Welchen Einsatzzweck haben „Miniraumsonden“?

Der Trend zu Cubesats hat auch zu Überlegungen geführt, ob Raumsonden so schwer sein müssen. in den letzten 20 Jahren gab es den Trend zu immer größeren und schwereren Sonden. Die Sonden des Discoveryprogramms haben eine Zeitlang diesen schon seit Beginn der Raumfahrt vorliegenden Trend gestoppt, doch da einige Missionen scheiterten, und die NASA ihre Politik änderte sind heute neue Raumsonden meist über 1 t schwer. Zugegeben – es macht auch wenig Sinn eine Kleinere bei den heutigen Trägern zu konstruieren. Mit dem Wegfall der Delta 2 klafft eine große Lücke im US-Arsenal. Die USA sind seit Jahren sowieso in einer misslichen Lage. Es gibt die Pegasus für ganz kleine Sonden, jedoch ist sie unverhältnismäßig teuer und nur noch ein Start gebucht. die Minotaurs sind nur für militärische Nutzlasten verfügbar, da ein Gesetz die NASA zum Nutzen kommerzieller Services zwingt und die Raketen auf ICBM basieren. Die Taurus hatte zwei Fehlstartes und ist inzwischen teurer als eine Falcon 9. So gibt es keine Rakete zwischen 450 und 16.000 kg LEO Nutzlast. Daher macht es auch kein Sinn eine leichtgewichtige Raumsonde zu konstruieren.

Europa ist in einer besseren Lage. Mit der Vega, Sojus und Ariane 5 gibt es drei Träger mit Nutzlasten von 550 kg, 1600 kg und 6600 kg für die Fluchtgeschwindigkeit, also ein etwas bessere Streuung und alle drei werden auch genutzt: Gaia startete auf der Sojus, Lisa-Pathfinder auf der Vega und Bepi-Colombo wird die Ariane 5 nutzen.

Wenn man nun im Gewicht weiter herunter geht tun sich weitere Möglichkeiten auf: Eine Raumsonde als Sekundärnutzlast. Für viele Träger gibt es die Möglichkeiten, kleinere Nutzlasten mitzuführen. Der Träger muss nur die Möglichkeit haben, nach der Hauptmission die Sonde noch auf Fluchtgeschwindigkeit zu bringen. Das geht mit einer wiederzündbaren Oberstufe, wie die Falcon 9, Atlas, Sojus haben. Existiert diese Möglichkeit nicht, z.B. bei der Ariane 5, so muss man einen Antrieb in die Nutzlast integrieren, so wies dies auch bei Lisa-Pathfinder der Fall war. Bei den Massen von denen wir hier reden, braucht man dazu keine Oberstufe sondern ein Apogäumsantrieb mit 400 N Schub reicht aus. Ein Start könnte so relativ oft möglich sein, denn viele Starts von Regierungsnutzlasten nutzen die maximale Nutzlast nicht aus. Bei den USA sind es die GPS-Satelliten die einzeln gestartet werden und in Europa sind es die Sentinel-Satelliten auf der Sojus die nicht mal die Hälfte der Nutzlast ausnutzen.

Wie klein kann eine Raumsonde sein? Sicher beliebig klein, doch wird man eine Kosten/Nutzenanalyse machen müssen. Es gibt harte Grenzen. Instrumente kann man nicht beliebig klein machen. Eine Kamera mit Gehäuse und Abschirmung kann man in 500 g realisieren, doch dann erhält man das Raumfahrtgegenstück einer Webcam – ohne Filter, mit Weitwinkeloptik. Addiert man nur ein weiteres Pfund für eine größere Optik so steigt die Brennweite (KB-Äquivalent) von 35 auf 400 mm, also die Auflösung um das zehnfache. Daher macht die Reduktion unter ein bestimmtes Maß wenig Sinn. Bei fast allen Subsystemen gibt es harte Grenzen. Sie lassen sich nicht beliebig verkleinern. Zudem sinken mit der Verkleinerung dann auch die Leistungen. Solarzellen liefern weniger Strom. Sender haben geringere Sendeleistungen. Antennen bündeln Signale nicht so stark. Alles zusammen senkt die Datenraten ab, was den Nutzen rasch sinken lässt.

Instrumente gibt es natürlich unterschiedliche. Magnetfeldsensoren oder Partikeldetektoren können sehr einfach und leicht aufgebaut sein. Optiken sind schwer und Radargeräte wirklich schwer. Sie machen bei vielen Radarsatelliten ein Drittel der Masse aus. Das wird nur von astronomischen Teleskopen getoppt, bei denen man den Satelliten um das Teleskop herum baut.

