Die Hitler Tagebücher: Teil 7: Der Scoop
Dies ist ein Artikel aus einer kleinen Serie zu dem Skandal um die gefälschten Hitler Tagebücher:
- Teil 1: Die Vorgeschichte
- Teil 2: Der Handel
- Teil 3: Warum flog die Fälschung nicht vorher auf?
- Teil 4: Der Vertrag
- Teil 5: Bände, Prüfungen und Rechte
- Teil 6: Die Veröffentlichung
- Teil 7: Der Scoop
- Teil 8: Die Bombe platzt
- Teil 9: Nachwehen
- Teil 10: Epilog
Die Teile behandeln den Skandal relativ umfassend und weitestgehend chronologisch.
Am 25.4.1983 erscheint der Stern Nummer 18. Die Auflage wird von 1,8 Millionen auf 2,32 Millionen erhöht und der Heftpreis von 3,00 auf 3,50 DM. Anders als Walde und Heidemann es wollen fängt der Band mit der Fundgeschichte an um die Legitimität der Bücher zu unterstreichen.
Die Pressekonferenz des Sterns vor 250 Reportern am 25.4.1983 endet in einem Desaster. Schon vorher hatte der Holocaust Leugner David Irving angekündigt, das er beweisen könnte, das die Tagebücher Fälschungen seien. Er bekommt von britischen und deutschen Medien Honorare für Interviews und Artikel und wird von Medien zur Pressekonferenz eingeladen. Auf der Pressekonferenz fragt er, wie es denn sein könnte, das Hitler nach seinem Attentat Tagebuch schreibt wenn man auf Wochenschauberichten (und im Stern TV Film) sehen kann wie er den italienischen Botschafter mit der linken Hand begrüßt und die rechte im Verband trägt? Er kenne die Sammlung aus der die Tagebücher stammen, eine Sammlung voller Fälschungen. Koch ruft, er solle Fragen stellen nicht Vorträge halten, und sein Mikrofon wird abgeschaltet. Nun brüllt er durch den Saal. Die NBC bittet ihn nach draußen für ein Interview.
Es kommt es noch schlimmer. Verspätet kommt Gerhard Weinberg, dessen jüdische Eltern mit ihem als 10-Jährigen in die USA emigrierten, zur Pressekonferenz. Weinberg hat für Newsweek die Bücher begutachtet. Anstatt nun Koch beizuspringen, schlägt der in die Kerbe die der Stern immer übersah. Er sagt das sich alle Schriftgutachten sich auf Dokumente bezogen, deren Echtheit inzwischen zweifelhaft wäre und es nur eine Seite der Tagebücher für die Schriftgutachter zu begutachten gab. Wahrscheinlich wussten die Schriftsachverständigen gar nicht, dass die Tagebücher existieren. Die Tagebücher müssten als Ganzes untersucht werden, von Historikern, selbst im Hamburg wäre es leicht möglich jemanden zu finden der den Sachverstand dazu hat. Das wäre nicht Aufgabe des Stern. Wörtliches Zitat „Wir leben ja nicht auf einer Südseeinsel ….“. Koch unterbricht ihn, natürlich würde man die Tagebücher untersuchen lassen. Fragen aus dem Publikum Wann?“ Antwort: wenn die journalistische Auswertung beendet ist. Zu dem Zeitpunkt hatte der Stern Serien bis zum Herbst 1984 geplant ….
Erst jetzt übergibt man aufgrund dieses Drucks und der Einwände Dr. Henke, vom Bundesarchiv der anwesend war, angesichts des chaotischen Verlaufs zwei Tagebuchbände und den Heßband. Henke schaltet das BKA und die Bundesanstalt für Materialprüfung zusätzlich ein. In der Redaktion herrscht noch Vertrauen in die eigenen Leute. Irving wird nicht für voll genommen, man kennt den Menschen ja als überzeugten Neonazi. Und wegen der Hand – Schrieb Hitler denn nicht mit der linken Hand?
Doch es kommt immer Dicker. Am 27.4.1983 zeigt das ZDF den Stern-TV Film und es gibt danach eine Diskussionsrunde. Trevor-Roper sieht nun die Dokumente solange als falsch an, bis ihre Richtigkeit beweisen ist. Man habe ihm gesagt, dass es eine lückenlose Fundgeschichte gäbe, und daran habe er nun ernsthafte Zweifel. Ein anderer Historiker wirft Koch vor „Banalitäten sondergleichen“ zu veröffentlichen, Professor Jäckel der schon auf Kujau-Fälschungen hereinflog, berichtet davon, dass es eine ganze Szene gäbe in der enorm viel gefälschtes Material kursiert. Koch ist der einzige der noch an die Tagebücher glaubt. Er wehrt sich aggressiv.
