„Testpiloten, Piloten, Sekretärinnen, Wissenschaftler“

So lautete das Resümee, das die NASA Astronauten der vierten Gruppe über die Einteilung zu den Missionen zogen. Die vierte Gruppe wurde ja geschaffen aufgrund der Forderungen zahlreicher Universitäten und Druck der wissenschaftlichen Gemeinde, doch auf die Mondmissionen doch auch Wissenschaftler mitzunehmen.

Die NASA gab dem Druck nach, doch anfreunden konnte sie sich nicht mit der Forderung. Es ging damit los, dass nur sechs Wissenschaftler gut genug waren Astronauten zu werden. Diese wurden dann auch nach der Rekrutierung erst mal auf eine einjährige Ausbildung geschickt um das Fliegen von Düsenflugzeugen zu lernen. Doch selbst als sie zurückkamen wurden sie nicht eingeteilt. Stattdessen kamen Astronauten der nächsten Gruppe, die 10 Monate später rekrutiert wurden zuerst zum Zuge. So kam nur einer als Lunar Module Pilot bei Apollo 17 zum Einsatz, und dies auch nur deswegen weil es massive Proteste gab, dass kein Wissenschaftler während des Apolloprogramms mehr zum Einsatz kam, denn die Planung sah bei der primären Besatzung eigentlich Joe Engle als LM-Pilot vor.

Die Argumentation der früheren Astronauten – die in Form von Deke Slayton und Alan Shepard auch über die Einteilung von Besatzungen entschieden – war, dass die Landung eines Raumfahrzeugs, wie auch die gesamte Steuerung noch so riskant war, dass man Leute mit einem kühlen Kopf und technischem Verständnis brauchte und nicht Wissenschaftler die einem Forschungstrieb nachgingen. Es wäre auch nicht möglich auf einen zu verzichten.

Ich finde das ziemlich chauvinistisch. Nun möchte ich nicht bestreiten, dass für die Raumkapseln viel technischer Sachverstand notwendig ist. Doch damit hat das ja nichts zu tun. Wer ein naturwissenschaftliches Studium absolviert der hat es in der Regel auch mit technischen Geräten zu tun, und wenn dieses Argument ziehen würde, dann sollten nicht Piloten fliegen, sondern Ingenieure oder noch besser die Konstrukteure der Kapsel. Nun könnte man argumentieren, Testpiloten würden nicht so schnell in Panik geraten – dem mag so sein, aber die Missionen wurden so ausgelegt, dass es immer möglichst viel Zeit zum Nachdenken gab. Selbst bei dem Start gab es eine 10 s Frist, zumindest waren soweit die Benachrichtigungs- und Sicherheitssysteme ausgelegt und bei der Mondlandung konnte die Fähre bis zu 60 s lang schweben. Es gab also genügend Zeit nachzudenken und auch den Boden zu konsultieren, was integraler Bestandteil der Mission war.

Sicherheit kommt meiner Ansicht nach nicht durch eine Vorbildung als Pilot sondern durch Training mit dem Raumfahrzeug, Vertrautheit mit diesem und vor allem das Üben von Notsituationen. Ich sehe keinen Grund warum hier Wissenschaftler schlechter sein sollte, vor allem weil es sich ja um neue  Geräte handelte und nicht um Kopien von Flugzeugen. Das eine gewisse Vorbildung ja auch hinderlich sein kann zeigte sich im Geminiprogramm als die Versuche der Piloten die zweiten Stufen der Titan anzufliegen dazu führten, dass sie sich von ihnen entfernten – Himmelsmechanik ist eben nicht dem Fliegen vergleichbar.

Man könnte nun meinen, das war mal. Inzwischen ist die NASA schlauer. Aber ich habe da meine Zweifel. Ich habe mal geschaut wer so derzeit bei der NASA Astronaut ist und dabei fiel mir auf, dass die meisten vom Militär kommen, so geschätzt etwa 40%. Ds ich meine Zweifel habe, dass beim Militär so viele Wissenschaftler und Fachkräfte ausgebildet werden, kommt nur der gleiche Grund in Frage wie schon früher: Piloten werden bevorzugt. Dabei könnte ja das Shuttle automatisch landen (das Ausfahren des Landefahrwerks bekäme ja noch jemand hin der nicht fliegen kann). Der Grund dafür greift also eher noch weniger als früher, zumal die Missionen ja noch mehr wissenschaftliche oder zumindest missionsspezifische Kenntnisse erfordern als früher.

