OSC vs. SpaceX

Nachdem ich bei den Kommentaren zu meinem vorletzten Blog den Eindruck gewonnen habe, dass man meine Blogs überhaupt nicht liest, sondern nur die anderen Kommentare, wollte ich eigentlich mal einen Blindtext veröffentlichen. Aber mich erinnerte die nur von persönlichen Erfahrungen geprägten Kommentare (so wie es bei mir ist so muss die ganze Welt sein. Wilhelm II. lässt grüßen: Am Linux Wesen kann doch die Welt genesen) an etwas: Genauso wird die Diskussion um SpaceX geführt. Auch hier werden gerne mal falsche Vergleiche gemacht wie z.B. SpaceX mit LM / Boeing / Arianespace obwohl SpaceX ganz andere Märkte bedient als die anderen Firmen oder es werden mal Phantasiesummen erdacht, wie die von einem Kommentierer angegebenen angebliche 40 Mrd. $ für die Atlas V Entwicklung – der dreifache NASA Etat nur für eine Trägerrakete. Warum nicht 400 Milliarden oder 4000 Milliarden? Nachprüfen ist ja so arbeitsintensiv, wenn man doch Postings in Foren als primäre Informationsquelle nimmt)

Aber man kann SpaceX vergleichen und zwar mit OSC. Denn beide Firmen haben von der NASA Entwicklungsaufträge und Beförderungsaufträge erhalten.

Im Jahre 2006 schuf die NASA das COTS-Programm (Commercial Orbital Transportation Services – kommerzielle Transportdienste in die Erdumlaufbahn). Es rief die Industrie auf, Vorschläge für den Frachttransport zur ISS zu machen. In einer ersten Runde am 18.8.2006 bekamen zwei Unternehmen einen Entwicklungsauftrag: Kistler Rocketplane erhielt 207 Millionen Dollar und SpaceX 278 Millionen Dollar. Beide Firmen wurden dafür bezahlt, dass sie ein System entwickeln, dass später für den Transport eingesetzt werden könnte. Gipfeln sollte die Entwicklung mit Demonstrationsflügen. Eine Versorgung der ISS war mit dieser ersten Runde noch nicht vorgesehen.

Kistler-Rocketplane entstand erst als Antwort auf die Ausschreibung der NASA (diese wurde am 18.1.2006 veröffentlicht, Rocketplane-Kistler entstand durch Übernahme von Kistler durch Rocketplane im Februar 2006). Kistler hatte seit einigen Jahren eine wiederverwendbare Trägerrakete entwickelt und diese schon zu 75% fertiggestellt, war aber danach in Finanznöte geraten, nachdem es durch Rückzug von Investoren im Risikokapitalmarkt keine neuen Geldgeber aufgetrieben werden konnten. Die Entwicklung stand daher für Jahre. Kistler Rocketplane wurde der Kontrakt schon im Oktober 2007 wieder entzogen, da die Firma keine ausreichende Finanzierung nachweisen konnte. Bis dahin hatte die NASA 32,1 Millionen Dollar an Kistler gezahlt. Rocketplane war wohl an dem Kontrakt und dem Geld interessiert wollte (oder konnte) aber die Entwicklung nicht fortführen.

Das verbliebende Geld wurde dann in einer zweiten Runde erneut ausgeschüttet. Sieben Firmen reichten Vorschläge ein. Am 22.1.2008 bekam Orbital Sciences Corporation (OSC) den Zuschlag über 170 Millionen Dollar für die Entwicklung ihrer Taurus II Trägerrakete und des Cygnus Raumschiffes.

Ein viel umfangreicherer Vertrag wurde am 22.12.2008 abgeschlossen. Diesmal ging es um die Versorgung der ISS. Es ist nicht verwunderlich, dass die beiden Gewinner aus den ersten beiden Runden den Zuschlag bekamen: SpaceX wird zwölf Flüge mit der Dragon Kapsel und der Trägerrakete Falcon 9 durchführen und erhält dafür 1,6 Milliarden Dollar. OSC führt acht Flüge mit der Cygnus Kapsel auf der Taurus II Trägerrakete durch. Diese sind der NASA 1,9 Milliarden Dollar wert. Beide Anbieter sollen innerhalb von drei Jahren für diese Summe mindestens 20 Tonnen Fracht zur ISS bringen. Die Erweiterung eines Vertrags auf das Gesamtvolumen von 3,5 Milliarden Dollar ist möglich, wenn der Konkurrent seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.

