem anderen Effekt: dem unterschiedlichen Reflexionsgrad von Schnee und Meer. Meere haben eine geringere Albedo als Land. Sie reflektieren nur 6% des einfallenden Lichts. Dagegen hat frischer Schnee die höchste Albedo die wir kennen – 90% des Lichtes wird zurückgestrahlt. Eis, reflektiert immerhin noch 40% der Strahlung. Die Albedo der ganzen Erde liegt heute bei 30,6%.

Nun resultiert, wenn man einen atmosphärenlosen Körper betrachtet für jeden Körper eine Gleichgewichtstemperatur, bei der sich Strahlungszufuhr von der Sonne und Abstrahlung des Körpers die Waage halten. für die Erde in ihrer heutigen Form liegt diese Temperatur bei 255 K, also -18°C. Real liegt sie aber bei 288 K, also +15°C. Die Differenz ist der Atmosphäre und ihrem Treibhauseffekt zuzuschreiben.

Der große Albedounterschied ist verantwortlich für die Eis-Albedo Rückkopplung. Sie erklärt unter anderem, warum es in den Polgebieten auch im Sommer kalt ist und das Eis nicht vollständig schmilzt, aber auch die Entstehung der Eiszeiten. Die niedrige Albedo von Eis bedeutet, dass auch im Sommer nicht schmilzt. Es reflektiert, obwohl es an den Polen 24 Stunden lang Tag ist und viel Strahlung einfällt den Großteil der Strahlung. Weiterhin benötigt man viel Energie um Eis zu schmelzen, d.h. entsteht es erst einmal so ist es sehr beständig. So können sich in Eiszeiten die Eiskappen von den Polen ausdehnen und sie decken dabei Meer aber auch Land ab. Damit sinkt aber zumindest regional die Albedo ab, das Sonnenlicht wird vornehmlich reflektiert, die Lufttemperaturen sinken (nicht nur wegen des Eises sondern auch wegen der Reflexion). Das ist ein negatives Feedback: dadurch das durch niedrige Temperaturen es mehr Eis gibt, sinken die Temperaturen weiter, weil das Eis Strahlung reflektiert und die Luft darüber abkühlt. Es kann zu einer Eiszeit kommen. Die letzte Eiszeit, von der wir in altem Eisbohrkernen sogar die Zusammensetzung der Luft kennen führte dazu dass sich die Eismassen teilweise bis zum 40 Breitengrad vorschoben.

Jedoch gibt es auch eine Limitation. Am Äquator sollten die Temperaturen jahreszeitlich gleich sein. Es fällt schwer zu glauben, dass dort wo es heute am heißesten ist, jemals die Temperatur so weit abgesunken ist, dass die ganze Erde vereist ist. Auf der anderen Seite lehren uns die Eiszeiten, dass Eismassen sich sehr weit ausdehnen können. Nimmt man nur an das sich die Albedo der Erde auf den von altem Eis verändert (40%), so sinkt die globale Durchschnittstemperatur nur aufgrund der Rückreflexion von Strahlung  um 10 K (Wenn die ganze Erde mit Eis bedeckt wäre), was bedeutet, dass alle Gebiete die heute eine jahreszeitliche Durchschnittstemperatur von 10° aufweisen dann mit Eis bedeckt wären. Deutschland hat z.B. eine Jahresmitteltemperatur von 9 bis 12°C, wäre also vollständig mit Eis bedeckt. Daiber hinaus gibt es ja noch Niederschlag in Form von Schnee, dessen Albedo noch höher ist. Er lässt die Temperatur noch weiter sinken. Würde die gesamte Erde von frischem Schnee bedeckt sein, so wäre die Gleichgewichtstemperatur ohne Atmosphäre nur bei 157 K – das ist dann schon ziemlich kalt. Allerdings ist das hypothetisch und das leitet zu den Gegenargumenten über.

