Fünfzig Jahre Mondlandung – und was man heute von ihr hat

Derzeit jährt sich ja der 50-ste Jahrestag der Landung von Apollo 11. Von mir gibt es keine neuen Aufsätze zu der Mission, einfach weil ich das Thema schon ausführlich bearbeitet habe. So über den berüchtigten Program-Alarm beim Abstieg von Apollo 11. Die noch größere Krise bei Apollo 14, als der Abortschalter automatisch anging. Dazu natürlich die ersten Worte auf dem Mond. Aber auch Kleinigkeiten wie das UFO, das die Astronauten gesehen haben wollten. Und natürlich, dass Armstrong mit nur wenig Treibstoff landete. Natürlich auch, warum es von Armstrong keine Bilder gibt. Das sind nur einige Links, die meisten aus dem 40-jährigen Jubiläum, die mir spontan eingefallen sind, die aber heute noch aktuell sind.

Heute will ich anknüpfen an das was ich schon vor zehn Jahren schrieb, nämlich was hat man damals live in Deutschland mitbekommen und was heute.

Wer die Gelegenheit hat, sollte die Live-Berichterstattung von der Mondlandung im Fernsehen mal ansehen. Ich habe mir 2009 einen Mitschnitt gemacht. Das wird in der Nacht vom 20 auf den 21. Juli in ARD Alpha wiederholt. Schade, den Sender bekomme ich über DVB-T nicht rein, aber vielleicht taucht der Mitschnitt ja in der Mediathek auf, meiner von 2009 ist noch analog, was die sowieso nicht besonders gute Bildqualität noch etwas schmälert.

Was mir schon 2009 auffiel, war, dass das Publikum damals ein anderes war. Die Sendung war viel technischer als heute, wo selbst Wissenschaftsreporter wie Ranga Yogeshwar Alexander Gerst vor allem nach seinem Gefühlsleben in dieser oder jener Situation gefragt haben. Auch die Fragen der Zuschauer, die beantwortet wurden, waren sehr speziell, z.B. welche Gefahr Mikrometeoriten darstellen und die Experten konnten die auch beantworten – ohne google, ohne Nachzuschlagen. Wen das heute verwundert: bei den Experten waren etliche die mit Wernher von Braun gearbeitet haben, so der spätere Professor für Raumfahrt an der Uni München H.O.Ruppe. Ich glaube auch das die Leute viel mehr interessiert waren an der Technik, denn die Zeit war schon ein bisschen technikverrückt. Zur selben Zeit wurde alles Mögliche ausprobiert. Besonders die Kerntechnik wurde enorm unkritisch und als Allheilmittel bei allen Energiefragen angesehen. Es gab mit Kernreaktoren angetriebene Schiffe – sogar ein experimentelles, die Otto Hahn in der BRD, es wurde mit atomangetriebenen Flugzeugen experimentiert und es gab sogar die Projektion, das es atomgetriebene Autos und Kleinflugzeuge geben würden (ja schon damals gab es Flugtaxis). Ich fand das lange Zeit utopisch, aber immerhin mit SNAP-10A flog ein Kernreaktor in den Weltraum mit nur wenigen Hundert Kilo Masse. Das ist nicht weit von dem Gewicht eines großen Motors für ein Flugzeug oder einen Lastwagen entfernt.

Ein Punkt, der beim US-Mondprogramm gerne vergessen wird, ist das Kennedy nicht nur dieses Programm verabschiedete, sondern auch dafür sorgte, das Technik und Wissenschaft in den Schulen viel mehr Gewicht erhielten als Sprachen und Geschichte. Es wurden überall im Land Studiengänge für Ingenieure verabschiedet und die Naturwissenschaften gefördert und die Forschung erhielt allgemein mehr Mittel. Die USA haben das beibehalten, in der BRD scheint man seitdem eher abgebaut zu haben. In der PISA-Studie waren wir ja schon vor mehr als einem Jahrzehnt nur Mittelmaß und schlimmer noch, das ist seitdem nicht viel besser geworden. Meiner Ansicht nach ist auch bei der universitären Ausbildung einiges schlechter geworden und ich denke ich kann mitreden: ich habe zweimal studiert, zuerst Lebensmittelchemie, dann Softwaretechnik, 15 Jahre später. Entsprechend älter war ich auch, was eigentlich bei einem Studium nicht so vorteilhaft ist. Doch im Vergleich zum Studium von Lebensmittelchemie war das ein Spaziergang. Es war allerdings auch nur ein Fachhochschulenstudium, kein Unistudium. Danach habe ich noch als Dozent gearbeitet. Diesmal an einer dualen Hochschule. Obwohl die Ingenieure in etwa die gleiche Stundenzahl hatten wie unser erster Kurs in Programmieren und mein Pensum etwa die Hälfte des Stoffs umfasste gab es regelmäßig Beschwerden über das zu hohe Niveau. Heute kann man sich als Plagiator Raumfahrtexperte nennen und selbst Nachrichtensendungen sprechen von „privater Raumfahrt“.

