Bigelow: Realismus und Kritik

Ich will mal Vineyards Frage aufgreifen, was ich von Bigelow Aerospace halte. Ich kann nicht so viel sagen, ob diese aufblasbaren Raumstationen funktionieren: Es mag für die Struktur gangbar sein und es gibt sicher die Möglichkeit, diese genauso vor Mikrometeoriten zu schützen, aber eine echte Raumstation hat auch eine Inneneinrichtung. Wenn die Station entfaltet wird, wie geht das mit Trennwänden, Tischen, Zwischenböden, Kabinen? Noch problematischer: Leitungen für Strom, Computernetzwerke aber auch Flüssigkeiten (Kühlflüssigkeit, Wasser) und Gase.

Das die NASA dies erforscht hat, heißt nicht, dass es funktioniert. Es ist der Job der NASA Technologie zu erforschen. Die Liste der Dinge die erforscht und abgebrochen wurden ist lang – Vom Nuklearreaktor für die Stromversorgung (SERT-2) über Staustrahltriebwerke als Antriebe bis hin zum einstufigen Raumtransporter (Venture Star).

Doch das ist auch von untergeordneter Bedeutung, denn das Gewicht einer Raumstation ist nicht der entscheidende Kostenfaktor, für den Weltraumtourismus den Bigelow anstrebt.

Warum? Nehmen wir eine Raumstation aus herkömmlichen Bestanteilen. Ein MPLM (reine Struktur hat 88 m³ Rauminhalt (4.2 m Innendurchmesser, 6.4 m Länge) und wiegt 4.1 t. Nimmt man nochmal 4.9 t für eine Inneneinrichtung, Lebenserhaltungssysteme etc., so ist man bei 9 t bei genügend Raum für etwa 3 Personen. 10 Jahre Einsatz im Orbit, konservativ geschätzte 30 % Nutzungszeit macht dass knapp 20 kg pro Besucherwoche. Das BA330, ein 330 m³ Raumschiff, ist übrigens nicht so viel leichter als die oben skizzierte Lösung – Bei 23 t Startmasse errechne ich 70 kg/m³, gegenüber 102 kg/m³, wobei noch offen ist, ob dies nur ein leeres Modul ist, oder voll eingerichtet.

Da wiegt der Besucher selbst mehr. Im Prinzip könnte man für Weltraumtouristen richtige Luxusherbergen im All erreichten (zumindest was das Volumen und das Gewicht angeht) ohne das dies teuer wird, wenn man es über einen längeren Zeitraum betrachtet.

Die Grundfrage ist doch, wie billig man in den Weltraum kommt. Bigelow muss hier vorhandene Ressourcen nutzen. Bei den Starts gibt es eine Reihe von Möglichkeiten Mit 23 t für das BA330 gibt es eigentlich nur die Delta IV Heavy, doch wenn die Firma etwas runter geht, auf 20 t gibt es als Alternativen die Proton, Ariane 5 oder eine Atlas 551. Soweit könnte es gelingen, gäbe es nur nicht ein Problem: Die Kosten:

  • Eine Atlas 551 kostet 221 Millionen USD
  • Eine Ariane 136 Millionen Euro, eine Reduktion auf 100 Millionen wird angestrebt
  • Eine Proton M kostet etwa 100-112 Millionen Dollar

Nicht so ganz dazu passen will dass Bigelow die Atlas 401 nutzen möchte. Diese hat nur eine LEO Nutzlast von 12.5 t. Wahrscheinlich fand sich kein anderer Anbieter für das Angebot von 760 Mill $ für 8 Starts, also weniger als 100 Mill $ pro Start. Egal wie Bigelow ihre Raumstationen ins All bringt: Der Mannschaftstransport ist das teure daran.

Derzeit gibt es nur eine verfügbare Möglichkeit: Mannschaftstransport mit Sojus Kapseln und Fracht mit den Progress Transportern. Für beiden gibt es keine echten Preise. Warum? Zwar zahlte die südkoreanische Astronautin 25 Millionen Dollar für ihren Flug, doch das ist nicht der Preis für ein Drittel der Sojus Kapsel. Die UdSSR müssen ihre Sojus alle 180 Tage auswechseln und auch die Besatzung sollte nicht viel länger in der Schwerelosigkeit sein. Bei einer Regelbesatzung von 2 Personen verkauft die UdSSR den dritten Sitz. Das gleiche gilt für die Progress Frachter. Für diese habe ich einen Preis von 40 Millionen pro Flug gefunden. Das dürfte aber der auch unter der Voraussetzung gelten, dass die Progress Frachter den russischen Teil der Station versorgen.

