Die echten Pazifisten

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Der Ukrainekrieg spaltet die Gesellschaft. Er bringt auch viele dazu, ihren Standpunkt zu überdenken. Es gibt seit Jahrzehnten Ostermärsche unter dem Motto „Frieden schaffen ohne Waffen“. Das Motto ist schon immer umstritten gewesen. Dahinter steckt ja ein Menschenbild, dass wenn keiner Waffen hätte, es keinen Krieg gäbe. Das dies ein Ideal ist wissen wir alle, auch die Teilnehmer der Ostermärsche. Genauso wenig wie der Grundgedanke des Kommunismus funktioniert, dass es allen besser geht, wenn man die erwirtschaftete Leistung unter allen verteilt, egal wie viel jeder dazu beiträgt, nicht funktioniert. In beiden Fällen ist es das Grundübel von uns Menschen. Wir denken zuerst an uns, dann an Familie und Freunde aber wir haben keinen Sinn für so etwas wie eine Gesellschaft. So funktionieren auch Absprachen für den Klimaschutz nicht, weil der direkte Nutzen für einen einzelnen Staat erst gegeben ist, wenn die fossile Energie teurer ist als die regenerative Energie, was nun ja jetzt bald der Fall ist. Man kann eine Gesellschaft zu Gemeinsinn bringen, doch dann muss man den Gedanken wie eine Doktrin bei ihnen verankern. Das klappte in Gesellschaften mit religiöser Ausrichtung – anders wären Bauwerke wie die Pyramiden oder Kathedralen nicht denkbar. Aber in aufgeklärten Gesellschaften klappt es nicht so gut, wie schon kommunistische Systeme trotz allgegenwärtiger Indoktrination feststellen mussten.

Die Sache mit dem Frieden schaffen ohne Waffen ist ja, das es nur funktioniert, wenn alle sich dran halten. Rüstet man einseitig ab, so wird man nur viel eher Opfer eines Aggressors der nun ja keine Verluste befürchten muss. Und Menschen die meinen man könnte sein Staatsgebiet vergrößern, die Macht ausbauen oder sich bereichern – Gründe für einen Krieg gibt es ja genug, und wenn nicht, erfindet man welche – gibt es immer. Ohne groß nachzudenken, fallen mit Hitler, Mussolini, Saddam Hussein und Putin ein. Gegen solche Menschen und ihre Machtgier muss man sich schützen.

Es ist ja auch nicht so, das die Besetzung das geringere Übel gegenüber dem Krieg ist. Denn es ist ja nicht gesagt, das es damit vorbei ist. Man denke an die Massenerschießungen von polnischen Offizieren in Katyn und die Säuberungen durch die SS und die Judenverfolgung in den besetzten Gebieten. Auch in der Ukraine wurden ja in den besetzten und inzwischen befreiten Gebieten um Kiew Dutzende von Massengräber und Leichen in den Straßen gefunden – meist Zivilisten. Warum soll man sich dann ergeben?

Dann gab es den Brief der EMMA der zwei kritisierte Absätze enthält. Im ersten geht es um die Angst der Unterzeichner, das es einen Atomkrieg geben könnte:

Zwei solche Grenzlinien sind nach unserer Überzeugung jetzt erreicht: Erstens das kategorische Verbot, ein manifestes Risiko der Eskalation dieses Krieges zu einem atomaren Konflikt in Kauf zu nehmen. Die Lieferung großer Mengen schwerer Waffen allerdings könnte Deutschland selbst zur Kriegspartei machen. Und ein russischer Gegenschlag könnte so dann den Beistandsfall nach dem NATO-Vertrag und damit die unmittelbare Gefahr eines Weltkriegs auslösen.“

Nur: wenn man aus Angst vor einem Atomkrieg einem überfallenem Staat nicht zu Hilfe eilt, dann kann ich schon prophezeien, wie es weitergeht. Als Nächstes ist die Republik Moldau dran. Bei der es schon seit Jahren russlandfreundliche Separatisten gibt. Und dann die anderen ehemaligen Sowjetrepubliken im westlichen Teil Russlands, bis es ein Großrussland gibt (keine zweite Sowjetunion, den Sowjet („Rat“) ist ja ein kommunistischer Begriff und das Grißrussland wäre eine Autokratie). Die größeren Nachbarn Weißrussland und Kasachstan werden ja schon russischen Militär gestützt. Sonst wären beide Regierungen längst vom Volk gestürzt worden. Da dürfte dann der Schritt zum erzwungenen Anschluss beider Länder nicht weit sein.

