Die Hitler Tagebücher Teil 10: Epilog

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Nun sind es doch zehn Teile über die Hitler Tagebücher geworden, es war mir zwar klar, dass ich sie nicht in einem Beitrag abhandeln kann, aber anfangs dachte ich ich käme mit drei Teilen aus, dabei habe ich wirklich viel weggelassen. Das betraf Nebenstories aber auch die vielen Veränderungen die es bei der Fundgeschichte gab und etliche Ungereimtheiten die aufgeführt wurden. Dieser Teil ist aber nun wirklich der letzte Teil.

Dies ist ein Artikel aus einer kleinen Serie zu dem Skandal um die gefälschten Hitler Tagebücher:

Teil 1: Die Vorgeschichte

Teil 2: Der Handel

Teil 3: Warum flog die Fälschung nicht vorher auf?

Teil 4: Der Vertrag

Teil 5: Bände, Prüfungen und Rechte

Teil 6: Die Veröffentlichung

Teil 7: Der Scoop

Teil 8: Die Bombe platzt

Teil 9: Nachwehen

Teil 10: Epilog

Die Teile behandeln den Skandal relativ umfassend und weitestgehend chronologisch.


Heute folgt nun eine Nachbetrachtung. Was den Skandal so einzigartig macht ist eine Kombination von mehreren Dingen:

Keine Recherche

Was erwartet man von einem politischen Magazin wie dem „Stern“? Man erwartet das sie gründlich recherchieren, Dinge aufspüren die im Argen liegen oder die vertuscht werden sollen. Bei den Hitler Tagebüchern hat Heidemann am Anfang den Absturz der Ju 352 verfolgt und nachgewiesen. Das war es aber dann auch für die nächsten zwei Jahre. Alleine das die Tatsache geglaubt wurde, dass Hitler Tagebücher schrieb ist schon ein Versagen der Recherche. Man könnte ja mal die noch lebenden Zeitzeugen fragen. Es lebten noch Hitlers Adjutant und Sekretärin. Die hatten beide täglichen Umgang mit Hitler denen müsste doch auffallen, wenn er Tagebuch schreibt. Stutzig hätte man auch werden können wenn als die Vergleichsdokumente benötigt wurden es im Bundesarchiv nur einige Textstellen von Hitler mit mehreren Zeilen Umfang gab. Auch anderswo gab es viele Ansatzpunkte, die Geschichte die Heidemann auftischte nachzuprüfen. Walde erkundigte sich z.B. nach den Generälen der DDR und fand dort zwar zwei mit dem Nachnamen Fischer, aber beide mit dem falschen Vornamen. Es gab aber keine Konsequenzen. Ebenso erklärte Heidemann höhere Tagebuchpreise damit, das nun Gelder auf „ungarische Nummernkonten“ (Ungarn war damals ein Sonderfall im Ostblock in dem man sehr viele Westwaren in normalen Läden kaufen konnte) flossen. Ein Anruf bei einer Bank hätte ergeben das es Nummernkonten wie in der Schweiz nicht in Ungarn gibt. Heidemanns Angaben werden nie nachgeprüft. Als er die Telefonnummer von Fischer preisgibt braucht der Stern gerade mal einen Tag um herauszufinden das dieser Konrad Kujau heilt und keine Verwandten in der DDR im Generalsrang hat.

Das Versagen von Kontrollstrukturen

Der primäre Fehler war, das zwei Redakteure unter Umgehung der restlichen Redaktion und Chefredaktion direkt mit der Verlagsleitung zusammenarbeiteten. Diese war an der historischen Wahrheit nicht und an der journalistischen Aufarbeitung nur finanziell interessiert. Den ganzen Handel wickelte eigentlich nur Heidemann ab, sodass auch jede Kontrolle fehlte wie viel Geld bei Kujau ankam. Nicht mal das Geld lies er sich quittieren. Ich glaube in einer Redaktion hätte es genügend kritische Meinungen gegeben die die Sache hinterfragt oder nachgeprüft hätten.

Noch schlimmer: Der Geldfluss wurde praktisch nie kontrolliert. Am Schluss stellte sich heraus, das man Heidemann 700.000 DM mehr für die Bände bezahlt hatte, als nötig.