Bei den bisherigen Raumsonden gibt es einen Zusammenhang zwischen Instrumentenmasse und Trockenmasse. Etwa Ein Viertel bis ein Sechstel der Trockenmasse als Instrumente sind normal. Wenn man 5 kg als unterste Masse für einige kleinere oder ein größeres Instrument ansetzt, kommt man auf eine untere Grenze von 20 bis 30 kg für eine Sonde. Dazu kann noch ein Antrieb kommen. Zum einen um sie von einer Erdbahn aus zu starten, zum anderen für Kurskorrekturen oder das Einschwenken in eine Umlaufbahn. 5 kg riechen für ein Teleskop mit einer kleineren Optik. Das kann man als Kombiinstrument für eines oder mehrere Spektrometer und eine Kamera nutzen.

Aus Kostengründen wäre es sinnvoll, etwas größere Sonden zu planen. Es gibt eine Reihe von Satellitenbussen für kleine Nutzlasten. Diese sparen Kosten weil man sie fertig übernehmen kann. Sie wiegen aber etwa 100 bis 200 kg. Das erlaubt dann 20 bis 40 kg Nutzlast, das ist dann schon eine größere Suite. In diesem Bereich liegen auch Nutzlasten für standardisierte Mitnahmemöglichkeiten existieren. ASAP-5 erlaubt bis zu 300 kg schwere Sekundärnutzlasten auf der Ariane 5, ESPA auf der Atlas bis zu 200 kg schwere Nutzlasten. Bei nicht-wiederzündbaren Oberstufen muss man dann noch den Antrieb hinzuaddieren.

Wo wäre der Einsatz sinnvoll?

Da mit der Größe auch die Größe der Kommunikationssysteme abnimmt, wird es nicht sehr sinnvoll sein, den erdnahen Raum zu verlassen. Ein weiterer Aspekt ist das je größer ein Himmelskörper ist, desto mehr beeinflusst er seine Umgebung. Ein Asteroid hat anders als ein Planet kein Magnetfeld, keine Atmosphäre, damit auch keine Plasmaumgebung und meist auch keine Monde. Sonden mit wenigen Instrumenten machen daher Sinn für kleine Körper bei denen viele normale Sensoren eh keinen Sinn machen würden. Daneben gibt es noch die Plasmaumgebung der Sonne, die dauernd aktiv ist. Mit ihr will ich anfangen.

Das Weltraumwetter, das sich inzwischen als Begriff schon eingebürgert hat, hat mittlerweile nicht nur wissenschaftliche Aspekte indem man die Aktivität der Sonne und ihre wechselnden Einfluss auf den interplanetaren Raum beobachtet, sondern Eruptionen werden mehr und mehr zu einer Gefahr für die technische Infrastruktur auf der Erde. Mittlerweile gibt es Vorwarnsysteme. Das letzte wurde an Bord von DSCOVR im Januar 2015 gestartet. Für das Verständnis wären hier einige Sonden, nur bestückt mit Teilchen- und Magnefeldsensoren eine preiswerte und nützliche Ergänzung. Für die Vorhersage eher nicht. Um diese zu verbessern, bräuchte man mehr Sonden näher an der Sonne als die derzeitigem im L1-Librationspunkt. Doch anders als diese ändern sie ihre Position dauernd. Man braucht daher nicht eine Sonde, sondern mehrere. Je nachdem, wie eng begrenzt eine Sonneneruption ist, und je näher man der Sonne kommt. Doch selbst bei einem breiten Winkel von 60 Grad bräuchte man schon 6 Sonden für eine Warnung und 12 wenn man die Intensität genauer feststellen will. Dann ist man bald bei einem Punkt angekommen wo viele kleine Sonden doch wieder teuer werden. Für solche Sonden wäre eine venusnahe Umlaufbahn gut geeignet, sie ist um ein Drittel näher an der Sonne, 30-mal näher als bei den bisherigen Sonden (also 30-mal längere Vorwarnzeit) und die dort etwa doppelt so hohe Sonneneinstrahlung ist noch ohne konstruktive Maßnahmen berherschbar.

Das zweite sind erdnahe Asteroiden. Sie sind mit einem relativ geringen dV erreichbar. Der NASA-Trajektorie Browser liefert 86 Objekte die zwischen 2014 und 2020 mit einem dV von 4 km/s relativ zum LEO erreicht werden können. 4 km/s zur Erdbahn entspricht in etwa dem dv zu Mars oder 1,6 km/s über GTO und 0,8 km/s über Fluchtgeschwindigkeit.  Die Objekte sind zwischen 2 und 32 km hoch. Solche Vorbeiflugmissionen erscheinen auf den ersten Blick unattraktiv, vor allem da man die Kombination von kleinen Zielen und wenig Masse bei den Instrumenten hat, z.B. nur ein kleines Teleskop einsetzen kann. Beim größten, dem Asteroiden 1024 Ganymed, begegnet man ihm mit 18,91 km/s. Das heißt alle 2 Sekunden sinkt die Abbildungsgröße auf die Hälfte. Selbst ein relativ großes Teleskop mit einer Auflösung von 1 Bogensekunde (z.B. die LORRI Kamera von New Horizons mit 8,8 kg Gewicht) kann so nur wenige Aufnahmen machen. Zwischen dem Punkt, wo der Asteroid nur 1 Pixel groß ist und der maximalen Annäherung liegen 4 Tage. Bei etwas realistischen 100 Pixeln Größe (in etwa die Auflösung die New Horizons von der abgewandten Seite von Pluto machte) sind es nur noch 56 Minuten. Dank der modernen Elektronik, mit der man CCD-Chips mit hoher Datenrate auslesen und diese Daten auch speichern kann sind solche Missionen bedingt nützlich. New Horizons zeigte diese Vorgehensweise des „Dump-and Store“ eindrucksvoll. Allerdings sind ide Ziele hier viel kleiner. Daten werden nur über Minuten gesammelt anstatt einem Tag wie bei New Horizons.

