Volksparteien – Stirbt die SPD aus?

Wie schon angekündigt mal für einige Zeit weg von der bemannten Raumfahrt. Vor einigen Wochen ging es durch die Nachrichten: Die CDU hat die SPD bei den Mitgliederzahlen überflügelt. Einige Magazine sprachen schon vom "Tod der Volkspartei". Ich denke das ist ein interessantes Thema. Wenn man es abseits von momentanen politischen Strömungen betrachtet so hat die BRD meiner Ansicht nach drei Phasen durchlaufen:

  • 1949-1957: Konsolidierungsphase: Von ursprünglich 9 Partien schrumpft die Zahl auf 3: CDU/CSU, SPD und FDP
  • 1961-1980: Dreiparteienphase: Diese drei Parteien bilden die Regierungen, in allen drei möglichen Zweiparteienkombinationen. Es reicht nie für eine absolute Mehrheit einer Partei
  • 1983-Heute: Diversifizierung: Es gibt wieder mehr Parteien, heute sind schon 5 im Parlament. Rechte und Linke Strömungen gelangen vermehrt in Landesparlamente.

Interessanterweise korrespondiert dies recht gut mit der wirtschaftlichen Entwicklung: In dem Maße in dem es nach dem Krieg besser ging, wurde die Zahl der Parteien kleiner. Mit größeren wirtschaftlichen Problemen, beginnend Mitte der 70 er Jahre, kamen erst die Grünen dazu, dann rechte Gruppen und nun die Linke.

Ich glaube das hat einen Grund. Solange es allen recht gut geht, ist es den meisten egal was die Regierung macht und die kann ja auch dann nicht viel falsch machen. Wenn die Lage schwierig wird, und man Sparen muss, dann fängt das Nachdenken an und Partien die Unbequeme Entscheidungen machen, werden abgewatscht. Das hat Schröder nach Verabschiedung seiner Agenda 2010 merken müssen.

Ich glaube die SPD hat wirklich ein Problem, dass die anderen Partien in dem Maße nicht haben: Ihnen laufen die Stammwähler weg:

  • Die FDP vertritt recht deutlich die Positionen einer kleinen Schicht von Wohlhabenden. Ihr Liberalismus ist im wesentlichen dass man möglichst wenig Steuern zahlen muss, und der Staat nicht die finanzieren soll, die nichts arbeiten (wollen). Ab und an versucht sie zwar auch in anderen Lagern zu fischen, bislang endete das meist aber im Verlust von Stimmen in ihrem Stammwählerlager.
  • Die Grünen sind heute nicht mehr wirklich grün, aber mangels Alternative haben sie eine treue Stammwählerschaft aus gebildeten, Personen mit hohem Einkommen, die es sich leisten können "grün" zu sein, denn "Bio" und Umweltschutz kosten Geld. Zulauf bekommen sie, wenn wieder mal Umweltskandale auftreten.
  • Die verschiedenen Rechten Gruppen haben ihren Sumpf in Leuten die meist nicht gerade ein hohes Bildungsniveau haben und denen es wirtschaftlich schlecht geht. Diese sind empfänglich dafür, dass an der Arbeitslosigkeit angeblich zu viele Ausländer schuld sind, die vom deutschen Staat durchgefüttert werden. Besonders interessant finde ich, dass die meisten Wähler dieser Partei im Osten Deutschlands sitzen, wo es historisch bedingt, kaum Ausländer gibt die Deutschen Arbeitsplätze und Sozialleistungen wegnehmen könnten.
  • Die CDU hat sich recht gut behauptet: Ihr Klientel ist der Mittelbau der Gesellschaft, Angestellte, Beamte, Selbständige, Leute mit mittlerem bis gutem Einkommen. Sie hat zwar etwas an den rechten Rand verloren, doch dafür hört man heute auch weniger rechte Parolen (außer von der Schwesterpartei CSU).
  • Die Linke rekrutieren ihr Wählerpotential aus Unzufriedenen. Im Osten aus denen die die DDR so toll fanden, wo es Vollversorgung gab und niemand arbeiten musste, selbst wenn er Arbeit hatte. Im Westen aus dem immer größeren Heer von Harz IV Empfängern, die empfänglich sind, für Forderungen wie ein "Grundgehalt von 1200 Euro" und denen es schon heute egal ist, woher ihre Stütze kommt.
  • Die SPD hat nun ein Problem: Früher hatte sie als Wähler neben den Arbeitern, auch die Intellektuellen die sozialistisch angehaucht waren und das was man früher als Unterschicht bezeichnete.

