Technikgeschichte

Ich habe in den vergangen Tagen einen Aufsatz über die Cray 1 fertiggestellt und mal kurz überlegt, ob ich ihn nicht an dieser Stelle veröffentlichen sollte, doch da es 60 k sind, wäre das selbst bei mehreren Teilen für den Blog zu lang. Aber er hat mich zu meinem heutigen Thema gebracht: Technikgeschichte.

Wir Menschen lieben ja Geschichten. Nicht unbedingt Geschichte, aber Geschichten. Also nicht die Geschichte Englands im 16 Jahrhundert, aber vielleicht die von Heinrich dem VIII. Das haben auch die Fernsehsendungen erkannt. derzeit läuft im ZDF immer dienstags „Weltenbrandt“ über den ersten Weltkrieg, aber in jeder Sendung ziehen sich auch die Geschichten von zwei Prominenten durch. So in der ersten von Hitler und Montgomery, in der zweiten von Göring und Charles de Gaulle. Ich wette in der dritten sind dann Rommel und Winston Churchill dran. Auch sonst wenn es um Geschichte geht, geht es um Personen oder es kommen Zeitzeugen mit persönlichen Schilderungen zu Wort.

Das gilt nun nicht nur für die Historie, sondern auch die Naturwissenschaft. egal ob es Forschungsreisen sind (Darwin, Humboldt, Scott/Amundsen) oder Erfindungen geht, ist es persönlich gefärbt, so interessiert es uns. So kam bei Terra X letzten Sonntag die Geschichte von zwei Pionieren die unabhängig voneinander den Düsenantrieb erfunden haben. Von ihnen erfuhr man viel, vom Düsenantrieb oder Problemen recht wenig,

Ich mochte schon immer Geschichten über Technik und Naturwissenschaft. Das hat mir auch die Note im Anorganik Vordiplom gerettet. Ich wusste nicht was das Nernstsche Verteilungsgesetz ist. Nicht das mir Walther Nernst nichts sagte, aber ich brachte ihn mit dem dritten Hauptsatz der Thermodynamik in Verbindung. Zu der Zeit war gerade eine Sendereihe in den Dritten (ja damals gab es noch Bildungsfernsehen in den Dritten) gelaufen: Bildner der Chemie und da kam auch Walther Nernst. Da unser Professor in der Vorlesung auch Anekdoten über andere Chemiepioniere von sich gegeben hatte, konnte ich annehmen, dass er das Thema mochte und ich erwähnte eben, das ich von Nernst nur wusste, dass er durch eine erfundene Lampe reich wurde (er verkaufte das Patent an AEG) und enorm stolz auf seinen dritten Hauptsatz war, seine Studenten witzelten daher immer der dritte Hauptsatz steht im Lexikon unter „M“ M wie „Mein Hauptsatz“. Als er nach 1933 seinen Lehrstuhl räumen musste, weil er sich für jüdische Mitarbeiter einsetzte (etwas was man sicher nicht bei Guido Knopp erfährt, dort gibt es ja immer nur die Naziverbrecher) zog er sich auf sein Landgut zurück. Ein Mitarbeiter fragte ihn was er wohl züchten würde: Schweine oder Rinder? Nernst antwortete: „Karpfen, ich züchte isotherm“. Tja ein echter Chemiker.

Man sieht, gute Geschichten vergisst man auch nach 20 Jahren nicht. Die Frage ist: kann auch Technik, ohne viele interessierte Personen interessant sein? Also für mich schon. Sonst gäbe es ja nicht zig Aufsätze über Raumsonden, Raketen und ähnliches. Nur bei den wenigsten kennt man ja Personen die involviert sind oder kann Geschichten der Entwicklung erzählen, am ehesten noch bei der bemannten Raumfahrt, bei der sich die wenigsten ja für die Technik und der Großteil für die Personen und ihre Erlebnisse interessieren.

Also ich finde Technik an sich ist interessant und auch wenn man keine Geschichte erzählen kann, so sind doch technische Lösungen interessant weil sie die Lösung eines Problems durch jemanden darstellen. Das bringt mich auch dazu immer wieder über Technik zu schreiben. Aber ich weiß auch: nur ein Bruchteil der Bevölkerung denkt wie ich. Zum einen interessiert und als Menschen eben mehr was andere Menschen machen, was ja auch immer als Begründung für eine Marslandung angeführt wird (wir können uns mehr mit einer Person identifizieren und wir wollen Augenzeugenberichte, wie es auf dem Mars ist) und zum zweiten leben wir in einer Zeit in der wir mehr von Informationshappen in der Form „Die Wiedervereinigung in drei Sätzen“ leben, als dass wir uns mit Dingen beschäftigen wollen, die man über Seiten erklären muss. Oder vielleicht ist die Zahl der Leute die dank PISA das verstehen können, heute auch kleiner geworden.