Das bedeutet, dass beide Unternehmen sowohl Geld von der NASA für die Entwicklung, wie auch für den Transport bekommen. Sie sind also direkte Konkurrenten. SpaceX ist eigentlich im Vorteil: Die Firma bekam 278 Millionen Dollar, OSC nur 170 Millionen Dollar. Weiterhin hat sie einen Zeitvorsprung von 17 Monaten durch die notwendige zweite Runde. Doch wie es so ist – die Firma konnte das nicht ausnutzen. Die Firma hat jetzt schon das erhaltene Geld für den Transport verbraten um die Falcon 9 Entwicklung abzuschließen und die erste COTS Mission sollte schon im September 2008 stattfinden. Derzeit plant SpaceX den Flug derzeit für November 2009, liegt also ganze 26 Monate hinter dem Zeitplan. Auch OSC liegt hinter dem Zeitplan hinterher – hier sollte die erste Mission im Dezember 2010 stattfeinden. Derzeit ist März bis Juni 2011 im Gespräch, also 3-6 Monate hinter dem Zeitplan. Neben den 170 Millionen der NASA investiert OSC 150 Millionen eigenes Geld in die Entwicklung – erheblich mehr als SpaceX.

Auch die Transportverträge sind vergleichbar. Beide Firmen werden für die Summe 20 t zur ISS bringen. Hier erhält OSC etwas mehr Geld (1,9 anstatt 1,6 Milliarden Dollar). Dafür führt SpaceX viel mehr Flüge durch. Jeder einzelne Flug ist bei SpaceX daher deutlich preiswerter. Das wird von manchen als Vorteil gesehen. Doch in der Wirklichkeit ist es ein Nachteil. Die Dragon hat eine viel kleinere Nutzlast und muss viel öfters starten um die 20 t Nutzlast zu befördern. Wenn sie nicht wiederverwendet werden kann – zumindest bei den bisher vier versuchten Bergungen von Stufen klappte das bei SpaceX ja nicht – dann wird die Firma ins Minus kommen.

Die folgende Tabelle informiert mal über die Fakten

SpaceX OSC
Auftrag erhalten 18.8.2006 22.1.2008
geplanter erste COTS Missiojn September 2008 Dezember 2010
Tatsächlicher Startermin November 2010 März-Juni 2011
Zeitverzögerung 26 Monate 3-6 Monate
investiertes Eigenkapital 50 Millionen $ 150 Millionen $
investierte NASA Mittel 349 Millionen $ 170 Millionen $
Eigenkapitalanteil 12,5 % 46,9 %
Nutzlast der Trägerrakete anfangs 8,750 kg 5.300 kg
Erweiterbar auf 10.450 kg 7.000 kg
Geld für die COTS Flüge 1.600 Mill. $ 1.900 Mill. $
Flüge: 12 8
pro Start: 133 Mill $. 237,5 Mill $
Durchschnittliche Nutzlast pro Flug: 1.666 kg 2350 kg
Anteil an der Gesamtnutzlast für den Orbit: 19 % 44,3 %

Die letzte Ziffer ist übrigens nicht unbedeutend. Manchmal muss bei einer Rakete nachgebessert werden, was Nutzlast kostet. Oder das Raumschiff hat eine höhere Trockenmasse. Beide Firmen bauen daher auf verbesserte Versionen ihrer Träger, da die ersten nicht leistungsfähig genug sind um mit den angegebenen Flügen die Transportmenge zu erbringen. Nur wenn das nicht klappt, dann wird es eng, wenn die Nutzlast klein ist. Sinkt die Nutzlast der Trägerrakete um 5% so benötigt SpaceX zwei Flüge mehr um die Transportleistung zu erbringen, OSC aber nur einen zusätzlichen Flug. Dabei ist das Risiko bei SpaceX wegen der Wiederverwendung höher als wie bei OSC, die ja wie die anderen Transporter einen nur einmal einzusetzenden Frachter plant. Bei völlig neuen Konzepten es durchaus üblich dass diese nachgebessert werden müssen und schwerer werden. Apollo wurde schwerer und auch das Space Shuttle legt kräftig an Gewicht zu.