Nur:

  • Arbeiter gibt es in dem Wechsel von einer Produktions zu einer Dienstleistungsgesellschaft immer weniger und wenn sie besser verdienen, so finden sie mehr Gefallen an den Positionen der CDU, die steuerlich günstiger sind.
  • Die Linksintellektuellen sind weitgehend ausgestorben, weil allen die etwas Verstand haben klar, ist dass bei 4 Millionen Arbeitslosen und noch mehr Harz IV Empfängern, es unmöglich einen Sozialstaat zu erhalten, bei dem die Arbeitenden dieses Heer voll finanzieren.
  • Die umgekehrt sind an noch mehr Geld interessiert, was praktisch keine Regierung aufbringen kann, und wählen dann Partien die ein solches versprechen (sprich die Linken). Diese haben auch kein Interesse daran in die Regierung zu kommen, denn dann würde ja jeder sehen, das etwa 200 Milliarden Euro fehlen um diese Leistungen zu finanzieren.
  • Die SPD hat zweimal Kanzler gehabt die der Situation begegnet sind, und beidemal führte es zum Verlust der Macht. Schmidt wurde zwar von der FDP im Stich gelassen, doch er hatte auch enorme Probleme in der eigenen Partei und dem Linken Flügel und Schröder hat nach der Agenda 2010 reihenweise Landtagswahlen verloren.

Ich wüsste nicht was die SPD gegen diesen Abwärtstrend machen soll. Wenn sie ein realistische Politik einschlägt, die angesichts des Haushalts geboten ist: (Von 282 Mrd. Euro Einnahmen gehen 141, also ziemlich genau die Hälfte in Sozialmaßnahmen: ALG II, Rentenversicherung, ALG I), dann laufen ihr noch mehr Leute weg, die diese Leistungen bekommen. Gleichzeitig verliert sie an Profil zur CDU und die Gefahr ist groß, an diese Wähler von der"Mitte" zu verlieren. Wenn sie sie dagegen noch höhere Geschenke verspricht, dann verliert sie die Wähler in der Mitte, ohne das sicher ist, dass sie von den Linken viele Wähler zurückgewinnen kann. Gleichzeitig kann sie aber diese Politik nicht umsetzen, außer sie will wieder die Steuern erhöhen und die Staatsverschuldung weiter vergrößern. Dann würde sie bald wieder abgewählt werden.

Vielleicht verschwindet wirklich einmal die Partei und es gibt nur noch eine Partei der Mitte – Die CSPDU – nachdem  sich die CSU von der CDU gelöst hat und wieder selbstständig wurde. Wundern würde es mich nicht, denn die großen Unterschiede gibt es eigentlich nicht mehr. Es gibt viele Differenzen im Detail, aber nicht mehr in der wesentlichen programmatischen Ausrichtung.

Ach ja heute mal wieder ein passender Musiktipp, ich find das Lied einfach geil….

 

5 thoughts on “Volksparteien – Stirbt die SPD aus?

  1. Nun Willy Brandt war auch SPD Mitglied und Kanzler. Der Kurz welchen die Partei nehmen wird kann man schon irgendwo absehen wenn man betrachtet wie sich Steinmeier und Müntefering in der Vergangenheit verhalten hatten.

  2. Für mich ist klar, dass eine Partei, die früher für solidarische Vorgehensweise stand, durch ein populistisches Umschwenken auf den Mainstream des Neoliberalismus ihre Stammwähler verliert. Zu Zeiten von rot-grün ist Deutschland kaputtgeredet worden mit all dem Unsinn von nicht Wettbewerbsfähig. Seit dieser Schwachsinn aufgehört hat unter der großen Koalition kam der Aufschwung (ohne die unnötigen Zwangsmaßnahmen von Hartz4) und auf einmal waren mehr als 20 Mrd. mehr in der Kasse und die Arbeitslosigkeit hat abgenommen. Schade dass dieser Aufschwung nicht für eine Haushaltskonsolidierung genutzt wurde. Statt dessen hat die SPD mit Geschenke an die Reichen verteilt. Auch das kostet jetzt Stimmen. Man kann nicht seinen Stammwählern einen eng geschnallten Gürtel verordnen und anderen Geschenke verteilen. Die SPD krankt jetzt an den vielen unter ihrer Regentschaft (auch zusammen mit CDU) entstandenen prekären Arbeitsverhältnissen im Niedriglohnsektor. Auch wenn es sich nicht um klassische Arbeiter handelt beobachten auch Servierer, Nachtwächter und Friseure wer ihnen Vorteile bringt, und wer für schlechte Arbeitsverhältnisse schuld ist.
    Frei nach neoliberaler Doktrin ist ja sowiso nur der Markt schuld an all den schlechten Verhältnissen, und im Rahmen der vielzitierten Eigenverantwortung ist jeder verantwortlich am eigenen Elend.