Schade drum

6 thoughts on “Technikgeschichte

  1. Hallo Herr Leitenberger,
    bin seit geraumer Zeit Leser ihres Blogs, vor allem der Raumfahrtthemen.
    Grund meines ersten postings ist aber ein anderer: Wenn ich lese dass sie von einem Professor berichten der in seinen Vorlesungen gerne Anektoden über andere Chemiepioniere erzählte, so erinnert mich das sehr an „meinen“ Prüfer im Anorganik-Vordiplom (und seine entsprechenden Vorlesungen): Prof. Becker.
    Reden wir zufällig von der gleichen Person?

  2. Ein bisschen später, Vordiplom 1997. Auch zur Diplomprüfung war er einer meiner Prüfer.
    Im Hauptstudium hat Becker dann besonders gerne von Walter Hieber erzählt (einem Pionier der Metallcarbonyle). „Das war nämlich ein echter Schwabe aus Waldhausen im Remstal“.

  3. Na ja Diplom musste ich keines bei ihm machen, das ist bei LM-Chemikern ja ein zweigeteiltex Staatsexamen (eigentlich mehr als ein Diplom, nach dem ersten Teil kann man schon promovieren, aber den Titel gibts trotzdem nicht). Ich empfand Becker ganz angenehm und die Note war auch okay,hat mir nur nichts genützt weil sie mit organscher Chemie zusammengerechnet wurde und da wurde ich über den Edmann Abbau gefragt, den ich nicht wusste (und der auch erst im Hauptstudium dran kam).

  4. Hm… ich hab ja derzeit kein Fernsehen, und auch nicht viel Ahnung von Geschichte, aber wenn ich die Namen im zweiten Absatz lese, dann fällt mir dazu eigentlich nur der zweite Weltkrieg ein, aber nicht der Erste.

    Was die Geschichten, insbesodere der naturwissenschaftlich / technischen Entwicklungen angeht, so hast Du die Sache schon klar erkannt. Es besteht da beim erzählen aber auch immer das Problem, das man sich zumindest auch ein wenig für die Sache interessieren muss, an der die Person gearbeitet hat, um diese Sache ausreichend zu würdigen. Das lässt sich heute zwar mit entsprechenden Animationen, Vorführexperimenten oder anderen Methoden so à la Myth Busters darstellen. Am besten, indem man versucht, die Arbeiten der entsprechenden Person nachzustellen. Zumindest die wichtigsten Teile davon. Denn zu zeigen, wie jemand z.B. im Labor am Mikroskop sitzt und sich Notizen zum gesehenen macht, oder am Schreibtisch über einem Berg Papiere, die auszuwerten sind, ist ziemlich langweilig.

    Und nicht zuletzt ist es ein wesentlicher Grundsatz des professionellen Geschichten erzählens, (also des Romane oder Drehbuch schreibens) die Handlung an Personen fest zu machen. So schreibt z.B. James N. Frey in „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“ (ISBN 3-924491-32-1): „Alles worauf es ankommt ist *Wer*“, und damit ist das erste Kapitel des Buches überschrieben. Wenn man nun also beispielsweise die Entwicklung von Raumsonden nimmt, so gibt es da eine Reihe von technischen Teilaspekten, die zu berücksichtigen sind, bei denen vielen Leuten, die sich eher weniger für die Technik interessieren schnell langweilig wird, oder sie sind je nach Vorbildung und/oder Niveau des fachlichen Teils schnell überfordert.
    Wenn man es andrerseits mehr von Seiten der beteiligten Personen aufzieht, ohne die wesentlichen technischen Einzelheiten zu vernachlässigen, so kann man als Erzähler bestenfalls die Team-, Abteilungs- oder Gruppenleiter erwähnen, die mit ihren Leuten eine bestimmte Leistung vollbracht haben. Sonst werden es zu viele, die kann sich auch kaum jemand alle auf einmal merken.

    Soweit jetzt mal. Ich schätze zwar, dass ich mal wieder irgendwo am Kern der Sache vorbei geraten bin, aber nun ja. Es muss ja auch einer dafür zuständig sein… 😉

  5. Ja du hast recht. beide Bücher die ich als positive Beispiel gebracht habe, haben solche Elemente. Bei „How Apollo flew to the moon“ wird zwischen Technikbeschreibung und realen Szenen aus Apollo 16 gewechselt und bei Digital Apollo wird vieles aus der Sicht der Verantwortlichen beim MIT geschildert.

    Doch solche Zeiten sind weitgehend vorbei. Es gibt kaum noch die für alles verantwortlichen und wenn weiss man wenig über sie. Ausnahme wäre vielleicht noch Alan Stern der es schaffte New Horizons durchzusetzen.

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