Wenn die Temperatur sinkt, verdampft auch weniger Wasser. Damit gibt es weniger Neuschnee und der der alte Schnee und Eis haben eine höhere Albedo. Mehr noch. Besser als Schnee reflektieren Wolken die Strahlung. Sie sind heute dafür verantwortlich, dass die Albedo trotz der dunklen Meere 0,306 beträgt. Fallen die Wolken weg und das dürfte der Fall sein, wenn die ganze Erde vereist sind, so fällt kein Schnee mehr und ein kompletter Eisball hätte nur eine Albedo von 40% – zu wenig als dass die ganze Erde vereisen könnte.

Auf der anderen Seite ist Wasserdampf das wichtigste Treibhausgas in der Atmosphäre. Beim heutigen Treibhauseffekt ist es zu 62% an diesem beteiligt. Kohlendioxid mit 22%, bodennahes Ozon mit 7% und der Rest aller Gase mit 9%. Der Treibhauseffekt beträgt 33 K. Ursache des „Schnellballs Erde“ soll eine Verringerung des Kohlendioxids sein. Doch selbst wenn heute das gesamte Kohlendioxid wegfallen würde, würde dann der Treibhauseffekt nur um 22% fallen, das wären 7 Grad. Das ist trotzdem viel. Bei der letzten Eiszeit war vor 21.000 Jahren, das wissen wir durch Eisbohrkerne, die tatsächlich noch Eis aus dieser Zeit enthalten (gewonnen in Grönland und der Antarktis) die Temperatur um 5-6 K niedriger als heute. Das Kohlendioxid hatte nur 70% der Konzentration des vorindustriellen Wertes, Methan nur 50%. Diese unproportionale Veränderung zeigt aber schon das Problem, das auch heute der Klimamodellierung zu schaffen macht: Das Klima verhält sich nicht linear und alle Einflüsse sind miteinander verwoben. Denn ein Fallstrick liegt schon im ersten Satz: Da Wasserdampf zu 62% am Treibhauseffekt beteiligt ist beeinflussen Veränderungen des Wasserdampfgehaltes den Treibhauseffekt stark. Und hier gibt es eine erneute negative Rückkopplung. Wasserdampf entsteht durch verdampfendes Wasser, vor allem über dem warmen Meer. Über Eis verdampft kaum Wasser, weil es eine sehr hohe Verdampfungsenthalphie hat. Kalte Luft kann auch nur wenig Wasserdampf aufnehmen, ohne das er auskondensiert. Die Menge ist hier nicht linear. Sinkt die Temperatur beispielsweise von 16 auf 12 Grad, so kann ein Kubikmeter Luft anstatt 13,6 nur 10,6 Gramm Wasserdampf aufnehmen. Eine Reduktion der Temperatur um 4 Grad entspricht hier einer Reduktion der Wasserdampfmenge um 30%. Damit sinkt auch der Treibhauseffekt.

Es gibt auch geologische Befunde, das die Erde nicht vollständig vereist war. So fand man Wellenrippel von Meeresströmungen die zum Erliegen kämen wenn die ganze Erde mit Eis bedeckt ist. Mehr noch – ohne Energiezufuhr von außen, weil das Eis nicht nur reflektiert, sondern auch isoliert müssten dann ja die Meere auch noch zufrieren, Wenn die Gleichgewichtstemperatur der Erde unter 0°C liegt kann es keine Meere mehr geben.

Der überzeugendste Gegenbeweis ist aber die Paläontologie. Eine Vereisung vor 2,2 bis 2,3 Milliarden Jahren hätte das Leben noch überstanden. Damals gab es nur niedere Lebewesen die allesamt einzellig waren. Kurz nach dem Ende der Eiszeit (sie wird von manchen dafür verantwortlich gemacht) erschienen die ersten gegliederten Tiere und Pflanze, die fossil überliefert sind. Man geht aber davon aus, das es vorher schon Mehrzeller gab, die eben nur nicht überliefert sind, weil sie keinerlei Schalen und Skelette hat wie Algenteppiche oder Würmer. Sie hätten in keinem Fall eine globale Eiszeit überstanden. Das Eis blockiert einen Großteil des Lichts. Dadurch fehlt die Grundlage für alle Pflanzen die wiederum die Grundlage für alles tierisches Leben sind.