  3. Die beiden großen Volksparteien kranken seit langem durch Auflösung des klassischen Lagerdenkens am Eisverkäufer-Problem.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Hotellings_Gesetz

    Für den Normalbürger ist es nur noch schwer, Unterschiede zu erkennen. Das führt bei der Wählergunst zu einem Pendeleffekt: Diejenige Volkspartei, bei der während der Wahlzeit gerade zufällig eine Krise herrscht, wird abgewählt, und so kommt es zu einem willkürlichen Hin- und Herwechseln. Damit wird beim Bürger die Illusion erweckt, daß er noch irgendwie am politischen Entscheidungsprozeß Teilhabe hat.
    Allerdings merken immer mehr Bürger, daß es nur eine Illusion ist und entziehen sich dem Ritual was alle 4 bzw. 5 Jahre stattfindet (Wahlbeteiligung) wodurch das System immer mehr an Legitimation verliert.

    Da jede der beiden Volksparteien die Mitte für sich reklamiert, könnten sie tatsächlich fusionieren und sich „Die Mitte“ nennen. Wäre zumindest ehrlich und logisch. Nur würden dann die kleineren Parteien schnell Auftrieb gewinnen, da die Illusion eines „Kampfes der beiden Großen“ auch bei den letzten Einfältigen komplett dahin wäre. Eine Situation übrigens wie bei Mediamarkt und Saturn, was auch ein- und dieselbe Firma ist.

  4. Hier noch ein paar Ideen, wie man unsere parlamentarische Demokratie etwas modernisieren könnte, so daß sie wieder der Inschrift am Reichstag gerecht wird:

    1) Stimmenthaltungen werden absofort als politische Entscheidungen gewertet in der Form „ich fühle mich von keiner der angetretenen Parteien vertreten“. Konkret heißt das, daß jede nicht abgegebene Stimme prozentual im Bundestag an die „Partei der Nichtwähler“ geht, welche mit leeren Stühlen vertreten ist. Bei Abstimmungen ist diese Partei stets mit Stimmenthaltungen vertreten. Bei Abstimmungen, die eine absolute Mehrheit erforden, wäre das Parlament ab einer bestimmten Größe der Nichtwählerpartei handlungsunfähig, und die Parteien müßten Neuwahlen einberufen und wären gezwungen, ihr Programm zu überarbeiten, so daß es für den Bürger attraktiver wird eine Partei zu wählen.
    Varianten:
    1a) Jeder, der der Wahl fernbleibt, ist Nichtwähler
    1b) Nichtwähler müssen explizit diese Kategorie auf dem Wahlzettel ankreuzen, damit eine ganz bewußte politische Entscheidung erzwungen wird und die Wahl-Faulen und Desinteressierten keinen Einfluß haben

    2.) Das Dilemma der 5%-Hürde bei strategischen Wählern. Eine Kleinpartei, bei der nicht sicher ist, ob sie die 5%-Hürde schafft, wird von strategischen Wählern gemieden, die vermeiden wollen, ihre Stimme zu verschenken. So entsteht das Paradoxon, daß eine Partei, die potentiell mehr als 5% der Wählenden vertritt, durch diese Regelung trotzdem ausgesperrt bleibt. Das ist schädlich für einen lebendigen demokratischen Prozeß.
    Andererseits soll durch die 5%Hürde eine Parlamentszersplitterung verhindert werden.
    Lösung: Die stärkste der Parteien unterhalb der 5%-Hürde darf ebenfalls ins Parlament. Das hätte einen Nachzieheffekt zur Folge, so daß die ursprünglich 3%-Partei plötzlich 5,1% bekommt und eine 1%-Partei dann lötzlich auch vertreten ist. Die Zersplitterung würde sich also bei max. 2 zusätzlichen Parteien in Grenzen halten. Als Zusatz, um zu verhindern, daß Kleinstparteien gekauft werden, könnte man noch den Passus einfügen, daß die Partei kleiner 5% keine Koalition eingehen darf, da man sie noch als im Entstehungsprozeß betrachtet.
    Nachteil: Die ungeliebten rechten Schreihälse wären öfter als jetzt im Parlament vertreten. Aber so ist das nun mal in einer Demokratie.

