Raumfahrtmythen: Die explodierenden Feststoffbooster

Es gibt Mythen, die werden immer wieder nachgeplappert, Leute die es wissen gibt es ja wenige, Leute die alles besser wissen dagegen viele. Heute geht es mal um die Explosionsgefahr bei Trägerraketen im Allgemeinen und Feststofftriebwerken im Besonderen.

Kommen wir erst einmal zu dem was eine Explosion ausmacht und was der Unterschied zu einer Verbrennung ist. Das geht auch mit ganz normalem Heizöl oder Benzin. Wird es entzündet, so verbrennt es. Dabei brennt die Kontaktfläche und die Verbrennung ist limitiert durch den an der Kontaktfläche vorhandenen Luftsauerstoff. Will man, wie das einem ja immer die Fernsehserien suggerieren, eine Explosion haben (z.B. bei Autounfällen), dann klappt das nicht. Sie können ja gerne ihr Auto mal zu Experimentalzwecken schrotten, Vielleicht können sie auch ausgelaufenes Benzin entzünden, aber es wird nicht wie im Film explodieren.

Für eine Explosion muss der Verbrennungsträger (hier Benzin) mit dem Oxidator (hier Luftsauerstoff) fein verteilt vermischt werden, sodass eine große Kontaktfläche resultiert. Erst dann darf eine Zündung erfolgen. Selbst wenn sie einen Benzinkanister sprengen bekommen sie nur einen Teileffekt, weil die Entzündung zu rasch nach dem Verstäuben kommt, doch das Militär soll an Implosionsbomben arbeiten, die darauf beruhen, dass ein Verbrennungsträger durch eine erste Sprengladung fein verteilt und dann eine zweite Ladung entzündet wird. Die Wirkung beruht auf der Verbrennung und sofortigem Verbrauch des Luftsauerstoffs und dadurch dem entstehenden Unterdruck.

Dehnt man diese Erkenntnisse nun auf die Raumfahrt aus. So können bestimmte Treibstoffarten leicht explosive Gemische bilden, so LOX/Kerosin und LOX/LH2. Damit dies möglich ist müssten beide Treibstofftanks beschädigt werden und soe die Treibstoffe ein explosives Gemisch bilden. Das ist insbesondere bei kryogenen Treibstoffen erleichtert, weil diese nicht nur durch den Innendruck aus den Tanks herausgepresst werden, sondern auch schnell verdampfen. Tritt nur eine Treibstoffkomponente aus, so kommt es nur zu einer Verbrennung. So bildete sich bei der Challenger schon 15 s vor der Explosion eine Stichflamme die vom Wasserstofftank ausging. Zur Explosion kam es erst als der zurückscherende SRB, der in der Zwischenzeit eine Abtrennung verloren hatte, gegen den Tank stieß und den Zwischentankbereich aufriss, wobei der nun massive auftretende Wasserstoff und Sauerstoff sich vermischten und durch die Flammen der Triebwerke entzündeten.

Kann nun alles explodieren?

Äh nein. Gerade die absolut unbeliebten Treibstoffmischungen können nicht explodieren. Da sind zum einen hypergole Mischungen also Hydrazine mit Salpetersäurederivaten. Da sie bei Kontakt sich entzünden, bildet sich sofort eine Flammenfront aus, die zwar ebenfalls heftig verbrennen kann, aber eine weitaus geringere Schockwelle aufweist und damit (wichtig für ein bemanntes Raumfahrzeug) ein geringeres Risiko der Beschädigung. Das führte dazu, dass man bei Gemini sich mit Schleudersitzen begnügte und keinen Fluchtturm einsetzte.

Noch sicherer sind feste Treibstoffe. Die Mischung aus Ammoniumperchlorat, Aluminium und einem Kunstharz verlöscht, wenn ein Mindestdruck unterschritten wird, der abhängig von der Zusammensetzung bei etwa 1-2 Bar liegt. Sie brennt nur an der Oberfläche, kann als fester, gummiartiger Stoff nicht fein verteilt werden. Eine explosive Mischung ist so nicht erreichbar. Es ist aber auch schwer sie zu löschen, denn bei einem Verbrennungsdruck von 40-80 bar muss eine Öffnung die den Innendruck sehr stark absinken lässt (damit die Verlöschungsgrenze erreicht wird) sehr groß sein, grob geschätzt, je nach Booster 20 mal größer als die Fläche der Düse am Düsenhals, dass wären bei den Ariane Boostern sicher eine Fläche von etwa 10 bis 20 m². Dagegen sind die Booster praktisch sofort verlöscht wenn man sie sprengt. Man kann das sehr gut bei zwei Unglücken sehen: Bei der Challenger Katastrophe flogen die SRB ungelenkt in Schlangenlinien weiter, als die Challenger schon in Trümmern zum Boden regnete. Sie wurden erst nach 110 s durch den Sicherheitsoffizier gesprengt. Beim Jungfernflug der Ariane 5 sprengte dagegen das Sicherheitssystem die Booster zusammen mit der EPC und man sieht keinerlei weiterfliegende Teile.