So viel hat sich nicht geändert und das ist nicht nur traurig für die NASA, sondern auch ein Zeichen wie wenig zumindest bei den heutigen Raumfahrzeugen an „Tourismus“ zu denken ist – mal abgesehen von den exorbitanten Startpreisen. Offensichtlich sind sie noch so komplex, dass jeder eine mehrjährige Ausbildung haben muss um sie zu fliegen. Mehr noch: Selbst bei den Astronauten die am häufigsten im All waren zwei Jahre zwischen zwei Missionen liegen und man ja eigentlich annehmen sollte, dass diese, wenn sie einmal geflogen sind mit dem Shuttle vertraut sind, dann zeigt das wie komplex die heutigen Raumfahrzeuge noch sind, oder vielleicht auch sein sollen. Sonst könnte man ja auf die Idee kommen, die Besatzung wäre gar nicht nötig…

3 thoughts on “„Testpiloten, Piloten, Sekretärinnen, Wissenschaftler“

  1. Das Problem mit der NASA scheint zu sein, dass sie nicht das ist, was sie vorgibt zu sein. Für Forschung war sie eigentlich nie da, sondern für das Rennen in den Weltraum – sie sollte Leute auf den Mond bringen, des Prestiges wegen.

    Leute bringt sie noch heute in den Weltraum, aber wenn auch nicht mehr um Prestige zu bekommen, sondern um es nicht vollens zu verlieren.

    Das gleiche tut sie auch für die Arbeitsplätze. Man fühlt sich verpflichtet Raumfahrtingenieure weiter zu beschäftigen, Arbeitsplätze zu erhalten – auch wieder nur um dem Verlust des Prestiges vorzubeugen.

    Wäre die NASA für Forschung da, dann würde sie versuchen die Forschung auszubauen – aber das tut sie nicht, die Forschungsprogramme werden bekanntlich immer weiter zusammengestrichen.

    Wäre die NASA für bemannte Raumfahrt da, dann hätte sie sich längst vom Shuttle verabschiedet, billigere Raumkapseln entwickelt, gebaut und gestartet und mehr Leute in den Orbit gebracht. (Wenn man eine vollautomatsierte amerikanische Soyuz Variante für $200mio pro Start unterstellt, dann reichen $10Mrd für 150 Astronauten pro Jahr – jede Woche ein Flug zur ISS.)

    Wäre die NASA für Raumfahrt allgemein da, dann würde sie einen größeren Teil ihres 19Mrd Dollar Budgets für ganz reale Starts ausgeben. Mit der Hälfte des Budgets könnte man jede Woche eine Atlas V starten, wenn man von $200mio pro Start ausgeht.

    Oder (wenn man glaubt, dass SpaceX soetwas stemmen könnte) jeden Tag eine Falcon 1e und am Wochenende noch zwei Falcon 9 dazu. – Zu aktuellen Preisen! Die würden aber deutlich sinken, wenn man jedes Jahr 1500 Merlin Triebwerke bauen würde und nicht nur ein paar Duzend. Die Nutzlasten könnte man dann zum einen Teil unter den reichlich 4000 Universitäten in den USA aufteilen und den Rest meistbietend verkaufen.

    … und die andere Hälfte des Budgets hätte man dann immernoch für Forschungsprojekte, bemannte Raumfahrt oder die Entwicklung neuer Raketen übrig. – Wobei letztere in dem Fall wohl zum größten Teil von privaten Unternehmen erledigt werden würde.

    (Selbst im Monopolfall gäbe es eine gewisse Entwicklung aus purem Eigeninteresse heraus, allein schon wegen der Notwendigkeit hunderte Raketen pro Jahr zu bauen und zu starten.)

  2. Ich halte die Rechnung für ziemlich „milchmädchenhaft“.

    Also die ISS kostet nicht 10 Mrd $ pro Jahr, selbst wenn man die Shuttle Starts dazu rechnet. Ob man für 200 Millionen ein bemanntes Raumfahrzeug hinbekommt? Der unbemannte ATV-002 wird 400-450 Millionen Euro kosten und OSC meinte mal für 350-400 Millionen $ drei Astronauten zur ISS zu bekommen. Würde man das Shuttlebudget auf solche Flüge umlegen, dann wären das 6-7 Flüge pro Jahr. In der summe also nicht mehr Passagiere als mit dem STS möglich wäre.