Natürlich sind Russlands Preise nicht mit den Westlichen zu vergleichen, doch das ist auch nebensächlich, denn Russland arbeitet inzwischen auch marktwirtschaftlich. Ein Träger wird günstig angeboten bis genügend Kunden da sind, und dann werden die Preise soweit angehoben, bis sie etwas unter den westlichen Preisen liegen. Russland zahlt für die Fertigung einer Proton umgerechnet etwa 25 Millionen Dollar, ein kompletter Start kostet aber 100 Millionen Dollar. (wobei man natürlich erwähnen sollte, das sich Kasachstan die Nutzung von Baikonur vergolden lässt).

Wenn Bigelow Sojus Kapseln für den Transport und Progress Raumtransporter kaufen würde, wie teuer wäre dann ein Aufenthalt? Das ist unter dieser Prämisse spekulativ, aber nehmen wir wirklich mal an, die niedrigen Preise die kursieren würden gelten, also 25 Millionen Dollar pro Sitz und 40 Millionen Dollar für einen Progress Transporter mit 2 t Nutzlast.

Okay. Ein Sojus Raumschiff kostet dann 75 Millionen Dollar (3 Sitze), da ein Pilot mitfliegen muss sind maximal 2 Passagiere möglich. (Meiner Meinung nach sogar nur einer, weil die zweite Person der Bordingenieur ist. Bislang gab es nur immer einen Touristen und jeder Fremdastronaut auf dem zweiten Platz machte eine Ausbildung zum Bordingenieur durch.

Somit kostet der Mannschaftstransport schon mal 37.5 Millionen Dollar pro Person. Doch man braucht ja auch Versorgungsgüter. Bei der ISS sind das 14 kg pro Person und Tag. Ein Progress Transporter ist also nötig für jeweils 52 Crew Tage (Dreierbesatzung). Das macht weitere 2.7 Millionen pro Woche aus. Ein Ticketpreis von 40 Millionen ist also das mindeste. Die 2.7 Millionen decken sich übrigens recht gut mit dem Preis von Bigelow für eine weitere Woche (3 Millionen). Doch wie Bigelow den Preis von 15 Millionen für 4 Wochen einhalten will, ist fraglich. Vielleicht will die Firma ja auch nur ihre Raumstationen selbst vermieten, wie andere Preise für ein halbes Jahr und ein Jahr andeuten. Dann sind das Preise ohne Mannschaftstransport. Solche wären realistisch. Denn ist eine Raumstation erst einmal im All, und sie ist in hinreichender Entfernung von der Erde (500-600 km), dann kann sie dort über lange Zeit bleiben. eine 550 km Bahn ist z.b. über etwa ein Jahrzehnt stabil.

Letztendlich reduziert es sich doch auf die Transportfrage. Bei bemannten Raumflügen ist das noch um einiges schwieriger als bei unbemannten, wo man auf eine Reihe von Trägerraketen zurückgreifen kann. Dabei sind die Sojus durchaus nicht ideal: Die hohe Belastung bei Start und Landung beschränkt die Auswahl auf einen kleinen Kreis trainierter Personen. Doch es gibt nichts anderes und ein ideales Transport System, z.B. ein Shuttle mit zahlreichen Sitzen für Passagieren zu entwickeln kostet viel Geld und das kann Bigelow nicht aufbringen.

One thought on “Bigelow: Realismus und Kritik

  1. Danke für das Aufgreifen meiner Frage.

    Bigalow hat deshalb mein Interesse geweckt, weil die derzeitigen Modul Prototypen scheinbar funktionieren, wobei ein Test des bemannten Moduls mir richtiger Einrichtung und Lebenserhaltung noch aussteht. (auch wenn ich etwas skeptisch bin ob der 2010 Termin haltbar ist…)

    Ist wohl die einzig realistische Option. Ich hab auch nirgendwo richtig gelesen, daß Bigalow direkt an einem Transportsystem arbeitet. (Hab eher den Eindruck, daß hier das Prinzip „Hoffnung“ herrscht, daß andere Firmen da endlich was gebacken kriegen..)

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