Also wenn ich vergleiche, so habe ich eine Firma die viel mehr NASA Kapital braucht um ihr Programm durchzuführen, dabei massiv hinter dem Zeitplan hinterherhinkt und die zwar eine nominell leistungsfähigere Rakete entwickelt, diese aber weniger Nutzlast transportiert und deren Konzept auf der Wiederverwendung aufbaut – das haben nicht mal die Russen mit ihren 4-8 Sojus/Progresststarts in einigen Jahrzehnten eingeführt. Eine zweite Firma setzt viel Eigenkapital ein, liegt nur wenige Monate im Zeitplan hinterher und baut auf bewährte Technik. Interessanterweise wird die erste als „privat“ angesehen obwohl sie inzwischen weitgehend von NASA Mitteln lebt und für die zweite interessiert sich fast keiner.

Beide Firmen bekommen übrigens noch mehr Geld. Derzeit läuft eine Eingabe der NASA über weitere 312 Millionen Dollar für COTS durch den Kongress. OSC  will die zusätzlichen Mittel nutzen die Taurus II ohne Cygnus zu erproben (sonst wäre der Jungfernflug auch der erste Einsatz der Cygnus gewesen) und SpaceX hat ja schon 100 Millionen von den Transportmitteln verbraucht, obwohl noch kein einziger Demonstrationsflug erfolgte (einer von dreien kann  der Firma erlassen werden, wenn die beiden anderen die Meilensteine erfüllen – die Firma ist nun in Zugzwang gekommen).

13 thoughts on “OSC vs. SpaceX

  1. > Nachdem ich bei den Kommentaren zu meinem
    > vorletzten Blog den Eindruck gewonnen habe,
    > dass man meine Blogs überhaupt nicht liest,
    > sondern nur die anderen Kommentare, wollte ich
    > eigentlich mal einen Blindtext veröffentlichen.

    hey, das wär doch mal ganz lustig, z.B. sowas wie das hier: http://www.all2e.com/Ressourcen/Blindtexte/Liebes-Lettern

    > Aber mich erinnerte die nur von persönlichen
    > Erfahrungen geprägten Kommentare … an etwas:

    Nun, mich erinnerte dieser Satz an etwas: Ich hab vor einiger Zeit mal auf der HP ein paar Artikel über Programmiersprachhen gelesen, darunter auch den Vergleich zwischen C und Pascal. Danach kam ich auf die Idee, eine Antwort zu verfassen, warum ich C besser finde als Pascal. Aber um das sachlich fundieren zu können, und auf möglichst dem selben fachlichem Niveau zu agieren, sollte man ein grösseres Projekt in beiden Sprachen umsetzen. Beispielsweise erst in C, danach in Pascal, und dabei jeweils notieren, was einem gerade erfreut bzw. sauer aufstöst. Anschliessend stellt man (erst mal für sich selbst) beides gegenüber und verpackt es in einen ordentlichen Text. So wäre jedenfalls die Vorgehensweise, die ich wählen würde, bzw. gewählt habe. Nur hapert es an dem Projekt selbst, das gerade mehr oder weniger auf Eis liegt, so das auch aus dem Artikel vorläufig nichts wird… :-/

    > Nachprüfen ist ja so arbeitsintensiv

    Stimmt, das hab ich ja gerade beschrieben, obwohl der Zusammenhang ein Anderer ist. Mir geistert auch noch ein möglicher Gastblog durch den Kopf, der eher mit Raumfahrt zu tun hat, aber da ist die Quellenlage nicht optimal, deshalb könnte es sein, das da nix draus wird.

    Hans

  2. Wenn man sich das alles durchliest und durchdenkt und die Zahlen vergleicht, wird einem der ganze Irsinn des COTS Programms mal so richtig bewusst. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, eine Firma auszuwählen, die bereits einen funktionierenden und im Einsatz befindlichen Träger hat? Sowohl Boeing wie auch Lockheed Martin hatten tragfähige Konzepte vorgelegt, welche vermutlich nicht viel teurer gewesen wären, den Zeitplan aber vermutlich besser hätten einhalten können. Gerade der Zeitfaktor ist hierbei ja durch den Wegfall des Space Shuttles kritisch.