Ich sehe das ganz anders als die Unterzeichner des EMMA-Briefs: Keine Waffenlieferungen, sich heraushalten, das ist moralisch verwerflich, denn es heißt Hilfsbedürftigen die Möglichkeit zu verwehren sich wenigstens selbst verteidigen zu können.

Im zweiten Absatz offenbart sich eine sehr komische Sicht der Dinge, die mich angesichts von Alice Schwarzers anderen Äußerungen aber nicht wirklich verwundert:

Die zweite Grenzlinie ist das Maß an Zerstörung und menschlichem Leid unter der ukrainischen Zivilbevölkerung. Selbst der berechtigte Widerstand gegen einen Aggressor steht dazu irgendwann in einem unerträglichen Missverhältnis.“

Wir warnen vor einem zweifachen Irrtum: Zum einen, dass die Verantwortung für die Gefahr einer Eskalation zum atomaren Konflikt allein den ursprünglichen Aggressor angehe und nicht auch diejenigen, die ihm sehenden Auges ein Motiv zu einem gegebenenfalls verbrecherischen Handeln liefern. Und zum andern, dass die Entscheidung über die moralische Verantwortbarkeit der weiteren „Kosten“ an Menschenleben unter der ukrainischen Zivilbevölkerung ausschließlich in die Zuständigkeit ihrer Regierung falle. Moralisch verbindliche Normen sind universaler Natur.“

Der Absatz ist ja wiederholt in den Medien scharf kritisiert worden. Verklausuliert steht drin, das sich doch die Ukrainer ergeben sollten, um weitere Opfer zu vermeiden. Im zweiten Teil bleibt für mich offen, was Schwarzer da meint. Eigentlich sollte ein offener Brief ja klar formuliert sein, denn nur so kann jemand ihn mit gutem Gewissen unterschrieben. Wer bitte hat denn nun noch Schuld am Einmarsch? Die Ukraine? Die EU oder NATO? Weil sie eine Mitgliedschaft nicht abgelehnt haben? Deutschland – weil der Brief ja an den Bundeskanzler gerichtet ist?

Den Brief haben viele unterschrieben. Bei den meisten Prominenten ist mir egal, ob sie sich damit blamieren oder nicht, aber enttäuscht war ich über die Unterschrift Ranga Yogeshwars. Er hatte lange Zeit meinen Respekt, vor allem, nachdem ich sah wie es mit Quarks nach seinem Weggang bergab ging. Aber so etwas hätte ich nie und nimmer unterschrieben. Auch die Rechtfertigung Yogeshwar kann ich nicht nachvollziehen. Er hebt dabei darauf ab das der Konflikt durch Verhandlungen gelöst werden muss. Da bin ich 100 Prozent bei ihm. Nur: verhandelt wird seit über zwei Monaten. Die Ukraine hat sogar das Zugeständnis gemacht, das sie kein NATO-Mitglied werden will, was meiner Ansicht nach der einzige Schutz vor einem weiteren Angriff – es ist ja schon der zweite nach 2014 – gewesen wäre. Aber die Verhandlungen kommen nicht voran. Während der Verhandlungen führt Russland weiter Krieg, erschießt Zivilisten, bombardiert Wohngebiete, bricht Vereinbarungen über Fluchtkorridore. Da der Ukraine die Schuld zuzuschieben ist vorsichtig formuliert sehr verwegen. Aber die Sicht, nun solle sich erst mal die Ukraine ergeben und verhandeln ist nicht nur blauäugig, sie ist dumm. Durch solche Verhandlungen hat man 1938 bei der Münchner Konferenz auch die Rest-Tschechei „gerettet“ – nun ja für genau sechs Monate…

Nun aber zu dem echten Pazifistenstaat. Auf ihn gebracht hat mich die Meldung, das es nun keine Munition für die Gepard-Panzer für die Ukraine gibt. Die stammt nämlich aus der Schweiz und die Schweiz ist streng neutral, sie hält sich aus allen Kriegen raus oder unterstützt alle Parteien. Im zweiten Weltkrieg lieferte die Schweiz eine 20 mm Maschinenkanone in enormen Stückzahlen an die Alliierten wie auch Deutschland. Die Schweiz ist ja streng neutral. Die Alliierten setzten sie als Flugabwehrgeschütz ein, Deutschland baute sie in Jagdflugzeuge ein. Ein Nachfolger der Maschinenkanone steckt im Gepard und so gibt es die Munition für den Gepard eben nur von der Schweiz. Die Weigerung der Munitionslieferung verwundert mich. Im Gepard wäre die Kanone gegen russischen Flugzeuge und Helikopter eingesetzt worden, das würde sie in der Ukraine auch. Es ist ein rein defensives System, dient also der Verteidigung.