Überhaupt ist das Sicherheitssystem sehr wichtig. Denn es sprengt die Rakete wenn etwas passiert und zerlegt sie dabei in so viele Teile die hoffentlich weniger Schaden anrichten. Dabei werden natürlich auch die Tanks gesprengt und der Inhalt gut vermischt, sodass eine Sekundärexplosion ausgelöst wird durch die noch heißen Teile oder Triebwerke. Alleine 3,5 kg RDX Sprengstoff befinden sich dafür in jedem Ariane 5 Booster.

5 thoughts on “Raumfahrtmythen: Die explodierenden Feststoffbooster

  1. Es stimmt völlig. Das Problem mit diesen Mythen ist, dass sie meistens auf den ersten Blick plausibel und sehr gut einprägsam sind. Selbst wenn man einmal die richtige Variante gehört hat, gibt es eine gute Chance, dass man sich später den Mythos erinnert.

    (Ich glaube in meinem Fall dadurch bestärkt, dass es rund um den Rettungsturm für die Ares-I die Diskussion gab, dass im Falle eines Fehlstarts der Fallschirm durch brennenden Resttreibstoff versengt werden würde. Was genau war eigentlich an dieser Diskussion dran?)

    Ich fürchte, da hilft nur immer wieder den Besserwisser raus hängen zu lassen, auch wenn das bei manchen Leuten nicht beliebt ist. Mir ist es jedenfalls lieber eines besseren belehrt zu werden, als weiter solchen Unsinn zu glauben.

  2. Bei einem Ersthelferkurs hat mal eine Teilnehmerin gesagt, sie würde sich grundsätzlich niemals einem verunglückten Auto nähern, weil man ja damit rechnen müsse, dass es jeden Moment explodiert. So weit kann es kommen, wenn die Bildung aus Hollywood kommt.
    Zum Selbstzerstörungssystem würden mich übrigens die Details interessieren. Wo überall gibt es Sprengladungen, wie werden sie gezündet und wie wird sichergestellt, dass sie nicht versehentlich gezündet werden?

  3. Nun ja, es ist nicht unmöglich das der Tank explodiert, aber sehr unwahrscheinlich. Er muss sehr wenig Benzin enthalten (mit Diesel wird es nie klappen), das soweit erhitzt wird, dass sich eine explosive Mischung im oberen leeren Tankraum bildet. Das Gemisch darf nicht zu sauerstoffreich und nicht zu benzinreich sein. Dann muss der Tank abrupt aufgetrennt werden und gleichzeitig das Benzin entzündet, was eigentlich nur durch einen Schuss oder äußere Einwirkung geht.

    Die Gefahr dass ausgelaufenes Benzin sich entzündet ist aber immer gegeben und auch nicht zu verachten.

    Es befinden sich bei der Ariane 5 (den Träger den ich relativ gut kenne) Spengladungen bei den Boostern und der EPC. Beide trennen die Tanks bzw. Hülle über die Längsseite auf, sodass die Treibstoffe austreten, was dann bei der EPC zu einer Sekundärexplosion führt (siehe Ariane 5 Jungfernflug).

    Das Selbstzerstörungssystem ist von der Bordelektronik getrennt und wird durch ein speziell kodiertes Signal, das auf einer anderen Frequenz als die Radarverfolgung ausgestrahlt wird ausgelöst.

    Mehr in dem Buch rechts (Europäische Trägerraketen 2)

  4. @Arne
    Funktion und Bereich heißen ‚range safety‘.
    http://kscsma.ksc.nasa.gov/Range_Safety/Default.html
    Dafür gibt es beim Shuttlestart einen Officer, der auch beim letzten Abfragen aller Bereiche sein ‚go‘ geben muss.

    Aus dem countdown eines Shuttles:

    „T minus 5 minutes, the crew activates the Auxiliary Power Units to provide pressure to the Shuttle’s three hydraulic systems. The firing circuit for SRB ignition and the range safety destruct system devices are mechanically enabled by a motor-driven switch called the safe and arm device.“
    http://www.eharm.net/night_sky_guide/spaceshuttle/countdown/countdown.html

  5. Zum versengten Fallschirm:
    Sinn eines Rettungsturms ist es ja gerade, die Kapsel aus der Gefahrenzone zu bringen BEVOR der Fallschirm aktiviert wird. Bis dahin steckt er feuersicher verpackt in der Kapsel. Schon aus Gewichtsgründen wird dafür ja der normale Landefallschirm verwendet, und beim Wiedereintritt treten ähnlich hohe Temperaturen auf wie bei einem Brand. Und das überleben die Fallschirme auch.
    Theoretisch könnte zwar noch gegen die Kapsel gespritzter Treibstoff brennen, aber höchstens wenige Sekunden. Schließlich ist der Treibstoff ja dünnflüssig und tropft ab, statt wie Marmelade auch an senkrechten Flächen zu kleben. Außerdem sollte die Ares-I ja flüssigen Wasserstoff als Brennstoff benutzen. Selbst wenn der gegen die Kapsel spritzt hat die einige hundert Grad überm Siedepunkt, wäre also etwa so wie Wasser auf der heißen Herdplatte. Also garantiert nichts mit kleben bleiben.

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