    Weder SpaceX noch OSC haben bisher eine wirklich funktionierende Trägerrakete. Die Falcon 9 ist gerade erst 1 mal geflogen und ist meiner Meinung nach vom Konzept her sehr anfällig (Triebwerksbündlung). Zudem weiß noch keiner, welche Nutzlast sie am Ende wirklich hat. Die Erfahrungen mit der Falcon 1 verheißen dabei nichts gutes. OSC hat bisher noch gar keinen erfolgreichen Flug vorzuweisen. Auch wenn ich das Konzept von OSC in allen Punkten weit besser sehe, so weiß auch noch keiner, ob die Taurus 2 erfolgreich fliegen wird bzw wie zuverlässig sie sein wird. Auch Südkorea hat sich einen Träger in Russland bauen lassen (zumindest die Unterstufe) und bisher auch nur 2 Fehlstarts vorzuweisen. Keiner kann sagen, welche Verzögerungen es bei beiden Firmen noch gibt, wenn es bei einem der nächsten Flüge einen Fehlstart gibt (womit man bei neuen Trägern immer rechnen muss).

    Gerade bei SpaceX sehe ich das sehr kritisch. Die NASA hat schon massive Finanzmittel in diesen „privaten“ Anbieter investiert und keiner weiß, ob sich das am Ende lohnt. Kann auch sein, das die Firma nach dem nächsten Fehlstart der Falcon 9 Konkurs anmeldet und das Geld für die NASA verloren ist. Da wäre es weit sinnvoller gewesen, einen Anbieter zu wählen, der vielleicht etwas teurer ist (Boeing oder Lockheed), der aber genügend Erfahrung und einen funktionierenden Träger hat.

    Aber am Ende ist das gar nicht der Sinn. Es geht darum, die Preise der Träger grundsätzlich zu senken und die bestehenden Strukturen aufzubrechen. Aber ob es da der richtige Weg ist, einen möchtegern Anbieter wie SpaceX, der außer einer großen Klappe nicht viel vorzuweisen hat, endlos Geld in den Rachen zu werfen ohne das man weiß, das daraus jemals etwas wird?

  3. Ihc hätte da mal ein paar Fragen bezüglich der Frachtkapazität und der Diskrepanzen die hier zu den SpaceX Angaben liegen:

    Zuerst mal die Space X Angaben:

    Falcon 9: 10.450 kg in den LEO
    Dragon: 4200 kg Masse (Leer oder mit Treibstoff um zur ISS zu kommen?)
    -> Nutzlast: 6000 kg

    Wenn es also so laufen würde wie SpaceX sich das wünscht, könnte der NASA Auftrag (20000 kg zur ISS) mit vier Flügen erledigt werden.

    Ok, SpaceX ist dafür bekannt mit allzu optimistischen Zahlen zu operieren (zumindest in der Öffentlichkeit). Ich schlag jetzt mal überall rund 25% Penalty drauf:

    Falcon 9: ~8000 kg in den LEO
    Dragon Leermasse: ~5300 kg
    -> Nutzlast 2700 kg

    Der NASA Auftrag wär also in 8 Flügen erfüllt.

    Erst wenn man den Treibstoff zur ISS mit in die NUTZLAST einrechnet kommt man in die NÄHE von 1666 kg pro Flug.

    Kommt so obige Zahl (1666 kg) zustande? Ist SpaceX zur NASA „ehrlicher“? Oder sind Fehlstarts mit eingeplant?

    Was passiert eigentlich, wenn SpaceX eben diese 20000 kg schon mit 8 Flügen erfüllt? Streift SpaceX die gesamte Kohle ein und fliegt nur 8x?

  4. @Mario: Boeings und LM Lösungen wären schon längst einsatzbereit, das waren nämlich US Adaptionen des HTV und ATV.

    @zoidberg: Je nachdem wo man auf der SpaceX Webseite oder welche Presssemitteilung man von denen liest wird man unterschiedliche angaben finden. Über die kann man also viel diskutieren und kommt doch zu keinem Ergebnis. Meine angaben stammen daher nicht von der Website sondern einem IAA Vortrag. Die anzahl der Flüge und die Mindestfracht ist aber vertraglich festgelegt. Also selbst wenn sie mehr transportieren, müssen sie 12 Flüge machen. Sie können aber mehr verdienen weil sie die 20 t übertreffen. Die Nutzlast ist übrigens die des noch nicht verfügbaren Block II Designs für eine 200 km 28° Bahn, nicht die des aktuellen Typs für eine 400 km hohe 51,6 Grad Bahn. Beim Block II Design werden nur noch 9.358 kg in den ISS Orbit transportiert und Block I ist auf maximal 6.800 kg Gesamtnutzlast begrenzt.

