Die Zahl für heute: 28 Millionen

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Der Milliardär und Gründer von Amazon Jeff Bezos will am 12. Juli zusammen mit seinem Bruder ins All fliegen. Einen weiteren Sitzplatz versteigerte seine Firma Blue Origin. Nachdem die Gebote lange Zeit verhalten anstiegen und vor der letzten Runde 3,5 Millionen Dollar erreichten, hat nun in der letzten Phase der Versteigerung jemand für 28 Millionen Dollar den Flug ersteigert.

Nachdem Axiom Space schon vor ein paar Wochen drei weitere Weltraumtourismusflüge (insgesamt nun vier) mit der Crew-Dragon angekündigt hat, nun dies. 28 Millionen für einen suborbitalen Hopser, der nicht mal so hoch geht, wie der des ersten Amerikaners Alan Shepard. Wenn es hoch kommt hat der zahlende Kunde vier, ganze vier! Minuten Schwerelosigkeit. Also ich würde, selbst wenn ich das Geld hätte, nicht so viel für den Flug ausgeben. Bei Konkurrent Virgin Galactic war vor Jahren mal die Summe 100.000 Dollar pro Sitzplatz im Gespräch, das dürfte aber inzwischen auch teuer sein. Nach neueren Verlautbarungen soll ein „Sitzplatz“ nun 250.000 Dollar kosten, und Virgin Galactics hätte rund 600 Reservierungen. Allerdings fliegt ihr Gefährt – ein Raketenflugzeug, wie die X-15, auch nicht so hoch wie die New Shepard von Blue Origin, maximal 80 km. Ich weiß nicht wie viel die Touristen bei Axiom Space bezahlen, die NASA zahlt 55 Millionen Dollar pro Sitzplatz. Es könnte für Weltraumtouristen billiger sein, da Axiom Space ja schon gebrauchte Kapseln einsetzt und die NASA Bürokratie meistens alles etwas immer teurer macht. Es könnte auch teurer sein, denn von vier Personen sind nur drei zahlende Passagiere, der Vierte ist ein Astronaut * in, zumindest bei den ersten Flügen, später sollen die Crew Dragons autonom fliegen. Ebenso müssten die Passagiere ihre Grundausbildung selbst finanzieren. In jedem Falle bekommt man pro Dollar mehr Zeit im Weltall, kann die ganze Erde sehen und erreicht eine größere Höhe. 4 Minuten Schwerelosigkeit könnte man auch in acht Parabelflügen mit einem Flugzeug zusammenbekommen. Allerdings natürlich ohne die Aussicht in 100 km Höhe.

Der Weltraumtourismus floriert also – zumindest im Westen. Russland füllt nun die freien Sitzplätze, da es ja nun keine Astronauten aus den USA, Europa und Japan zu transportieren gilt mit russischen Schauspierlinnen und einem Regisseur. Ich vermute nachdem die NASA angekündigt hat das Tom Cruise in einem Spielfilm mitspielen wird, der an Bord der ISS gedreht wird, versucht Russland dem zuvorzukommen. Das ist so lächerlich, fast als wären wir wieder Mitte der Sechziger Jahre wo es darum ging „Erster“ zu sein oder Rekorde aufzustellen.

Dabei bin ich sicher, wird Russland versuchen die nach Wegfall der NASA / ESA / JAXA-Besatzungsmitglieder * innen freiwerdenden Sitzplätze im Westen zu vermarkten. Ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass es eine so große Nachfrage gibt. Zu wenige Flüge von Weltraumtouristen * innen gab es vorher und teilweise wurden Flüge auch abgesagt wie bei der Sängerin Sarah Brightman. Ich vermute, dass ein potenzieller Weltraumtourist mit den Russen nicht so gerne fliegt. Da ist das zum einen Spracheinproblem, das gesamte Astronautentraining findet ja in Russland meist im Sternenstädtchen statt. Zudem fordert Roskosmos, dass alle Passagiere ein Kosmonautentraining absolvieren. Das ist mindestens 6 Monate lang ein Vollzeittraining. Ob ein potenzieller Weltraumtourist diese Zeit investieren möchte? Diese Leute sind so reich, das sie sich sonst im täglichen Leben alles abnehmen lassen können, was Zeit kostet. Sie haben Privatflugzeuge nur um die Zeit einzusparen auf den nächsten Linienflug zu warten bzw. die ganzen Prozeduren am Flugplatz abzuwickeln. Dabei kostet ein solcher Jet Millionen, nur um einige Stunden Zeit einzusparen. Wie hoch wird dann die Bereitschaft sein, für eine Woche im Weltall sechs Monate zu trainieren? Eine Firma wie Axiom Space kann dagegen selbst festlegen was und wie lange ihre Passagiere trainieren müssen. Denn eines ist klar: Wer sich das leisten kann, der hat keine Lust monatelang auf einen Flug zu trainieren.