Die fehlende Logik

Es wurde schon angesprochen, das die allgemeine Lehrmeinung davon ausging das Hitler schreibfaul war. Selbst wenn nun Hitler Aufzeichnungen machen will, warum diktiert er diese nicht wie alles andere? Die Tagebücher fangen an mit:

Politisches und privates Tagebuch. Dieses Buch soll, sollte mir etwas zustoßen Pg. Schaub oder meiner Schwester Paula übergeben werden. Ich werde meine politischen und privaten Aufzeichnungen machen.“. Was dann aber folgt sind nun nicht etwas Einsichten in politische Gedanken, interne Dinge die nicht nach Außen dringen oder im Sande verlaufen aber wichtig für die Nachwelt sind. Es ist ein Mix aus der Wiedergabe von historischen Ereignissen, die man auch in einem Zeitungsarchiv finden würde, dem Geschreibe eines Hypochonders, obwohl Hitler in der Öffentlichkeit seinen wahren Gesundheitszustand (er litt unter Parkinson und war wohl medikamentenabhängig) verbarg und Holocaustleugnerei. Schreibe ich dafür Tagebuch?

Mit Logik wäre man auch bei den Tagebüchern weiter gekommen. Anfangs war von 27 Halbjahresbänden die Rede. Dann wurde Kujau gieriger und schrieb mehr. Am Schluss waren es dann 60 Bände. Wenn der Führer aber mit Halbjahresbänden begann und dann mehr schrieb, warum hat er die neuen Bände dann nicht voll geschrieben? Teilweise waren die Bände nur zur Hälfte beschrieben. Kurz vor der Veröffentlichung wurde der einzige Band, den Kujau schon 1975 schrieb, angekauft und niemand fiel auf, das es für das erste Halbjahr 1935 nun doppelte Bände gab. (das hätte Heidemann spätestens dann auffallen müssen als er den ersten Band für 1935 bekam, also relativ früh). Und spätestens als kurz vor der Veröffentlichung Heidemann folgende Liste von noch zu beschaffendem Material vorliegt:

1.) 6 tagebuchartige Bände, die Hitler neben seinen uns bekannten Tagebüchern geführt hat.

2.) Adolf Hitlers handgeschriebene Memoiren „Mein Leben und mein Kampf für Deutschland“, verfaßt in den Jahren 1942—1944.

3.) Hitlers Buch über die Frau, in der er auch seine Erlebnisse mit Frauen schildern soll.

4.) Hitlers Plan der Endlösung der Judenfrage, verfaßt nach der Wannsee-Konferenz am 28. Jan.

1942, in dem er Himmler genaue Befehle gibt, was mit den Juden geschehen soll. (18 handgeschriebene Seiten)

5.) Hitlers handgeschriebene Akten und Himmler, Ley u.a., in denen Vermerke über die jüdische

Abstammungen der Betreffenden enthalten sind.

6.) Hitlers Aufzeichnungen vom 18. April bis zu seinem Tode am 30. April 1945.

7.) Goebbels-Aufzeichnungen nach Hitlers Selbstmord.

8.) Hitlers handgeschriebenes Vermächtnis (21 Seiten), seine Testamente und seine Heiratsurkunde.

9.) Hitlers Akte über seinen angebl. Sohn in Frankreich.

10.) Hitlers Akte über seine Verwandtschaft und seine Abstammung.

11.) Geheime Denkschriften zu verschiedenen militärischen und politischen Problemen.

12.) Hitlers Buch über Friedrich den Großen.

13.) Hitlers Buch über König Ludwig 11. von Bayern.

14.) Hitlers Oper „Wieland, der Schmied“.

Sollten doch alle Alarmglocken klingeln oder? Hitler führt zweimal Tagebuch? Woher kommen die Dokumente die nach dem Abflug der Ju 352 entstanden (6+7) und Hitler schreibt Bücher und sogar eine Oper? Wie naiv muss man sein um an das zu glauben?

Fehlende Logik zeigt sich aus daran, dass Heidemann die Geschichte wie er zu den Tagebüchern kommt und wie sie in die BRD gelangen mehrmals erzählen muss, weil immer mehr „Mitwisser“ dazu kommen. Es muss denen, die sie mehrmals gehört haben doch aufgefallen sein, das es dann immer mehr Abweichungen zur ersten Story gibt. Es tauchen immer mehr Personen in der Geschichte auf, wohl um die viel teureren Bände zu rechtfertigen.