    3.) stärkere Trennung vom Beruf des Politikers und wirtschaftlichen Verflechtungen. Ein Politiker hat in Aufsichtsräten von Konzernen oder bei sonstigen Firmenverpflichtungen nichts zu suchen

    4.) bei massiven Korruptionsfällen oder massiver Fehlplanung/Verschwendung oder menschenverachtendem Verhalten soll die Möglichkeit bestehen, daß die Person einen Großteil ihrer Staatspension verwirkt, und ggf. Privathaftung an materiellen Schäden. Ein unehrenhaftes Entlassen aus dem Politikbetrieb also.

  5. @Verkehrsvision: Interessante Vorschläge. Die Idee, die Partei der Nichtwähler ganz offiziell einzuführen finde ich gut. Aber meiner Ansicht nach wäre es schon ein Fortschritt, wenn die Prozentangaben, die bei Wahlen immer bekannt gegeben werden, sich auch auf alle Wahlberechtigten Bürger beziehen würden, und nicht nur auf die abgegebenen Stimmen. Dann würden sich die Stimmanteile schon deutlich anders darstellen. Roberto de Lapuente hat das nach der letzen Bundestagswahl in seinem Blog mal vorgeführt:
    http://ad-sinistram.blogspot.com/2009/09/de-omnibus-dubitandum.html

    Die Trennung von Tätigkeiten in Politik und Wirtschaft ist so richtig, müsste aber verschärft werden, so das die sogenannte Drehtür nicht mehr funktioniert. D.h. Wer in der Politik ein Amt inne hatte, hat nach dem Ausscheiden aus der Politik für 3 bis 5 Jahre in jenen Bereichen der Wirtschaft nichts verloren, mit denen er als Politiker zu tun hatte. Das dient u.a. dazu, das Politiker sich im Amt keine (Lobbyisten)Posten in der Wirtschaft vorbereiten können, wie man es z.B. bei Altkanzler Schröder oder Ex-Innenminister Schily beobachten konnte: Schröder ist ja in den Aussichtsrat von Gazprom gewechselt, bzw. einer Tochter davon, die für den Bau der Ostsee Pipeline zuständig ist, den er als Kanzler mit beschlossen hat. Schily sitz im Aufsichtsrat zweier Firmen für biometrische Sicherheitstechnik, deren breite Anwendung er als Minister durchzusetzen bestrebt war.
    Nachzulesen hier: http://www.lobbycontrol.de/download/drehtuer-studie.pdf

    Ansonsten stimme ich Martin zu. Ich würde sogar sagen, die SPD hat unter Schröder einen Rechtsschwenk vollzogen, und sich ebenfalls dem Neoliberalismus verschrieben, den Arbeiterinteressen nicht wirklich interessieren.

    Die Probleme der Staatsfinanzen lassen sich durch weiteres Sparen nicht lösen, damit versachärft man sie nur, wie auch international bekannte Ökonomen immer häufiger erklären – wobei diese Erklärungen von den meissten deutschen Presseorganen verschwiegen werden). Stattdessen gehört der deutsche Binnenmarkt, d.h. die Binnennachfrage gestärkt, indem man z.B. den Niedriglohnsektor ersatzlos abschafft. Wenn man dazu flächendeckend gesetzliche Mindestlöhne einführt, etwa so, wie es die Briten gemacht haben, dann kommt auch die Konjunktur wieder in Schwung, und die Einnahmen des Staates steigen wieder.
    Wenn dazu alle Arbeitsverhältnisse komplett Sozialversicherungspflichtig werden, und sich niemand mehr vor diesen Beiträgen drücken kann, dann werden die damit verbundenen Versicherungen auch wieder finanzierbar, und es bräuchte keine Nullrunden oder sonstigen heimlichen Kürzungen mehr. Soweit mal mein Senf dazu.

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