Ja die Schweiz ist ein Musterbeispiel an Neutralität. Sie macht mit allen Geschäften, hielt den Krieg des dritten Reiches so am Laufen, die über die Schweiz Gold und andere Wertgegenstände verkauften und dafür Devisen bekamen, die sie zum Einkauf auf dem Weltmarkt brauchten. Aber Juden lies sie nicht einreisen, das hätte ja Hitler verärgern können. Diese Anti-Asylpolitik hat sie bis heute beibehalten, obwohl es ja bestimmt nicht viele Flüchtlinge gibt, die in den Staat mitten in Europa, weitab von jeder Außengrenze zu Ländern mit Flüchtlingsströmen, einreisen wollen. Was die Schweizer Banken gerne nehmen ist Geld. Geld von Juden, die dann nachdem sie tot waren und die Erben nicht ans Geld kamen, von den Banken eingestrichen wurden. Geld von russischen Oligarchen und Steuersündern in ganz Europa. Auf die Sanktionen der EU hat man auch erst spät reagiert, wahrscheinlich um nicht vollständig isoliert dazustehen und Sanktionen der EU gegen die Schweiz als Unterstützerstaat drohten. Die Weigerung Munition für die Oerlikoin Kanone zu liefern ist eigentlich nur zu erklären, das man auf keinen Fall Putin verärgern will, sonst könnten die Oligarchen ihr Geld ja in eine andere Steueroase transferieren. Denn bei dem Verkauf der Kanone ist bisher die Schweiz nicht so zimperlich gewesen. Wikipedia listet als Abnehmerstaaten Bahrein, Chile, Iran, Jordanien, Katar, Kuweit, Oman, die Vereinigten Arabischen Emirate und China auf – allesamt waren (bzw. sind) dies keine Demokratien und in den Staaten wird teilweise die Bevölkerung massiv unterdrückt und die Menschenrechte verletzt. Ja solange man niemand verärgert macht die neutrale Schweiz Geschäfte mit jedem oder wie schon Vespasian erkannte „pecunia non olet“. Wenn man aber einen Kunden Schweizer Banken verärgern kann, dann hat sie genau die gleiche pazifistische Einstellung wie die EMMA, denn auch sie ist ja dann gegen Waffenlieferungen an die Ukraine.

Meiner Ansicht ist die Schweiz in dem letzten Jahrhundert mutiert. Die Schweizer sind stolz darauf, die Demokratie „erfunden“ zu haben (zumindest nach der Antike neu erfunden). Damals haben sie sich aus einer Fremdherrschaft befreit. Heute unterstützen sie andere Völker, die sich gegen eine Fremdherrschaft wehren wollen nicht mehr. Sie haben sich auf einem sehr eigennützigen Neutralitätsgrundsatz ausgeruht der heißt „wir mischen uns nicht ein, egal was woanders passiert und machen Geschäfte mit allen“. Das ist bequem, man ist mitten in Europa in jeder Richtung von NATO-Ländern umgeben. Die Regierungsinteressen sind die von Banken bestimmt, die am Krieg überall auf der Welt mitverdienen und die keine Moral kennen, denn Geld ist ja auch neutral. Noch bequemer ist für die Einwohner, dass sie mitten in der EU sind. Sie profitieren nicht nur von Freihandelsabkommen, sondern nutzen das trotz des als Steueroase enormen Wohlstands und Rekordlöhnen aus, indem sie bevorzugt im EU-Ausland einkaufen, wo die Preise niedriger sind und man sich die Mehrwertsteuer sogar noch erstatten lassen kann. Ich würde mich schämen, wenn ich in einem Land von lauter Onkel Dagoberts leben würde.