„Too big to fail“

Diese „Zeitungsweisheit“ trifft leider auf den Skandal voll zu. Die Verlagsleitung hatte kein Problem mit hohen Summen in Vorleistung zu gehen. Der erste Tagebuchband wird im Januar 1981 angekauft, als im Mai 1981 die Chefredaktion eingeweiht wird hat der Verlag schon über 1 Million DM ausgegeben und als die Redaktion eingeweiht wird – eine Woche vor der Veröffentlichung sind es über 9 Millionen. Die Chefreaktion darf über Ausgaben von maximal 150.000 DM selbstständig entscheiden. Damit ist wohl zu begründen das dann keinerlei Nachprüfung erfolgt, wenn der Verlag ein Vielfaches dieser Summe ausgibt muss das alles abgesichert sein. Sie ahnen nicht wie leichtsinnig man Heidemann Bündel mit Scheinen in die Hand drückt. Das gleiche gilt dann bei Einweihung der Redaktion wobei dann ja auch schon der Veröffentlichungstermin ansteht, also alles eigentlich druckreif sein muss. Das gilt auch als die Verlagsspitze Anfang 1982 wechselt. Gert Schulte-Hillen löst Manfred Fischer ab, er bekommt zwar die Freigabe von einer Million vorgelegt, aber weil schon der Vorgänger 2 Millionen freigab, zeichnet er ab.

Die Zuverlässigkeit der Quelle

Bei Reschke Fernsehen taucht als Einblendung ein (naseweiser) Teenager auf der bei Instagramm in 6 kurzen Punkten seinen Altersgenossen erklärt wie man Fake-News erkennt und Der erste Punkt ist die Zuverlässigkeit der Quelle. Gut dieser Punkt ist heute wichtiger als 1983, weil heute jeder Publizieren kann. Aber die einzige Quelle, die der Verlag und Redaktion haben ist Gerd Heidemann. Dessen Nazi-Tick ist allgemein bekannt, er ist hoch verschuldet weil er sein Geld in die Jacht „Carin II“ und eine Nazi-Sammlung steckt. Ist so jemand der Richtige um Hitler Tagebücher anzukaufen? Warum lässt man ihn über zwei Jahre gewähren anstatt auszuloten ob den Ankauf nicht jemand anders machen kann oder schickt sogar zwei Leute um eine Kontrolle über den Geldfluss zu haben? Warum fällt niemand auf, das Heidemanns Schulden nun plötzlich weg sind, er die Jacht noch weiter ausbauen kann und er in der Elbchaussee zwei Wohnungen anmietet zu Mietpreisen die er sich nicht leisten kann? Peter Koch verteidigt am Schluss Heidemann als knallharten Rechercheur. Es ist derselbe Peter Koch, der ihm vorher verbot weiter nach „Nazi scheisse“ zu recherchieren weshalb er ihn ja auch überging. Hat Koch vergessen wie zuverlässig Heidemann vorher in Nazi Sachen war? Das er zwei Monate lang Nazi-Größen interviewte und dabei keine einzige kritische Frage stellte, sodass man die Reportage die 27.000 DM an Spesen kostete nicht drucken konnte?

Die Überprüfung

Was meiner Ansicht nach die Hitler Tagebücher mit „Mein Kampf“ gemeinsam haben ist, das sie niemand richtig gelesen hat. Heidemann macht Fotokopien und Abschriften mit der Scheinmaschine. Die landen in seinem Privatarchiv. Die Bände selbst aber im Tresor. Müssen die nicht gründlich überprüft werden? Ob alle historischen Angaben stimmen? Ob es an Hitler komplett vorbeigehen sein kann das Juden in Konzentrationslagern umgebracht wurden? Macht es überhaupt Sinn diese Mischung von Hypochonder-angaben und Wiedergabe von Fakten aus Chronologien zu veröffentlichen? Jeder der die originale mal angelesen hat findet den Inhalt banal. Sicher man kann sich dann die Passagen heraussuchen die eine Sensation versprechen, doch ist das dann noch authentisch oder schon eine nicht zulässige Kürzung?

Vor allem scheut der Sterne eine wirkliche Prüfung des Inhalts der Bücher. Er gibt sie bis zur Veröffentlichung nicht an Historiker weiter und hat nach Angaben von Koch bei der Pressekonferenz die Absicht dies erst zu tun wenn sie komplett journalistisch ausgewertet sind, es also keine weiteren Sensationen mehr gibt, was nach den Sternplänen mindestens zwei Jahre gedauert hätte.