    Auch das NASA Budget steht nicht vollständig für Forschung zur Verfügung. Im Gegenteil, dafür stehen nur etwa ein Drittel der Mittel zur Verfügung. 50% gehen für bemannte Raumfahrt drauf und der Rest für Aeronautik, Grundlagenforschung, Fixkosten.

    Zudem kostet ein Forschungssatellit mehr als die Trägerrakete. Typischerweise das 5-10 fache. Selbst bei Kommunikationssatelliten die in Kleinserien gebaut werden ist es noch das dreifache. Eventuell kann man auch dahin bei Forschungssatelliten kommen, aber selbst dann wäre es nicht ein Start pro Woche.

  3. Ja,ich weiß, dass die Satelliten zur Zeit weit mehr kosten als der Start – deswegen ja auch der Vorschlag, dass die NASA die Starts anbietet und die Nutzlasten von Universitäten und sonstigen „Bedürftigen“ kommen. Die NASA wäre da nur dafür zuständig, die Nutzlast kostenlos in den Orbit zu befördern.

    Natürlich kann man dann nicht sofort Satelliten auf dem heutigen Stand der Technik erwarten – dazu fehlt es in den Universitäten und den meisten anderen Firmen, die sich vielleicht für einen eigenen Satelliten interessieren würden, an den notwendigen Einrichtungen, dem Know How und dem Budget.

    Aber es würden von Anfang an Freiräume zum echten Experimentieren geschaffen werden, die es seit den 60er Jahren praktisch nicht mehr gab – und die gab es damals auch nur deswegen, weil niemand richtig wusste, wie man einen Satelliten bauen sollte. Kreativität ist aber das eine, das die Leute an den Universitäten haben und so ziemlich das einzige, das begrenzte Geldmittel wieder aufwiegen kann.

    Welcher Satellit wird nicht von Anfang bis Ende wie ein rohes Ei behandelt, das nur in Reinsträumen zusammengebaut wird? Wo werden Motoren, Triebwerke und Strukturteile nicht bis an die Grenze des machbaren verkleinert? Hinter welchem Satellit steht nicht ein Geldgeber, der hunderte Millionen investiert hat und mit schwersten Konsequenzen droht, wenn ein Experiment schief gehen sollte? Wer hat schon einmal einen Satelliten gebaut und konsequent versucht, die notwendigen Funktionstests zu minimieren – und eine zweite Chance bekommen, wenn er dabei etwas zu radikal vorgegangen ist?

    Die Möglichkeit Fehler zu machen ist das wichtigste überhaupt, wenn man neue Entwicklungen sehen will – aber wenn schon der Start eines Satelliten zig Millionen kostet, dann sind nicht nur Fehler von Anfang an unverzeihlich, es muss auch ein „Nutzen“ vorhanden sein, der diesen zig Millionen in den Augen der Investoren gerecht wird.

    Zusammen führt das dann zu solchen Paradoxen Situationen wie dem nächsten Mars Rover, bei dem die Startkosten nur noch einen winzigen Bruchteil des Budgets von über $2Mrd ausmachen.

    Eine Universität dagegen, die den Start kostenlos bekommt, wird sich zwar dem Druck der Öffentlichkeit gegenüber sehen, einen vernünftigen Satelliten zu bauen – kann aber mit einer gewissen Milde rechnen, wenn das kleine Budget dazu führt, dass ihr Satellit fünf mal schwerer ist, als einer der hunderte Millionen Dollar gekostet hat und das gleiche kann.

    Keine Universität müsste sich dafür schämen, wenn das Budget nur für das Manövrieren mit Druckluft reicht oder der Bordcomputer 50kg wiegt, weil er aus kommerzieller Elektronik besteht und mit viel Blei abgeschirmt wird. Es müsste sich auch eine Universität irgendwo im mittleren Westen nicht unbedingt dafür Rechtfertigen, dass ihr Satellit nach zwei Monaten ausfällt und nicht wie geplant drei Jahre überlebt – erst Recht nicht, wenn jeden Tag ein oder zwei neue gestartet werden. (Die NASA steht dagegen unter ständiger Beobachtung. Zum einen weil sie als einzige Weltraumforschung betreibt, zum anderen weil es nur wenige Missionen gibt und nicht zuletzt auch wegen riesigen Geldbeträge die jede Mission verschlingt.)

    Wichtig ist nur, dass ein echter Nutzen für die besteht, die den Satellit gebaut haben – die Forscher und Studenten.

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