10 thoughts on “Die echten Pazifisten

  1. Frieden schaffen ohne Waffen? Da müsste aber auch Putin mitspielen, damit das funktioniert. Macht er aber nicht. So wird daraus Friedhof schaffen ohne Waffen, praktisch Beihilfe zum Völkermord.

  2. „Im zweiten Weltkrieg lieferte die Schweiz eine 20 mm Maschinenkanone in enormen Stückzahlen an die Alliierten wie auch Deutschland.“
    Das ist nicht korrekt, eine schweizer Firma lizensierte die Waffe an alle Interessenten vor dem Krieg. Gebaut wurden sie von den Kriegsparteien. Auch die Munition für Gepard wurde nicht in der Schweiz hergestellt sondern entwickelt und lizensiert. Das Problem dürfte sein die Produktion wieder aufzunehmen. Das die Schweiz mit allen und jeden Geschäfte macht kann keiner bestreiten. Sie würden wirtschaftlichen Schaden nehmen wenn sie es nicht täten.

    1. Inhaber der Rüstungssparte des ehemaligen Oerlikon-Konzerns ist seit einigen Jahren Rheinmetall. Die bräuchten also theoretisch eigentlich nur die Produktion verlagern.

      Die Schweiz steht auf dem Standpunkt, dass sie keine Waffen in militärische Konflikte liefert. Im Zweifel also auch nicht nach Deutschland, wenn das gerade angegriffen wird. Man sieht, dass in Deutschland also solche wichtigen Dinge, wie z.B. Munitionsversorgung im V-Fall, nicht intelligent geplant wurden.

      Die im Gepard verwendete Zwillingskanone wird noch in über 30 Staaten benutzt, also sollte dafür auch Munition existieren…

      1. Ich gehe davon aus das Deutschland während der Einsatzzeit des Gepard die Munition im Land hergestellt hat. Aber die Kiste ist seit Jahren ausgemustert.

        1. Bei Deutschland und der Bundeswehr von etwas auszugehen, was dem gesunden Menschenverstand entsprechen sollte, scheint ein ebenso großer Fehler zu sein. XD

    1. Deutsche Firmen haben sich teilweise einen Dreck um Exportregeln gekümmert also kein Grund über schweizer Firmen herzuziehen.

  3. Die Formel „Frieden schaffen ohne Waffen“ ist keinesfalls ein einfaches Abschaffen von Waffen, sondern ein aktiver Prozess der Befriedung, also der Konfliktlösung und Vermeidung. Ich verstehe darunter eher eine Abkehr von einer Abschreckungspolitik hin zu einer Kooperation.

    Warum sollte ich für Mrd Waffen rumliegen haben, wenn ich für weniger Geld gewünschte Produkte einfach kaufen kann? Natürlich macht das Schwierigkeiten, in einem System, welches Gier und Eigennutz als positive Wesensmerkmale fördert. Allerdings gibt es auch bei solcherart sozialisierten Menschen und Staaten Einfluss, ohne Waffgengewalt und Drohungen, und andererseits erzeugen Anhäufungen von Waffen und Drohungen einen Grund für Präventivmaßnahmen und Kriege. Neben dem Konfortbedürfnis Spielt nämlich auch ein Sicherheitsbedürfnis mit.

    Einfach mal die Vorgeschichte der diversen Konflikte untersuchen, und man findet die Punkte, an denen die Kriege hätten verhindert werden können, ohne nur einen Schuss abzufeuern. Man sollte auch nicht unterschlagen, wie Feindschaft gesäht und verbreitet wird, und wie es immer wieder Nutznießer davon gibt. Als Saddam Hussein den Iran bekriegt hat war er der Gute. Als er seine Schulden aus dem Krieg nicht mehr bezahlen konnte, und sich deshalb an Kuweit schadlos halten wollte war er auf einmal der Böse. Im Zweiten Krieg wurde der Irak unter einem Vorwand angegriffen und zerstört. Wo war da das Recht des Angegriffenen Staates sich zu verteidigen. Warum wurden da keine Waffen geliefert?

    Wie man sieht ist die Situation nicht so einfach, es gehört Vorgeschichte dazu, und Hintergrundwissen um die Auslöser der Konflikte, und es gehört dazu der Mut, sich auch mal in die Gegenseite zu versetzen. Deshalb ist „Frieden schaffen ohne Waffen“ auch so schwer.

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