  5. @ Bernd

    Ist mir bekannt. Beide Konzepte (also sowohl von Boeing wie auch von LM) sahen für mich recht solide aus und hätten beide das Potential gehabt, den Shuttle rechtzeitig (zumindest für den Materialtransport) zu ersetzen.

    Daher ist für mich das ganze COTS Konzeot eine einzige Farce. Man hat sich bewusst für Unternehmen entschieden, die noch nie etwas zu Wege gebracht hatten und deren Chancen, das wirklich zu stemmen, sehr niedrig liegen. Hätte man nicht später noch OSC mit ins Boot geholt, so wäre COTS komplett gegen die Wand gefahren. Wenigstens hat OSC schon Erfahrung damit, was sie tun und auch die russischen und ukrainischen Techniker sollten wissen, was sie tun. Allerdings ist das, wie letztens der zweite Fehlstart der Koreaner gezeigt hat, noch lange nicht alles. Bei einem neuen Träger kann es immer Schwierigkeiten und Probleme geben. Aber immerhin hat wenigstens OSC eine Chance, im Gegensatz zu SpaceX. Die werden noch vor dem Ende der Testflüge Pleite sein.

  6. @Mario:

    Es ist eher so, dass man sich bewusst gegen Unternehmen entschieden hat, von denen man sehr genau wußte, dass sie die Macht ihrer Monopolstellung in der Vergangenheit konsequent ausgenutzt haben um beliebig hohe Preise zu fordern. Zudem haben sie sich ja offen zur Kartellbildung bekannt.

    Da es keine weiteren Firmen in den USA gab, die Raketen anboten (Monopol eben), musste man zwangsläufig Firmen verpflichten die neu im Geschäft sind. Denn der Nationalstolz der USA erlaubt es nicht, das Feld den Russen oder den Europäern zu überlassen.

  7. @ tp1024

    Sehe ich nicht ganz so kritisch. Die Kostensteigerungen für die EELV Träger geht eher auf die Politik zurück, die sich nicht auf einen Sieger festlegen konnte. Nachdem zuerst die Delta 4 der Sieger war, hat man dann auch noch der Atlas 5 einige Aufträge zugeschnanst. Nach der Industriespionage von Boeing wurden die Karten neu gemischt und der eigentliche Verlierer wurde zum Gewinner.

    Die Gründe für die hohen Preise der EELV sehe ich vor allem an der Entscheidung, beide Träger weiter zu betreiben. Hätte man sich für einen klaren Sieger entschieden, der alle Aufträge bekommt, hätte man die Delta 2 durch eine EELV Smal Version ersetzt, hätte man mehrjährige Bestellungen eingeführt usw dann hätte man die Kosten der EELV Träger deutlich reduzieren können. Das war aber nicht im Sinne der Politik und der Air Force. Insofern sind die hohen Preise eher hausgemacht. Boeing und LM selbst hätten großes Interesse, die Träger billiger anbieten zu können, um noch einige private Aufträge zu bekommen und so ihre Produktion besser auszulasten. Das klappt aber bei den aktuellen Preisen nicht.

    Ich sehe das COTS Programm daher eher als Programm, über das die ethablierten Hersteller sich eckig lachen. Es gibt doch keine bessere Gelegenheit, die hohen Preise der EELVs zu rechtfertigen als dieses Programm. Die Dilettanten von SpaceX machen es Boeing und co ja auch wirklich einfach, in dem man einfach jeden gesunden Menschenverstand über Bord wirft und präsentieren eine Lehrveranstaltung, wie man Raketen nun gerade nicht bauen sollte. Der „Erfolg“ spricht Bände: Bei 6 Starts gab es 3 komplette Fehlstarts (Falcon 1), 2 teilweise erfolgreiche Starts (Falcon 1, Falcon 9) sowie nur einen komplett erfolgreichen Start (Falcon 1). Ein so desaströses Ergebnis gab es höchstens bei den ersten US Raketen zum Beginn des Raumfahrtzeitalters.