Die gleiche Paranoia gibt es bei den Gutachten. Aus Angst das etwas vorher nach Außen dringt, gibt man den Schriftsachverständigen nur eine Seite und lässt die Bücher materialtechnisch überhaupt nicht untersuchen. Das geschieht erst als es auf der Presskonferenz Zweifel an der Echtheit gibt. Dann ist es aber schon zu spät. Kujau ist kein guter Fälscher. Gute Fälscher machen Fälschungen die nicht leicht auffliegen, nehmen zumindest Originalmaterialien aus der Zeit. Diese Mühe macht sich Kujau nicht. Wenn der Stern nach Erhalt des ersten Bandes eine einfache Materialprüfung angestrebt hätte, er hätte sich 9 Millionen und einen Skandal erspart oder wie Heidemann nach dem Gutachten in einem Telefonat zu Kujau sagt „… da stimmt ja gar nichts, das ist vernichtend“.

Der Vertrag

Er hat ja bei mir eine eigene Folge bekommen, aber er ist schon was besonderes. Ohne Eigenleistung bekommen Heidemann/Walde einen Vertrag der sie reich macht weil sie einen Großteil der einnahmen aus den Rechten bekommen, dabei muss er seinen Informanten nicht preisgeben, entscheidet wer das Material begutachten darf und er alleine darf im Stern darüber schreiben. So was nennt man woanders einen Blankoscheck.

… und heute?

Ich finde das Video des Instagramm Teenagers das Anja Reschke in ihren Beitrag einfügte, genial. Denn heute ist von jedem mehr Kritik beim Umgang mit Nachrichten gefordert als damals. Damals gab es nur Zeitungen/Zeitschriften, Radio und Fernsehen. Medien bei denen jede Nachricht nachgeprüft wird von bezahlten Redeaktiren. Es gab auch Falschmeldungen, aber deren Zahl war nicht so hoch. Heute sitzt jeder in seiner eigenen Filterblase. Suchmaschinen und erst recht soziale Medien liefern einem als Links Verweise die andere anklickten die dieselbe Suche hatten oder dasselbe anschauten. So gelangt man sofort in eine Gruppe mit denselben Interessen und nimmt gegenteilige Meinungen oder Kritik gar nicht erst war. In einem gewissen Sinne saßen auch die Beteiligten damals in einer Filterblase. Sie nahmen eben nur noch die Tagebücher war und waren zu Kritik gar nicht fähig.

Heute ist das Abschreiben, die Haupttätigkeit von Kujau bei den Tagebüchern gang und gäbe. Gutenberg und Giffey haben so ihre Doktorarbeiten hinbekommen, ich kenne einen Raumfahrtautor dessen Bücher vor allem dadurch entstehend das er von anderen, auch von mir abschreibt.

Schtonk!

Ich nehme mal, an jeder von euch hat Schtonk! gesehen und meinte das wäre doch etwas dick aufgetragen, aber es war – mit kleinen Abweichungen wirklich so. Hier mal einige der groteskesten Dinge die man meint, das sie erfunden sind:

Eingangszene mit dem Nacktbild von Eva Braun

Wer „Faking Hitler“ angehört hat weiß das sich Heidemann und Kujau über eine „Prono-Geli“ unterhielten. Geli Raubal war die Nichte Hitlers und wohnte mit diesem und erschoss sich am 18.9.1931. Es gibt Spekulationen ob sie seine Geliebte war, trotz des enormen Altersunterschieds. Das Bild der nackten Geli soll bei Kujau im Schlafzimmer gehangen sein und Heidemann erkundigte sich ob es nicht auch so eines von Eva Braun gäbe und er es haben könnte. Kujau hatte übrigens später wie im Film später noch eine Mitarbeiterin, ob die beiden aber eine Liebschaft hatten weiß man nicht.

Reise nach Börnersdorf

Hier hat Dietl die Story geändert, weil ihm die Wahrheit zu dick aufgetragen war: Walde und Heidemann reisten nach Ostberlin, trafen dort offiziell zwei Stasi Offiziere, die sie im Mercedes erst nach Dresden brachten, dort Übernachtung, dann am nächsten Tag nach Börnersdorf. Die Stasi-Offiziere suchten auch den Friedhof mit ab. Auch die Geschichte mit dem Fenster der Ju stimmt, das Fenster wurde aber bei einem zweiten Besuch – ebenfalls in Stasibegleitung gegen ein Päckchen Kaffee eingetauscht. Der Sohn des Bauers meinte aber sein Vater hätte Heidemann reingelegt, es wäre in Wirklichkeit ein Autofenster gewesen. Es diente vorher als Fenster in einem Kaninchenstall.