Beendet soll die globale Vereisung durch Vulkan geworden sein, die mehr Kohlendioxid ausstießen. Auch das ist ein Punkt der schwer nachprüfbar ist. Wir wissen das die Aktivität von Vulkanen großen Schwankungen unterworfen ist. Starke vulkanische Aktivität löste das bisher größte Massenaussterben am Ende des Perms aus. Tendenziell erwarten wir in früheren Zeiten eine höhere Aktivität da alle geologische Aktivität von der Temperatur im Erdinneren gesteuert wird und die nimmt durch den radioaktiven Zerfall der drei radiogenen Elemente Thorium, Uran und Kalium laufend ab. Eine zweite Rolle spielt die Sonne. Die Sonne emittiert laufend mehr Strahlung. Als sie ins Hauptreihenstadium eintrat, vor 4,5 Milliarden Jahren hatte sie nur 75% der heutigen Strahlungsabgabe. Ist dies linear, so müsste sie vor 715 Millionen Jahren 4% weniger Strahlung abgeben. Nach dem Modell eines schwarzen Strahlers (also ohne Berücksichtigung eines Treibhauseffektes) würde alleine dies eine Temperatursenkung von 3 K entsprechen – entsprechend leichter wäre natürlich eine größere Vereisung möglich.

7 thoughts on “Kann die Erde zu einem gigantischen Schneeball werden?

  1. Ich bin mit Aussagen wie „hätten in keinem Fall eine globale Eiszeit überstanden“ immer extrem vorsichtig.

    Grundsätzlich wären es meiner Meinung nach sehr wohl möglich, wie die Schwarzen Raucher in der Tiefsee beweisen.
    Es dürften aber zwei weitere Faktoren eine Rolle spielen:

    Punkt 1: Gab es in der betreffenden Zeit Fossilien von Mehrzellern in kontinentalem Bereich, insbesondere außerhalb von vulkanisch aktiven Gegenden?
    Ich habe diesbezüglich noch nichts gelesen oder gehört. Das muss aber noch nichts heißen: Fossilien in diesem Erdzeitalter waren generell extrem selten.

    Punkt 2: Wie sieht es mit dem Sauerstoff aus? Mir sind keine Mehrzeller bekannt, die ohne Sauerstoff auskommen.
    Wenn höheres, eukaryotisches Leben damals schon existiert hat, müsste es den Sauerstoff in den Meeren aufbrauchen, ohne dass dieses ersetzt würde. Wie lange kann sich sauerstoffatmendes Leben unter diesen Umständen halten?

    Ich weiß nicht genug, um überleben von höherem Leben auf (bzw. unter) einer Schneeballerde ausschließen zu können.
    Allerdings muss auch ich zugeben, dass ich die einer Schneeballerde für extrem unwahrscheinlich halte, so faszinierend sie auch sein würde. Auf jeden Fall lohnt es sich aber, hier weiter zu forschen.

  2. Die Schwarzen Raucher sind ein Sonderfall, zudem gibt es dort keine photosynthetisch aktiven Lebewesen. Wenn sich also dort Tiere halten können – die Pflanzen wären in jedem Falle weg.

    Der Sauerstoff kommt heute auch von den Pflanzen, die Meere haben 75% der Photosyntheseaktivität und gerade deswegen wird ja eine Vereisung auch den Sauerstoffeintrag stoppen. Selbst wenn es nur Einzeller werden, ohne eine Nahrungskette die autotroph ist kippt das ganze System, vor allem wenn wir hier über Vereisungen über Millionen von Jahren reden.

    Die Bildung von Mehrzellern soll ab 1700 Millionen Jahren begonnen haben. Die ältesten überlieferten Fossilien von Nesseltieren sind 900 Millionen Jahre alt. Etwa genauso alt sind die ältesten Erdöllagerstätten die Algenteppiche vorraussetungen. Einzeller alleine bilden heute keine Algenteppiche,

  3. Das ist genau das was ich meine: Der Sauerstoff.
    Wärend einer Schneeballerde würde kaum einer neu produziert werden, er würde aber trotzdem verbraucht werden.