    Zudem hat SpaceX fast die gesamten Kosten, die die NASA für die Qualifikationsflüge gezahlt hat, schon für die Fertigentwicklung der Falcon 9 ausgegeben. Passiert jetzt noch etwas unerwartetes wie ein Fehlstart bei einer der COTS Missionen, dann sind sie schneller pleite als sie Falcon 1 sagen können. Zudem steht die Nutzlast der Falcon 9 noch komplett in den Sternen. Keiner weiß, welche Nutzlast sie am Ende haben wird. Davon hängt aber dann auch die Anzahl der Flüge zur ISS ab. Sinkt die Nutzlast zu stark, müssen mehr Flüge durchgeführt werden. Zudem klappt wohl auch die geplante Wiederverwertung der ersten Stufe nicht, was die Kosten zusätzlich in die Höhe treibt. Ich glaube nicht, das SpaceX mit dem COTS Auftrag überhaupt noch einen einzigen Cent Gewinn machen kann. Die erden im Gegenteil kräftig draufzahlen müssen. Aber ob sie das bei ihrer finanziellen Situation können?

    In meinen Augen war die Entscheidung für SpaxeX ein risiger, nicht zu rechtfertigender Fehler. OSC hat bessere Karten, da sie auch über mehr Erfahrung verfügen, aber sie haben noch weniger Zeit als SpaceX und setzen ebenfalls eine komplett neue Rakete ein. Auch hier keine wirklich guten Vorzeichen. Man hätte den Auftrag den renomierten Firmen anvertrauen sollen, dann hätte man sich über die weitere Versorgung der ISS keine Sorgen machen brauchen.

  8. @Mario

    Ganz grundsätzlich: Die Startstatistik der Falcon 1 und der Falcon 9 sollte man genauso getrennt halten, wie man die Startstatistik der Delta II und Delta IV, die der H2a und H2b, die der Ariane 4 und Ariane 5 etc. getrennt hält. Punkt.

    Außerdem: SpaceX ist eine völlig neue Firma in der Raumfahrt. Dilettanten ist also genau der richtige Ausdruck. Wer eine neue Firma gründet, der wird immer Anfängerfehler machen. Denn die Erfahrung der Firma ist nicht die Summe der Erfahrungen der Mitarbeiter, sondern die Erfahrung der Mitarbeiter bei der Zusammenarbeit in der Firma.

    Fehlerquellen muss man finden und ausmerzen, ein Prozess den Boeing und Lockheed Martin schon hinter sich haben. OSC wird davon auch einige machen, aber anders als SpaceX haben die noch nichts getan, bei dem die Fehler unvermeidlich ans Tageslicht treten. Deshalb finde ich den Vergleich der beiden unangebracht und zur Zeit zumindest deutlich verfrüht. Die überlegene
    Erfahrung von OSC besteht bis hier her nur auf dem Papier – und das ist geduldig.

    Desweiteren sind Trägerraketen ein Geschäft, das besonders anfällig für überzogene Preise von Monopolisten ist. (Ich schreibe heute Nachmittag zwei Klausuren über das Thema, ich *sollte* mich also damit auskennen …)

    Die Nutzlasten und Missionskosten der Nutzlast geben bei jedem Start den Ton an – sie machen ein mehrfaches des Startpreises aus. Eine Erhöhung des Raketenpreises um 10% macht im Missionsbudget gerade einmal eine Erhöhung von 2-3% aus, der Reingewinn der Firma, die die Rakete verkauft, kann sich dabei aber locker verdoppelt haben. Noch 10% mehr und er verdreifacht sich, während die Missionskosten nur um 5% gestiegen sind.

    Die Firmen werden sich also bemühen, die Preise möglichst hoch zu halten und ihre wahren Kosten hinter der Buchhaltung zu verstecken. (Besuche mal eine Vorlesung zum Thema externe Buchhaltung und suche die Lücken in den Vorschriften … man glaubt gar nicht wie arm sich so eine Firma rechnen kann.)

    Da die USA unfähig sind staatliche Unternehmen halbwegs Korruptionsfrei zu führen, kann man hier auch nicht wie bei der ESA einfach das Geschäft selbst übernehmen oder damit drohen. Schon eine glaubhafte Drohung würde einiges an den Preisen ändern.

    Wenn man wirklich die Startkosten senken will, dann geht das also nur durch echte Konkurrenz. Denn wenn die versucht mehr Starts abzubekommen, dann muss man zwangsläufig die Hosen runter lassen (nichts ist eine glaubhaftere Drohung als die Realität). Plötzlich sind dann ungeahnt billige Preise möglich, die man selbstverständlich mit revolutionär neuen Technologien begründen wird – aber das ist nur Show.