Hitlers und Eva Brauns Asche

Auch die Asche der beiden sollte Heidemann Kujau verschaffen, der hatte in seinem Kabinett schon einen Schein mit zwei Bronzetüren hergerichtet.

Hitler lebt noch – Heidemann sucht nach ihm (Schlussszene)

Nun ja Heidemann glaubte nicht, das Hitler noch lebte, aber Martin Bormann. Der galt seit 1945 als tot, seit 1971 als Skelettteile gefunden wurden und das Zahnschema zu den Unterlagen von seinem Zahnarzt passten auch seit 1973 offiziell als tot. Heidemann glaube nicht daran und zahlte mehreren Informanten 140.000 DM für Informationen wo Bormann ist, der ihm auch angebliche Fotos von ihm und Bormann zeigte. Am Schluss glaubte Heidemann Bormann wäre vom Mossad entführt worden und in einer Synagoge in Zürich gefangen gehalten worden.

Heidemann – Opfer oder Täter

Alle an dem Skandal beteiligten haben ihn gut überstanden oder sogar profitiert. Kujau war danach so prominent das er von den Fälschungen leben konnte. Peter Koch der sich mit seinen Äußerungen in die Nessel gesetzt hatte (und schon ein Jahr vorher sich den Neue Heimat Skandal entgehen ließ) bekam 3 Millionen DM damit er den Chefsessel räumt. Viel Geld für viel Inkompetenz.

Die einzige Ausnahme ist Heidemann. Nach dem Skandal lies sich seine Frau während der Haft von ihm scheiden. Er war finanziell ruiniert. Bis heute sieht er sich als Opfer, reingelegt von Kujau und beteuert ihm das ganze Geld gegeben zu haben.

Nun ist er aber rechtskräftig verurteilt, er hat das Urteil nie angefochten und er hat keinen schlechten Verteidiger gehabt: Kurt Groenewold war Teil der Strafverteidigergruppe, die im Stuttgarter Stammheim-Prozess gegen die Angehörigen der Roten Armee Fraktion, die Gruppe um Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Marie Meinhof, Holger Meins und Jan-Carl Raspe vertrat. Groenewold zog in seinem Plädoyer auch nie die Tat und die Summe in Frage, sondern argumentierte das der Verlag eine erhebliche Mitschuld hatte.

Nicht zuletzt dokumentieren seine eigenen Tonbandmitschnitte aller Treffen mit Kujau dies. Denn die Stop-Taste geht dann runter, sobald es um finanzielle Beträge geht ….

Warum ist Heidemann dann heute verarmt? Schon beim 25-sten „Jubiläum“ berichtet der Spiegel, das Heidemann 700.000 DM Schulden beim Finanzamt hat und von Sozialhilfe lebt, beim 30-sten Jubiläum für die ZDF Doku war dem auch noch so. Nun Heidemann kann nach eigenen Angaben nicht mit Geld umgehen, er gibt es einfach aus sobald es hereinkommt. 1981, als die Geschichte beginnt hat er 400.000 DM Schulden. Es gibt für die Prozessakten auch eine Aufstellung der Staatsanwaltschaft was man an hohen Ausgaben beiden nachweisen kann und da sind es bei Kujau Immobilienkäufe und bei Heidemann Luxuskarossen und Tickets für Kreuzfahrten. Nicht zuletzt hat er wahrscheinlich viel Geld in seine NS-Samlung gesteckt, alleine von Kujau soll er für 500.000 DM Fälschungen gekauft haben. Deren Wert ist aber ein Sammlerwert, sprich sie ist genau so viel wert wie jemand bereit ist zu bezahlen. Für zwei Gegenstände weiß man das. Die Göring Uniform die er Kujau beim ersten Besuch zeigt hat er für 70.000 DM ersteigert, als die verkauft wurde brachte sie noch 10.000 DM. Für die Carin II wollte er 1,2 Millionen DM, als sie zwangsversteigert wurde brachte sie 270.000 ein. Die Millionen dürften aber durch zwei Dinge weggeschmolzen sein. Zum einen lies sich seine Frau mit den Kindern von ihm während des Prozesses scheiden. Wenn er keinen Ehevertrag abschloss, dann bekommt sie die Hälfte des Zugewinns, also auch der Millionen und man kann in Deutschland sich zwar vor der Justiz drücken, aber nicht vor dem Finanzamt. Mit 4,39 Millionen DM nach Prozess nachweisbarem Einkommen aus Veruntreuung in drei Steuerjahren liegt er beim Einkommen beim höchsten Steuersatz und das sind 56 Prozent.