Beim aktuellen russischen Flug „Sojus MS-19“ gab es schon Änderungen. Zuerst mal fand er nicht am 15. Mai statt, sondern ist nun für den 5. Oktober geplant. Es wurden am 17. April für die Auswahl für diesen Flug drei Schauspielerinnen angekündigt, dazu eine Frau mit Pilotenlizenz. Gewählt haben sie nicht die erst genannte und favorisierte Frau, noch ihr Backup, sondern sondern Yulia Peresild. Daneben noch ein Regisseur – für einen Spielfilm reicht das meiner Ansicht wohl noch nicht, aber vielleicht für Erfahrungen aus erster Hand, um Spielfilme realistischer zu machen. Seit langem gibt es ja Gerüchte, dass man bei einer der „privaten“ Missionen mit Tom Cruise einen Spielfilm drehen will. Ob das an Bord der ISS so gerne gesehen ist? Die Dragon alleine wird wohl zu beengt sein. Vielleicht die Chance für die aufblasbaren Raumstationen von Bigelow. Die Firma ist allerdings in Schwierigkeiten und hat an einer NASA-Ausschreibung für kommerzielle Module nicht teilgenommen.

Zumindest hat die NASA ihre Haltung zu Fremdpersonen geändert. Jahrelang hat die NASA die russische Praxis Weltraumtouristen mitzunehmen kritisiert. Sie wollte keine Weltraumtouristen an Bord der ISS haben, obwohl es meist US-Bürger waren. Das endete aber „natürlicherweise“ als die ISS soweit ausgebaut war, dass sie eine Kernmannschaft von sechs Personen unterstützen konnte. Vorher war die Personenzahl kleiner und daher gab es die Möglichkeit einen Sitzplatz mit einer Person für einen Kurzzeitaufenthalt zu besetzen. Diese Person war dann etwa eine Woche an Bord der ISS – sie flog mit der einen Besatzung hoch und kehrte mit einer anderen Besatzung, die abgelöst wurde zurück. Acht Weltraumtouristen flogen so von 2001 bis 2009 zur ISS. Danach benötigte man alle Sitzplätze für „echte“ Astronauten. Das Verhalten der NASA war damals relativ kleinlich, so dürften die Weltraumtouristen sich nur im russischen Teil der ISS aufhalten, als ob man verhindern kännte das sie auch woanders sind. Die ESA war nicht so kleinlich und erlaubte einer Touristin im damals angekoppelten ATV zu übernachten.

Nun ist natürlich alles anders. Die NASA zahlt sogar noch dafür das ein kommerzielles Modul an die Station angekoppelt wird. Vielleicht noch die Nachwehen einer Trump-Regierung bei des nur um das Verdienen geht. Eher sehe ich aber einen anderen Grund: Nun gibt es ein US-Unternehmen, dass dazu fähig ist, SpaceX, wenn Boeing nach vielen Verzögerungen auch einsatzbereit ist, gibt es zwei. Also Weltraumtouristen, die Russland startet, obwohl sie ein Kosmonautentraining wie andere Astronauten absolvieren müssen, sind schlecht oder riskant oder nicht erwünscht, aber Weltraumtouristen, die von einem US-Unternehmen befördert werden und an derne Ausbildung es keine Standards gibt die mit den eigenen Standards für Astronauten vergleichbar sind, das ist in Ordnung?