    Nur hat man keine echte Konkurrenz, wenn man als Nachfrager von beiden Anbietern abhängig ist, weil einer allein nicht die nötigen Kapazitäten hat. Deswegen macht es aus Sicht der NASA durchaus Sinn neue Firmen zu fördern – sogar mehr Firmen als unbedingt nötig wären. Die Entwicklungskosten die sie OSC und SpaceX bis jetzt vorgestreckt hat sind jedenfalls überschaubar – es ist etwa so viel Geld wie für den George W. Bush Gedenkflug der Ares I-x, die ein absehbare technologische Sackgasse war.

    P.S.:

    Bernd:

    Es wird in letzter Zeit wieder heftiger über eine direkte Wiederverwendung der Space Shuttle Technologie diskutiert, in dem Sinne, dass man das Space Shuttle durch eine Rakete ersetzt, die die übrig gebliebenen SSME verwenden soll (die später durch eine billigere Neuentwicklung ersetzt werden sollen). Die Startkosten sollen bei 80t Nutzlast unter $500 mio liegen.

    1) Weisst du mehr dadrüber?
    2) Wäre es dann nicht sinnvoller drei SSME durch zwei RS-68 der Delta IV zu ersetzen? Oder gäbe es bei so etwas offensichtliche Probleme die ich nicht bedacht habe?

  9. Klar, wir können die Statistik von SpaceX auch getrennt betrachen: Falcon 1: 3 Fehlstarts, 1 teilweise erfolgreicher Start, ein erfolgreicher Start. Falcon 9: ein teilweise erfolgreicher Start.

    Sieht irgendwie nicht viel besser aus…

    Bei SpaceX geht es nicht darum, das man Anfängerfehler begeht, sondern das man absichtlich Erfahrungen, die die Menschheit in 50 Jahren Raumfahrt gesammelt hat, ignoriert und mit Füssen tritt. Und wenn man schon so weit ist, das man selbst an Trennungsraketen für die Stufentrennung spart, dann hat das nichts mit kostengünstiger Entwicklung, sondern mit sparen an der falschen Stelle und dilettantischer Entwicklung zu tun. Ebenso ist es nicht zu rechtfertigen, das man mit einer praktisch ungetesteten Rakete gleich eine Kundennutzlast befördern muss (erster Falcon 1 Start). Genau so zeugen die Nutzlastschätzungen der Falcon 9 Heavy nicht gerade von großer Professionalität. Wenn eine Träger mit RP1 / LOX und eher wenig effektiven Triebwerken höhere Nutzlasten befördern soll als ein Träger mit Hochleistungstriebwerken in der Startstufe (Atlas 5) oder hochenergetischem Treibstoff (Delta 4), dann stimmt da ganz eindeutig etwas nicht.

    Wir werden am Ende sehen, wer wie erfolgreich sein wird. Man muss allerdings kein Prophet sein, um SpaceX hier lediglich Außenseiterchancen einzuräumen. Ich vermute eh, das sie pleite sind, bevor die eigentlichen COTS Flüge richtig beginnen.

    Zu den Startkosten: Konkurenz mag im normalen Markt ein wichtiger Punkt für gute Preise sein, im Raumfahrtsektor allerdings gewiss nicht. Hier gibt es schon viel zu viele Anbieter, die sich um die wenigen Nutzlasten streiten. Einzige Chance, die Preise zu senken, ist die optimale Ausnutzung der Fertigungskapazitäten. Sprich, je mehr Träger man bauen kann, um so billiger kann man sie anbieten.

    Konkurenz ist dabei eher hinderlich. Aktuell ist die Konkurenzsituation schon so groß und die Preise so weit unten, das ein Fehlstart bei Ariane genügt, das Arianespace 2 Jahre hintereinander rote Zahlen schreiben. Bei Sealanch hat ein Fehlstart genügt, den Anbieter in die Insolvenz zu treiben.

    Die USA könnten die Kosten ihrer Träger sofort senken, wenn man zukünftig nur noch mit einem Träger (der Atlas 5, da man diesen Träger mittlerweile am besten kennt)fliegen würde. Als Konkurenz genügt es, sich die Option offen zu halten, auch Nutzlasten mit der Ariane zu starten. Dafür braucht man keinen COTS Programm. Ich hab eh die Vermutung, das das ganze COTS Programm nur begonnen wurde, um die sogenannten privaten Anbieter bis auf die Knochen zu blamieren und zu beweisen, das sie nichts auf die Reihe bekommen.