    Nun hat es aber Milliarden Jahre gebraucht, bis sich genug Sauerstoff gebildet hat, damit alle reduzierenden Verbindungen ausgefällt waren und sich die Atmosphäre bilden konnte. Würden die paar Millionen Jahre der Schneeballerde ausreichen, um den ganzen Sauerstoff wieder aus der Biosphäre zu entfernen?
    Ich weiß es nicht. Möglicherweise nicht. Besonders groß könnte der Stoffwechsel in den Weltmeeren während der Schneeballerde sowieso nicht gewesen sein. Allerdings stelle ich mir auch vor, dass ein großer Abfall der Sauerstoffkonzentration in dieser Zeit sich doch in Ablagerungen bemerkbar gemacht hätte, was ein leichter Beweis wäre.

    Das ist dann auch der Hauptgrund, wieso ich die Schneeballerde für sehr unwahrscheinlich halte.

  4. Du unterliegst einem kleinen Irrtum. Damals gab es kaum Sauerstoff in der Atmosphäre, er ist eigentlich nur der der im Wasser nicht mehr gelöst ist. es hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon ein Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch eingespielt . Im Wasser selbst ist nicht viel Sauerstoff gelöst. Bei 5°C z.b. 12,37 mg/l, das heißt in 20 l Wasser ist in etwa so viel Sauerstoff gelöst wie bei 1 bar in einem Liter Luft.

    Es entfällt auch ohne Regen und ohne Wellen die Lösung von Sauerstoff aus der Luft im Wasser.

  5. Immerhin gab es schon 3 bis 4 % Sauerstoff in der Atmosphäre, was mir genug erschien.

    Wie viel davon im Wasser gelöst werden kann, weiß ich nicht.
    Aber ich bin eigentlich schon davon ausgegangen, dass zumindest auf dem offenen Meer ein Austausch zwischen Atmosphäre und Wasser stattfinden kann. Selbst bei einer Schneeballerde wird es ja Wind geben, wegen der Corioliskraft in überwiegend übereinstimmende Richtungen, was das Eis großflächig über das Meer schieben und bei Kontakt mit dem Land über und unter das Wasser schieben würde, wärend es anderswo neu entsteht. Eine Art Konvektion also.

    Wie gesagt, nicht zuletzt wegen dem wohl ausgebliebenen Abfall der Sauerstoffkonzentration bin ich sehr skeptisch wegen der Schneeballerde.
    Ich bin nur der Meinung, dass hier, wie nur allzu oft, etwas zu schnell zu einem Satz wie „kann Leben nicht überleben oder existieren“ gegriffen wird.

  6. Um eine hunderte Meter dicke Eisschicht übereinanderzuschieben, dürfte selbst der stärkste Sturm nicht genug Energie mitbringen. Außer kleine Spalten die recht schnell wieder zufrieren wäre also keine eisfreie Wasserfläche vorhanden.
    Andererseits gibt es immer irgend welche Gebiete, die durch vulkanische Aktivitäten deutlich wärmer sind als die Umgebung. Dort hätte sich trotzdem Leben halten können. Sicher nicht genug um die Atmosphäre merklich zu ändern, aber ausreichend um nach dem Ende der Eiszeit sich wieder zu verbreiten.

  7. Zum Vulkanismus: Dessen Haupteffekt auf das Klima ist wohl weniger der CO2-Ausstoß, sondern die Aerosole, die wohl eher eine Abkühlung bewirken.

    Und: Es wird zwar angenommen, dass das Erdinnere früher heißer war und damit die Manteldynamik entsprechend stärker, aber die Auswirkungen auf den Vulkanismus sind viel komplizierter. Man bekommt beispielsweise mehr Vulkanismus, wenn es viele Riftsysteme auf der Erde gibt, d.h. wenn Kontinente auseinanderbrechen (also z.B. am Ende einer Superkontinent-Phase). Und dann gibt es noch die gigantischen Flutbasalte, deren Ursachen immer noch diskutiert werden, und die für Massenaussterben verantwortlich gemacht werden (auch das wird kontrovers diskutiert). Kurz gesagt ist der globale Vulkanismus extrem variabel, viel mehr als sich aus dem radioaktiven Zerfall im Erdinneren ergeben würde.

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