Heidemann sieht sich als Opfer. Also ich würde wenn ich er wäre, schon als Selbstschutz die Sicht ändern. Jedem gehen Fehler nach, Dinge die man versäumt hat, die man besser oder anders machen könnte und die einen nicht loslassen. Das bringt einen aber nicht weiter. Wechselt man sie Sicht, so könnte sich Heidemann auch als Super-Ganove sehen. Er hat nicht nur den Verlag um Geld betrogen, sondern auch Kujau, der ja nur einen Teil dessen erhielt was ausgemacht war und davon zog er noch 10 Prozent Provision ab! Wären die Tagebücher echt gewesen, so hätte er durch die Veröffentlichung noch mehr Geld verdient. Also ehrlich, wenn man den Fälscher auch noch reinlegt und der für die ganze Arbeit den kleineren Teil der Summe bekommt, dann ist man doch kein Opfer!

Links / Referenzen zur Serie

Auf die Beschäftigung mit dem Thema kam ich durch die ZDF Dokumentation „Die Jahrhundertfälschung Hitlers Tagebücher“ von ZDFZeit aus dem Jahr 2013. Daraufhin kaufte ich mir drei Bücher, eines von Erich Kuby schmiss ich nach dem Lesen weniger Seiten mit grundlegender Imperialismuskritik im DDR Jargon wieder weg. Es fand sich dann auch nur ein DDR-Verlag für die Publikation. Dabei galt der Autor als kompetent und arbeitete für Spiegel und Stern. Die beiden anderen Bücher kann ich empfehlen. Zeitnah, etwas kürzer ist von Manfred Bissinger: Hitlers Sternstunde. Kujau, Heidemann und die Millionen. Es ist etwas detailverliebter, geht weiter in der Biographie von Kujau und man findet mehr Zahlen und Daten in dem Buch. Seine Schwäche ist die Gliederung nach Themenschwerpunkten, nicht der Chronologie. Zudem ist es ein typischer Schnellschuss, will den Hype um den Skandal ausnutzen. Es endet noch vor dem Urteil. Das zweite Buch Der Skandal um die Hitler-Tagebücher stammt von Michael Seufert, Ressortleiter beim Stern und von Henri Nannen beauftragt mit der internen Aufklärung des Skandals. Es ist umfangreicher, chronologisch gegliedert und mehr auf den Stern zentriert. Beide enden aber ziemlich genau nach dem Skandal und behandeln den Prozess eher stiefmütterlich. Ich kann beide empfehlen und würde auch heute wieder beide kaufen und sie erneut lesen. Warum? Ingrid Kolb, damals Stern Redeakteurin, gibt in der obigen ZDF Doku die Antwort. Sie wird von Bekannten nach dem Spielfilm „Schtonk!“ angesprochen und sagt dann immer „Es war noch irrealer“ und die Bücher sind wirklich Infotainment. Die Details sind so bizarr das das Lesen wirklich amüsant ist, sofern man nicht gerade Heidemann heißt. Über den Prozess informiert dieses PDF. Genaueres über die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung liefert das Bundesarchiv.

Es gibt zwei neuere Aufarbeitungen des Stern-Skandals. Der Stern selbst hat den 10-teilligen Audio Podcast „Faking Hitler“ herausgebracht, mit vielen Tonbandmitschnitten von Heidemann/Kujau sowie Interviews mit Heidemann, Walde und Sorge. Man erfährt aber sehr wenig über die Details, die Fehler in den Büchern und Kujau kommt in dem Podcast erheblich schlechter weg als Heidemann. Er gilt als der wahre Schuldige, von der Unterschlagung von Heidemann ist fast nicht im Podcast die Rede. Der Stern hält wohl noch immer zu ihm.