Demgegenüber landete man 1969 auf dem Mond. Zu einer Zeit, als man in Deutschland seit gerade mal zwei Jahren Farbfernsehen hatte. Internet gab es noch nicht. Computer waren so groß wie Schränke. Das erschien so irreal. So weit vom täglichen Leben und der Erfahrung entfernt. Und trotzdem hat man dies mit der damaligen Technik geschafft. Die Erfolgsstory dahinter war Manpower. Wenn 400.000 Personen an einem Programm arbeiten, dann gibt es etliche die sich mit jedem kleinen Bauteil mit jedem Problem, das es geben könnte, beschäftigen und man kann Lösungen erarbeiten. Der Kontrast heute: Es entstehen zwei neue Raumschiffe Crew(ed) Dragon und Starliner. Beide haben Probleme. Beide bei den Fallschirmen, die Dragon wurde sogar in die Luft gesprengt, und wie man erst nachher erfuhr, war die Dragon die schon die ISS anflog, nicht fähig Menschen zu befördern. Sie hatte kein Lebenserhaltungssystem und musste die ISS schnell anfliegen, weil man noch keine Möglichkeit hatte, ein Einfrieren des Treibstoffs in den Leitungen zu verhindern. An beiden Raumschiffen wird seit 10 Jahren geforscht und beide Projekte hinken über 2 Jahre hinter dem Zeitplan hinterher. Das im Jahre 2019, 50 Jahre nach Apollo. Die Technik dahinter ist im Prinzip seit den ersten Kapseln unverändert. Mir scheint, nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch die Firmen haben seitdem abgebaut.

Apollo wird als Prestigeprogramm angesehen. Doch wie schon geschrieben, das war es nicht. Es war im Prinzip ein Programm, bei dem man sagte: Lasst uns eine Menge Geld in die Hand nehmen, um Technologien zu entwickeln und Wissenschaft fördern. Mit einem Ziel: auf dem Mond zu landen. Doch das, was man an Technologie, Erfahrung, an ausgebildeten Menschen gewonnen hat, bleibt. Man hätte damit auch jeden militärischen Schnickschnack bauen können oder es gleich direkt in die Erforschung von Mikroelektronik, Brennstoffzellen, Solarzellen etc. stecken. Doch ich finde mit einer Landung auf dem Mond als Nebeneffekt (wenn auch teurem Nebeneffekt) hat man mehr davon gehabt. Deutlich wird dies in der Rede von Kennedy bei der Rice Universität 1962:

We choose to go to the Moon…We choose to go to the Moon in this decade and do the other things, not because they are easy, but because they are hard; because that goal will serve to organize and measure the best of our energies and skills, because that challenge is one that we are willing to accept, one we are unwilling to postpone, and one we intend to win, and the others, too.

„The others“ ist eben eigentlich die Hauptsache: die USA wollten technologisch an der Spitze der Welt sein, in der sie sich nach den frühen Erfolgen Russlands nicht mehr sahen. Man darf auch nicht vergessen, dass sie 10 Jahre vorher am Rande einer Niederlage im Koreakrieg waren und die Mig-15 dort lange Zeit das beste Flugzeug war. Auch die Kuba Krise, die einen Monat nach der Rede an der Rice University begann, war im Prinzip eine Krise der Ohnmacht: die USA konnten den Mittelstreckenraketen auf der Insel einfach kein Paroli bieten.