Trotzdem – besser wäre ein Orbit. Bei einer Sondenmasse von 150 kg, einer Startmasse von 300 kg könnte ein integrierter Antrieb die Geschwindigkeit nach dem Start um 1600 m/s ändern. Mit dem Trajectory Browser der NASA findet man zwischen 2014 und 2018 insgesamt 70 Bahnen die diese Bedingung erfüllen. (Maximale Missionsdauer 4 Jahre) aber nur zu kleinen Objekten. Die kleinsten sind nur 300 m groß, der größte ist 4179 Toutaris, nur 7 sind größer als 1 km. Noch etwas besser sieht es bei Ionentriebwerken aus, wo wir bei dieser Sondenmasse auch im Bereich kommerzieller antriebe sind. Teilt man die 150 kg für einen chemischen Antrieb in 20 kg Ionentriebwerke und Subsysteme, 60 kg Xenon und Tanks, davon 50 kg Xenon und 70 kg Solarzellen aus mit einer Dichte von 50 W/kg (wie bei größeren Kommunikationssatelliten) so kann man die Geschwindigkeit um 6.300 m/s ändern, das entspricht z.B. einer elliptischen Bahn mit einem Aphel von 360 Mill km oder einer Kreisbahn in 240 Mill. km Entfernung. Die Kurskorrekturfähigkeit von rund 6,3 km/s (anstatt 1,6 km/s beim chemischen Antrieb) kann man auch nutzen um mehrere Vorbeiflüge durchzuführen anstatt einem.

Eine letzte Kategorie sind Kometen. Sie sind weitaus interessanter als Asteroiden. Aufgrund der Bahn kommen hier nur Vorbeiflugmissionen in Frage. Der Trajectory Browser der NASA liefert 45 Ziele die mit einem DV von maximal 4 km/s, 4 Jahre Flugdauer, die zwischen 2014 und 2018 erreichbar sind. Die meisten sind innerhalb von zwei Jahren erreichbar, einige sogar innerhalb eines Jahrs. Bei solchen Zielen machen dann auch noch Staubdetektoren und Analysatoren, Massenspektrometer und andere direkt messende Instrumente in Betracht. Hier würde auch eine große Sonde nicht viel mehr Daten bei einem Vorbeiflug gewinnen können, weil direkte Messungen erst in unmittelbarer Nähe möglich sind, nützen Fernerkundungsinstrumente nur wenig. Ich würde Kometenvorbeiflüge wirklich für die beste Umsetzung des Konzepts halten. Wenn es gelingt die Sonden sehr preiswert zu bauen kann man auch die Instrumente einer größere Sonde auf mehrere kleine verteilen.

Ein Problem bei Orbitmissionen um Asteroiden ist aber die Datenübertragung. Bei einem Vorbeiflug kann man viele Daten schnell gewinnen und dann langsam übertragen, notfalls auch erst bei einem nahen Erdvorbeiflug, so wie Galileo die ihre Daten vom Venusvorbeiflug erst beim Vorbeiflug bei der Erde übertrug. Bei so kleinen Sonden ist vor allem durch die Anbringung an den den Sekundärnutzlastadaptern die ringförmig an die Oberstufe ansetzen der Platz begrenzt. Mehr als 60 cm Höhe sind da selten drin. Eine Parabolantenne wird so auch nur 60 cm groß sein. Zum vergleich: Exomars startete mit einer 2,20 m großen Antenne und die Sender dürften auch leistungsschwächer sein. Für die Experimente mit kleinen Datenmengen wie die obigen Partikelexperimente von Sonden für die Sonnenüberwachung ist das kein Problem. Für Sonden die Asteroiden umkreisen schon.

Die letzte Frage ist der wirtschaftliche Aspekt. Standardisierte Satellitenbusse erlauben heute relativ preiswerte Kleinsatelliten. Die 5 Rapid Eye Satelliten kosteten 150 Mill. Euro mit eigenem Start. So sollte eine Raumsonde für 30-40 Mill. Euro bei Mitnahme eigentlich möglich sein. Wenn man sie dagegen neu konstruiert, dann wird man kaum Kosten sparen können.

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