Am nächsten Tag gibt es in der Redaktion Standing Ovation für Koch, weil er sich so wacker geschlagen hat. Man rückt beim Spiegel zusammen, wenn einer angegriffen wird. Es wird über die Runde diskutiert und das konzentriert sich auf die eigenen Fehler der Kritiker. Das inspiriert Koch zu einem Kommentar, der im nächsten Heft erscheinen wird und für ihn das Karriere-Aus bedeutet. Er beschreibt das der Stern gerade sorgfältig wäre, im Gegensatz zu seinen Kritikern. Wirft Jäckel vor, selbst auf Fälschungen hereingefallen zu sein und sie publiziert zu haben und dies revidieren musste, während der Stern alles vorher sorgfältig prüft. Irving hätte Material erhalten, dass gefälscht sei und das auch der Stern angeboten bekommen habe, aber abgewiesen habe. Auch Trevor-Roper bekommt sein Fett weg. Schließlich war das Blatt aus der Heßsschrift, das einzige das nicht als falsch erkannt wurde. Die Echtheit der Tagebücher seien nach Koch über jeden Zweifel erhaben.
Das Bundesarchiv bekommt währenddessen vom Stern vier weitere Bände zum begutachten, ein weiterer unabhängiger Gutachter soll bei 12 Seiten aus dem Heßband das Alter des Papiers bestimmen.
Währenddessen räumt Heidemann am 18 April seinen Safe bei der deutschen Bank aus, ab dem 23 April beginnt er Teile seines Archivs auszulagern, wohin weiß man bis heute nicht. Am 28. April bekommt er die letzten 300.000 DM für die letzten Bände vom Verlag, am selben Tag trifft er Kujau in seiner Wohnung in der Elbchausee, doch der reist ohne Geld nach Stuttgart zurück.
Dann beruhigt es sich zuerst etwas. Der Spiegel erscheint am folgenden Montag, dem 2. Mai, berichtet aber neutral über die Vorstellung der Tagebücher und die Kontroverse mit der Schlagzeile „Fund oder Fälschung“. Der Stern ist beunruhigt, weil nun Teile der Fundgeschichte offensichtlich von Hartung erzählt im Spiegel stehen und dazu Fotokopien aus dem Band den Hartung hatte. Der Spiegel war selbst in der Ausgabe 6/1983 auf einen Kunstband mit gefälschten Hitler-Zeichnungen (darunter viele Kujaus) reingefallen, aber das war nicht eine große Schlagzeile, das war eine Buchbesprechung. Der nächste Stern erscheint dann mit der Story des Heß Fluges als „Friedensmission“ für Hitler
Am selben Tag gibt es erste Neuigkeiten aus Koblenz. Das Papier enthält den Aufheller Blankophor und die Polyesterfäden im Einband wurden nicht vor 1953 eingesetzt. Dazu findet nun auch das Bundesarchiv Ungereimtheiten. Die Einträge für die Veröffentlichung zweier Gesetze im Tagebuch von 1934 stimmen nicht. Beim Stern schaut man in einer Chronik nach, einem der beiden Bände die auch Kujau verwendet, und entdeckt keine Abweichung. Nur ist die Chronik hier falsch, im Bundesarchiv schaute man natürlich in den Reichsanzeiger, das Gesetzesblatt des dritten Reichs. Beim Stern vermutet man aber einen Fehler des Bundesarchivs. Als letzte Klammer fragt man Dr. Henke, ob denn nicht die optischen Aufheller durch Textilien die man zur Papierherstellung nahm, hineinkommen könnten. Henke hält das angesichts der gefundenen Menge für unwahrscheinlich. Heidemann fragt Kujau, ob er wisse wann Blankophor verwendet wird, der ist nicht, da aber seine Mitarbeiterin liest ihm einen Zettel vor, den Kujau angeblich von einem Polizeibeamten eingeholt hat und nach der die Substanz im Ausland schon ab 1917 eingesetzt wurde. Ein zweiter Reporter des Stern erkundigt sich beim Hersteller Bayer der nicht ausschließen kann, das Blankophor schon in den Kriegsjahren eingesetzt wurde (es kam 1940 auf den Markt).
Erst an dem Tag fällt einem der Mitarbeiter des Stern auf, das auf den Bänden nur auf zweien Initialen sind, die nach Plastik aussehen und es ein „FH“ ist (obwohl man in Millionenauflage die Initialen auch auf der Titelseite des Sterns 18/1983 sah. Auch hier hat Heidemann eine Erklärung. Hitler hätte das selbst bemerkt und deswegen gäbe es die falschen Initialen auch nur auf zwei Kladden.