Machen wir den Sprung nach heute. Angeblich will man ja wieder zum Mond. Angeblich weil das von der Finanzierung abhängt und Trump postet zwar Tweets im Minutentakt, mit der Finanzierung sieht es anders aus. Schätzungen gehen von 30 Milliarden Dollar aus. Selbst wenn man die 20 Milliarden hinzuzählt, die Orion und SLS noch kosten bzw. gekostet haben ist das ein Bruchteil der inflationskorrigierten Kosten von Apollo und nur ein Drittel dessen, was die ISS bis heute gekostet hat. Aber es würde uns nicht so sehr von den Socken reisen. Denn wir waren schon da. Nicht das man es könnte, oder nicht finanzieren kann. Das Problem ist nicht das Geld, sondern das heute niemand so viel Geld für ein einziges Projekt ausgeben will. Es melden sich dann immer andere, die sagen „Damit kann man das Soziale Elend bekämpfen“, damit kann man was gegen die Klimakatastrophe tun“. Vor allem wundert mich immer welche Unsummen das Militär in den USA (bei uns sieht es im Großen und Ganzen Gottseidank anders aus) verschwenden kann, ohne das jemand auch nur mit den Augenbrauen juckt. Mein Liebling ist folgender Tatbestand: Als die US-Armee noch im Iraq und Afghanistan in großer Stärke stationiert war. Gab sie für die Klimatisierung von Zelten mehr aus, als das gesamte NASA-Budget zu dieser Zeit: 20 Milliarden Dollar. Wenn man da anständige Behausungen gebaut hätte, wäre es billiger gewesen, gut fürs Klima und man hätte damit problemlos ein Mondprogramm finanzieren können.

Ein Paradoxon ist das man heute viel mehr von der Mission erfährt. Von den Problemen bei der Landung erfuhr der Zuschauer nichts. Wernher Büdeler, von mir geschätzter Korrespondent gehörte noch zu einer Generation, die wenig Englisch konnte. Dazu musste er alles kommentieren, was er hörte und viel erklären. Da er wohl nur den Sprechverkehr der Astronauten und des Capcoms und den Kommentar des PAO hatte, entgingen seinem Report sowohl die beiden Programmalarme, wie auch das Apollo 11 mit dem kleinsten Treibstoffreserven aller Missionen landete. Daneben gab es das alles auf verrauschten Bildern, die Landung sogar nur als Sound – den Stand der Technik merkt man auch bei den zahlreichen unverständlichen Teilen durch Rauschen und verzerrten Stimmen. Heute gibt es den kompletten Sprechverkehr als Transscript, kommentiert im Apollo-Flight Journal, ebenso alle gemachten und hervorragenden Farbbilder. Der Abstieg als Video, ebenfalls mit Untertiteln und der Konversation im Kommandoraum, parallel zu den Filmaufnahmen der Maurer Kameras ist absolut sehenswert. Mir persönlich läuft immer bei den dort drei oder viermal vorkommenden Go-NoGo Entscheidungen es kalt über den Rücken. Die dort extrem schnellen Abfragen vermitteln einfach Dramatik. Das erste Go/NoGo ist in dem obigen Film bei 9:22 und die folgenden sind noch hektischer. Und es hört nicht auf. Schon vor Jahren tauchten die Slow-Motion Startaufnahmen der Apollo-Fluge (wenn auch meistens von den frühen Flügen Apollo 4 und 6) in Youtube auf. Wer schon immer mal den Start (Heck der Saturn V) in 20-facher Zeitlupe sehen wollte, sollte sich mal diesen Clip ansehen. Und den ganzen Start aus verschiedenen Blickwinkeln hier.

Inzwischen wurde auch bekannt, dass die NASA zumindest den Start mit 70 mm Film aufgenommen hat. Was ich allerdings nicht verstehe, ist, warum die Aufnahmen dann zwar in dem gerade in die Kinokassen gekommenen „Apollo 11“ Film Verwendung fanden, aber nicht veröffentlicht wurden. Es scheint immer noch eine Trennung zu geben, was die Allgemeinheit zu sehen bekommt und was an Dokumentationen verarbeitet wird. Dort ist das Material generell besser. Ich kenne von einer Doku von 2009 noch Aufnahmen der Kameras, die bei Apollo 4 und 6 die Trennung der Stufen filmen. Die gibt es in schlechter Qualität auch im Netz. Aber diese waren scharf, leuchtend. Man hat das Material also nochmals professionell aufbereitet wahrscheinlich komplett neu digitalisiert. Doch warum taucht es nirgendwo im Netz auf? Ich hätte gerne einige Screenshoots dafür für mein Saturn Buch verwendet. Kurzum: Apollo hat sich gelohnt. Man kann auch 50 Jahre später immer noch neues lernen …

[Edit]

Passend zum Thema sah ich gestern den zweiten Teil einer dreiteiligen Dokumentation auf ARTE. Der das Apolloprojekt ab dem Sputnikschock behandelt. Es gibt zum einen dort neue Einblicke auch seitens der Frauen der Astronauten und Medien. Vor allem aber auch Material zu sehen, das ich bisher noch nie gesehen habe in hoher Qualität. Unbedingt sehenswert.