  10. Einige Bemerkungen. Ein paar Sachen wurden ja schon gesagt und diskutiert. Ich stehe ebenfalls auf dem Standpunkt dass man nicht mehr Träger braucht – die USA haben heute schon eine Menge und führen relativ wenige Flüge aus. Früher kamen sie mit der Thor, Atlas und Titan aus um wesentlich mehr Starts durchzuführen.

    Der Vergleich mit Delta 4 und Atlas V ist insofern falsch, alsdass diese in einer anderen Liga spielen. Sie sind nicht für LEO Transporte ausgelegt und die Nutzlast für diesen Orbit ist nur theoretisch, die Oberstufen können gar nicht so viel Gewicht aushalten.

    Die Startpreise haben sich zwar erhöht, aber vergleicht man mit Ariane 5 so sind es keine Wucherpreise sondern sie lagen auf dem gleichen Niveau (jetzt ist Ariane durch den günstigeren Eurokurs deutlich billiger). Was fehlte war leider die Flexibilität Doppelstarts anzubieten.

    Die Air Force hat vor einigen Jahren die Delta II abgekündigt, da ihre neuen GPS Satelliten nun mit der Delta 4 starten. Die Delta wäre im gleichen Segment wie die neuen Träger angesiedelt. Auch sie ist teurer geworden, das lag jedoch vor allem an der sinkenden Nachfrage. Wie schon herausgearbeitet ist das natürlich der Schlüsselpunkt als die NASA mal für Satelliten und Planetensonden gleich einige Träger auf einmal bestellte sank auch der Preis der delta wieder und mit genügend Aufträgen für das ISS Transportprogramm wäre das auch wieder gegeben.

    Zur Qualifikation von SpaceX wurde schon alles gesagt. Ich würde auch dazu tendieren mir die gesamte Geschichte der Firma anzusehen und dazu gehört neben den Starts auch die Arzt wie mit Medien umgegangen wird oder wie offen über Probleme gesprochen wird. Beim Falcon 9 Start gab es nicht mal ein Datenblatt mit den grundlegenden Daten der Rakete. Der dort veröffentliche Zeitplan (Brennzeiten) stimmte mit dem tatsächlichen auch nicht überein und Nutzlastangaben beziehen sich auf ein zukünftiges nicht existenten Träger. Das erinnert mich eher an die Sowjets im kalten Krieg. Selbst über chinesische träger gibt es mehr Informationen.

  11. @tp1024: Das Wiederverwenden der Shuttle-Technologie klingt sehr nach der „Jupiter I“, ein Shuttle-Außentank mit 2 SRB und zwei RS-68 und einer zweiten Stufe würde die von dir genannten 80 Tonnen in den LEO befördern. Zuvor würde allerdings die Versorgung der ISS mit Hilfe von Delta und Atlas gesichtert werden, die Jupiter I wäre dann für den Weg zum Mond wichtig, die spätere Jupiter II und III für die Mondbasis (wenn ich mich recht an den 2006er Plan von Team Vision (die Autoren des DIRECT-Plans) erinnere).

  12. Beim Vergleich fehlt noch die Tatsache, dass OSC bisher genau 0 Startversuche mit der Taurus II hatte. Dafür haben sie aber jahrzehntelange Erfahrung mit anderen Trägern (Pegasus und Taurus I).

    Beide Teams werden weitere Verzögerungen zum ursprünglichen Zeitplan erleiden. SpaceX muss die Fehler der Falcon 9 ausmerzen und Dragon fertig entwickeln. OSC muss hingegen eine schwere, flüssigkeitsgetriebene Unterstufe neu entwickeln, während sie bisher vor allem Erfahrung mit Feststoffmotoren haben.

    Auf jeden Fall ist es ein spannendes Rennen.

    Sollten SpaceX und OSC scheitern, können immer noch Boeing und Lockheed-Martin mit ATV/HTV-Varianten einspringen. Allerdings dann für deutlich mehr Geld als die zitierten 2 Mrd. US-$.

    Kai

  13. OSC wird die Stufe nicht selbst entwickeln. Die Triebwerke sind NK-33, nach den Saturn F-1 die wohl erprobtesten Triebwerke der Welt. Von Russland selbst schon für mehrere Projekte vorgeschlagen und die erste Stufe wird vom Hersteller der Zenit hergestellt, Die haben auch ein paar Erfahrungen mit der Herstellung der Stufe…

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