Reschke Fernsehen (ich kann auch die Sendung von Anja Reschke über die CSU empfehlen) hat sich nun erstmals mit dem Inhalt der Bücher befasst. Den kennt man, weil ja nach zwei Ausgaben die Stern-Reportage eingestellt wurde, bis heute nicht. Hinzugezogene Historiker beurteilen die Bücher heute als eine groß angelegte Holocaust Leugnung. Nun ist auch klar, warum die Tagebücher bis heute nicht öffentlich gemacht wurden, obwohl der Stern dies für 1993 ankündigte und seitdem mehrmals, aber nie ans Bundesarchiv abgaben. Das ist ein Skandal von Heute: Der Stern als Helfer von Holocaustleugner und Nazis, weil eben die Bücher niemals Historikern zugänglich gemacht wurden, weil man befürchtete der Inhalt wurde sonst publik werden. Die Bücher kann heute jeder einsehen und über Volltext-Recherche durchsuchen. Nicht zuletzt gibt es noch die Sicht von Gerd Heidemann selbst. Er hat mittlerweile eine eigene Website, aber die ist extrem umfangreich und leider voller Papierscans, ohne das eine OCR darüber ging.

3 thoughts on “Die Hitler Tagebücher Teil 10: Epilog

  1. Fazit: Exzellente Blogreihe.

    Das mit der Filterblase ist leider mehr als war. Und „To Big to Fail“. Es wurde ja mehrmals erwähnt. Die immer mehr neu Eingeweihten gingen ja meist davon aus, dass alles vorher genau geprüft worden ist. Wodurch der teufelskreis erst so richtig in Fahrt kam.

    Und Heidemann ist ganz gewiss nicht unschuldig. Desweiteren glaubt er ja bis heute den ganzen Fake-History Kram aus seinem alten Nazi „Freundeskreis“. Er war zwar gewiss eine gute Wühlmaus, macht aber imo. nicht so einen richtig intelligenten Eindruck.

    Ein Nachspiel könnte es ja noch geben. Nämlich wenn Heidemann stirbt (erst ja schon über 90) und dann die Frage aufkommen wird, was mit seinem Privatarchiv geschieht. Aktuell gibt es davon ja nur Auszüge auf seiner eigenen Webseite, welche aber imo. hauptsächlich dazu dient verzweifelt sein „Vermächtnis“ zu retten. (Auf der HP streitet er ja wehement ab einen Nazi Tick gehabt zu haben und verweist auf eine seiner Erfolgsrecherchen. Das Eine hat aber mit dem anderen nichts zu tun, sein „Tick“ war ja wie wir wissen privater Natur…)

    1. Danke für das Lob. Was mich am NDR wundert, ich habe ihn auch angeschrieben ist, das sie Heidemann nie nach den Büchern gefragt haben. Er hat ja alles fotokopiert bevor es in den Tresor gibt und er hat von allem eine abschrift mit der Schreibmaschine gemacht, so bräuchte man keine KI (STRG-F bringt ja die story). Die Auszüge von Heidemanns Website sind so auch nicht deckungsgleich mit der Datenbank des NDR.

      Hätte sich Heidemann einfach an die Weisung von Peter Koch (die übrigens Schronk wörtlich übernahm) sich nicht mehr mit „Nazi Scheiße“ zu befassen gehalten.
      Nach Schreiben des Artikels noch entdeckt: 12-teillige Reihe des NDR zur Recherche:
      https://www.ndr.de/geschichte/tagebuecher/Hitler-Tagebuecher-Die-Recherchen-und-Hintergruende,hitlertagebuecher124.html

      1. Was den NDR betrifft, liegt das vielleicht auch an dem Fokus der Story alias „Die Neo-Nazi Verschwörung“.

        Welche imo. etwas zu dick aufgetragen ist. Klar hatte Kujau solche Kontakte, aber das wars auch.

        Das erste Tagebuch ging wie gesagt ja an einen Altnazi, der soetwas auch lesen wollte. Siehe hier die Darstellung in Schtonk. Und warum sollte Kujau die Richtung danach ändern? Und um noch einen etwas modereren Vergleich zu ziehen: Die Tagebücher waren im Prinzip einfach „Fanfiction“.

        Und Heidemanns Abschriften: Stimmt, eigentlich hätte er damit jederzeit an die Öffentlichkeit gehen können. Aber entweder konnte oder wollte es einfach nicht.

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