Klar ist das der nächste Schritt von einzelnen isolierten Flügen, wie sie angekündigt sind, zu einem längeren Aufenthalt an Bord einer Weltraumstation nicht ohne Hilfe der NASA geht. Die Anbieter zahlen ja schon jetzt nicht für die Entwicklung des Raumschiffs. Das taten Roskosmos und NASA. Bei einer eigenen Weltraumstation müssten sie diese Entwicklung finanzieren. Das dürfte auch der Hauptgrund sein, warum Bigelow bis heute keine Station gestartet hat. Die Herstellung eines druckdichten Moduls mit einer Inneneinrichtung die benötigt wird, ist noch zu schaffen, aber das ist keine Weltraumstation. Die benötigt auch eine Stromversorgung, Thermalmanagement, Lebenserhaltung und Aufbereitung von Abfällen und Abgasen. Sie muss laufend versorgt werden. Das alles bietet einem angekoppelten Modul derzeit die ISS. Die NASA hat sogar eine Preisliste für die Leistungen veröffentlicht.

Zurück zu den 28 Millionen für einen Sitzplatz beim Jungfernflug der New Shepard.

Nun da der erste bemannte Flug der New Shepard ansteht, gibt es jetzt noch ein Wettrennen in letzter Minute – Richard Branson, Gründer und Finanzier von Virgin Galactic, die mit dem Konkurrenzmodell Spaceship Two starten, hat angekündigt auch ins All zu starten und den Flug auf den 4. Juli (Unabhängigkeitstag in den USA) vorgezogen und damit vor dem geplanten Starttermin von Blue Origin. Erinnert mich irgendwie an den schnell angesetzten Flug von Juri Gagarin kurz vor dem geplanten Start von Alan Shepard. Ist vor allem überflüssig, bedenkt man das Virgin Galactic einen enormen Zeitvorsprung hatten. Der erste Flug des SpaceShips Two fand am 23.3.2010 statt. Gezündet wurde der Antrieb da noch nicht, erst am 29.3.2013. Der erste Test einer New Shepard war dagegen am 19.10.2012, allerdings auch hier nur der Kapsel und des Rettungsturms (*Pad Abort Test“), der erste reguläre Flug fand am 29.4.2015 statt. Beides Mal hinkte New Shepard also zwei Jahre dem SpaceShip Two hinterher, zumal SpaceShip Two ja schon der Nachfolger des SpaceShip One ist, das unbemannt die 100 km Marke erreicht hatte. Allerdings kostete ein Unfall am 31.10.2014, bei dem der Pilot nur mit schweren Verletzungen überlebte, Virgin Galactics viel Zeit.

Es wiederholt sich so die Debatte, die es auch bei der Auseinandersetzung Space Shuttle ↔ Kapsel gab. Ein „echtes“ Fluggerät ist steuerbarer, potenziell öfters verwendbar als die Rakete mit Kapsel, aber bei einer Havarie ist letztere sicherer, weil man sie vom Antrieb absprengen kann und sie dann an Fallschirmen landen kann. Also wenn ich die Wahl hätte, ich würde die New Shepard nehmen. Leisten kann ich es mir aber nicht und ehrlich gesagt: für einige Minuten Schwerelosigkeit würde ich sicher nicht mehr als einige hundert Euro ausgeben. Aber für beide Firmen gibt es ja genug andere Interessenten. Virgin Galactics berichtete schon vor Jahren sie hätten 700 Reservierungen.

Noch ein Detail am Rande: Es bringt Unglück, ein Raumgefährt „Enterprise“ zu nennen. Das gleichnamige Space Shuttle war ein Prototyp, zu schwer für den Flugeinsatz und absolvierte nur Landeanflüge, damals von einer B-747 in die Luft gebracht (es hatte aber einen Auftritt im James Bond „Moonraker“) und das erste Spaceship Two, die „VSS Enterprise“ verunglückte.

2 thoughts on “Die Zahl für heute: 28 Millionen

  1. Der Auktion-Gewinner ist ein Show-biz Produzent aus Island. Klar is 28 Mi. ein bischen teuer aber ein nicht leicht auswertbarer Bonus ist gerade mal Bezos (Amazon Prime Streaming Servis) zu treffen und mit ihm Zeit zu verbringen. Da ist schon mal ein Element von Synergie fur ihn drin. Vergessen wir nicht das Buffet jedes Jahr ein Mittagsessen mit ihm auktioniert, und das geht fur rund 4 Mi.

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