Links / Referenzen zur Serie
Auf die Beschäftigung mit dem Thema kam ich durch die ZDF Dokumentation „Die Jahrhundertfälschung Hitlers Tagebücher“ von ZDFZeit 2013. Daraufhin kaufte ich mir drei Bücher, eines von Erich Kuby schmiss ich nach dem Lesen weniger Seiten mit grundlegender Imperialismuskritik im DDR Jargon wieder weg. Es fand sich dann auch nur ein DDR-Verlag für die Publikation. Dabei galt der Autor als kompetent und arbeitete für Spiegel und Stern. Die beiden anderen Bücher kann ich empfehlen. Zeitnah, etwas kürzer ist von Manfred Bissinger: Hitlers Sternstunde. Kujau, Heidemann und die Millionen. Es ist etwas detailverliebter, geht weiter in der Biographie von Kujau und man findet mehr Zahlen und Daten in dem Buch. Seine Schwäche ist die Gliederung nach Themenschwerpunkten, nicht der Chronologie. Zudem ist es ein typischer Schnellschuss, will den Hype um den Skandal ausnutzen. Es endet noch vor dem Urteil. Das zweite Buch Der Skandal um die Hitler-Tagebücher stammt von Michael Seufert, Ressortleiter beim Stern und von Henri Nannen beauftragt mit der internen Aufklärung des Skandals. Es ist umfangreicher, chronologisch gegliedert und mehr auf den Stern zentriert. Beide enden aber ziemlich genau nach dem Skandal und behandeln den Prozess eher stiefmütterlich. Ich kann beide empfehlen und würde auch heute wieder beide kaufen und sie erneut lesen. Warum? Ingrid Kolb, damals Stern Redeakteurin, gibt in der obigen ZDF Doku die Antwort. Sie wird von Bekannten nach dem Spielfilm „Schtonk!“ angesprochen und sagt dann immer „Es war noch irrealer“ und die Bücher sind wirklich Infotainment. Die Details sind so bizarr das das Lesen wirklich amüsant ist, sofern man nicht gerade Heidemann heißt. Über den Prozess informiert dieses PDF. Genaueres über die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung liefert das Bundesarchiv.
Es gibt zwei neuere Aufarbeitungen des Stern-Skandals. Der Stern selbst hat den 10-teilligen Audio Podcast „Faking Hitler“ herausgebracht, mit vielen Tonbandmitschnitten von Heidemann/Kujau sowie Interviews mit Heidemann, Walde und Sorge. Man erfährt aber sehr wenig über die Details, die Fehler in den Büchern und Kujau kommt in dem Podcast erheblich schlechter weg als Heidemann. Er gilt als der wahre Schuldige, von der Unterschlagung von Heidemann ist fast nicht im Podcast die Rede. Der Stern hält wohl noch immer zu ihm.
Reschke Fernsehen (ich kann auch die Sendung von Anja Reschke über die CSU empfehlen) hat sich nun erstmals mit dem Inhalt der Bücher befasst. Den kennt man, weil ja nach zwei Ausgaben die Stern-Reportage eingestellt wurde, bis heute nicht. Hinzugezogene Historiker beurteilen die Bücher heute als eine groß angelegte Holocaust Leugnung. Nun ist auch klar, warum die Tagebücher bis heute nicht öffentlich gemacht wurden, obwohl der Stern dies für 1993 ankündigte und seitdem mehrmals, aber nie ans Bundesarchiv abgaben. Das ist ein Skandal von Heute: Der Stern als Helfer von Holocaustleugner und Nazis, weil eben die Bücher niemals Historikern zugänglich gemacht wurden, weil man befürchtete der Inhalt wurde sonst publik werden. Die Bücher kann heute jeder einsehen und über Volltext-Recherche durchsuchen. Nicht zuletzt gibt es noch die Sicht von Gerd Heidemann selbst. Er hat mittlerweile eine eigene Website, aber die ist extrem umfangreich und leider voller Papierscans, ohne das eine OCR darüber ging.
Bin nun bei Folge 8 des Podcasts.
Da wird die Frage aufgestellt, was mit dem gazen verschwundenen Geld passiert ist, was du ja schon vor einigen Blogs angesprochen hast. (Und wenn man liest wie einige Neureiche/Lottogewinner innerhalb weniger Jahre oft ihr GANZES Geld durchbringen, ist es nicht so ein Mysterium.)
Zwei Dinge sollte man nicht vergessen: Heidemanns Frau lies sich während der Haft von ihm scheiden. Bei Zugewinngemeinschaft bekommt sie 50 Prozent von den Millionen.
Und bei einem Einkommen von mindestens 4,4 Millionen in drei Jahren lag der Steuersatz damals bei 56 Prozent.
Beides kombiniert schrumpfen 4,4 Millionen auf 1 Million zusammen.