Teil 1

Teil 2

Teil 3

10 thoughts on “Fünfzig Jahre Mondlandung – und was man heute von ihr hat

  1. Lieber Bernd,

    Bei der Übertragung der Landung von Apollo 11 hat eine „Laienspielgruppe“ mit einer getreuen Nachbildung des Landemoduls alles nachgespielt. Damit konnten die Vorgänge in Echtzeit nachgestellt werden.
    Was wohl aus den Requisiten geworden ist…?

    Auch die Bildübertragung von Apollo nach der Erde, von dort via Satellit nach Raisting (wenn ich mich nicht irre sogar für ganz Europa) und dort die Umwandlung der Amerikanischen Fernsehnorm in die Deutsche hat sicher eine Menge Hirnschmalz gekostet. Das Gerät dafür steht noch in Raisting und kann manchmal besichtigt werden.

    Damals war die Zeit technikbegeisterter, man glaubte mit Technik alle Probleme der Welt lösen zu können. Leider konnte die Technik bis heute nicht die Arroganz und Ignoranz der Menschen nicht besiegen…

    Meint Ralf mit Z

  2. Vielleicht täusche ich mich aber im Vergleich zu den ersten Raufahrtprogrammen (Mercury – Apollo Mondlandung) ist die NASA die nachfolgenden Programme eher halbherzig angegangen. Das hat ja schon bei Skylab angefangen und ist bei Space Shuttle so weiter gegangen.
    Irgendwie habe ich generell bei Amerika den Eindruck das wen sie es wirklich wollen und sich eben auch voll reinhängen Dan funktioniert es auch. Nur der Vergleich Space Shuttle und Apollo und der von dir angesprochene Koreakrieg im Vergleich mit dem 2. Weltrig zuvor. Hätte Amerika da den selben Einsatz Gezeigt würde es heute vermutlich kein Nordkorea geben. Oder wäre man die Aktuellen Raufahrtprogrammen auch nur ansatzweise so angegangen wie einst Apollo Dan würden schon längst Amerikaner wieder mit amerikanischen Raumkapseln ins All fliegen.

    1. Tja, No Bucks, No Buck Rogers.

      Die alte Regel der Raumfahrt.

      Aber selbst dann wäre das Ergebnis imo. nicht viel anders. Die Technik war (und ist) eben nicht soweit um eine nachhaltige bemannte Raumfahrt zu betreiben.

      1. Na ja, es ist wohl IMHO weniger eine Frage der Technik, sondern eher die des Nutzens.
        Und da gibt es nicht viel, politisch (!) so gut wie gar nicht mehr – auf dem Mond war man schon und Mars erst dann, wenn sich Chinesen, Russen oder Inder dorthin aufmachen. Also, nicht vor 2050. Denn ein US-Präsident ist max. 8 Jahre im Amt und müsste nach 4 Jahren wiedergewält werden, politisch ist das kaum machbar.
        Einen wirtschaftlichen Nutzen sehe ich auch nicht, dieses Feld wird von Satelliten besetzt.
        Wäre da noch der wissenschaftliche Nutzen. Tja …
        Bliebe noch „Die Menschheit retten“ … Dank Klimawandel sind wir gerade gut dabei, den Planeten für Menschen unbewohnbar zu machen – so in ca. 100 Jahren wird man wohl die Menschheit evakuieren müssen 😉

        1. Aber wer wird denn so pessimistisch sein! Das löst doch heute alles die „private“ Raumfahrt. Wenn SpaceX bald Geld durch Suborbitaltorusimus anbietet (zum Preis eines Business-Class Tickets) dann ist es bis zum Mond nicht mehr weit. Zumindest eine Mondumrundung benötigt nur 4 x mehr Energie, müsste also zum Preis von 4 Business-Class Tickets möglich sein. Und SapceX kann ja nicht lügen!

          1. Irgendwie kommt mir wieder Eins-Zwei-Drei in den Sinn:

            NASA-Raketen haben einen Knopf zum Sprengen, wenn die Rakete außer Kurs gerät.
            PlatzX hat zwei Knöpfe: einen zum Raketen sprengen, und einen zum Sprengen der Musk-Versprechen…(Der ist auch als Bernd Leitenberger-Blog bekannt ;-))

          2. Genau, das.
            Nur Du bist kein Russe 😉
            Aber den Quatsch den SpaceX zu PlatzX manchmal macht, sprengst Du trotzdem. Nicht mit einem Knopf, sondern mit knallharten Fakten!

            Weiterso!

          3. Stimmt, sobald erst mal Touristen im Flieger/Raumschiff sitzen, reduzieren sich die Kosten (bei Space-(H)ix) ganz automatisch auf die für den Treibstoff 🙂 🙂 🙂
            So wird das auch was mit der Besiedlung von Mond, Mars und Jupiter 😉

            YMMD!

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